Wiener "Disco-Mord"

Prozessauftakt: Angeklagter reuig, aber ‘nicht schuldig’

Wien
11.04.2011 15:46
Am Wiener Straflandesgericht hat am Montag unter regem Medieninteresse der Prozess um den sogenannten Disco-Mord in Wien-Floridsdorf begonnen. Ein heute 49-Jähriger soll in der Nacht auf den 21. August 2010 aus einem fahrenden Pkw heraus mehrere Schüsse abgegeben und dabei den 20-jährigen Rene M. tödlich verletzt haben. Der Angeklagte zeigte sich zwar reumütig, bekannte sich aber zum inkriminierten Mord "nicht schuldig", weil er sich aufgrund seiner Alkoholisierung zum Tatzeitpunkt an nichts mehr erinnern will.

"Eine unfassbare Tragödie", kommentierte der 49-Jährige das Geschehen. Er sei "heute noch ein gebrochener Mann". Sodann entschuldigte er sich bei der Mutter, dem Vater, der Schwester und dem Großvater des ums Leben gekommenen Rene, die im Verhandlungssaal anwesend waren: "Ich möchte bitte der Familie mein aufrichtiges Beileid und mein tiefstes Mitgefühl ausdrücken."

Angeklagter will zu viel gebechert haben
Zur Anklage selbst bekannte sich der von 700 Euro monatlich an Pensionsvorschuss lebende Mann "nicht schuldig". Er könne sich an die nächtliche Autofahrt und die Schussabgabe infolge einer hochgradigen Alkoholisierung nicht mehr erinnern. "Meine Erinnerung endet im Café 'Jackie' auf der Thaliastraße", erklärte der 49-Jährige, der bereits am Nachmittag heftig zu zechen begonnen haben will, als er mit einer Bekannten angeblich vier Flaschen Sekt leerte. Seine Erinnerung setze wieder ein, "als ich in einem Lokal aufgewacht bin, wo ich noch nie zuvor in meinem Leben gewesen bin". Da war es 4.30 Uhr, und Rene M. war seit rund zwei Stunden tot.

Verteidiger: "Rene zur allerfalschesten Zeit am falschen Ort"
"Rene ist zur allerfalschesten Zeit an diesem Ort gewesen, wo dieser Irrsinn passiert ist", stellte Verteidiger Werner Tomanek fest, der sich überzeugt zeigte, dass kein vorsätzliches Tötungsdelikt vorlag: "Da hat ein Schwerstalkoholisierter sorglosest in die finstere Nacht hinausgeschossen." Der Schütze, der am Beifahrersitz saß, habe den Burschen nicht wahrgenommen, keinen Menschen auf der Straße gesehen und somit "das fahrlässigste aller fahrlässigen Delikte begangen".

Dem widersprach Staatsanwalt Gerd Herrmann vehement. Der Angeklagte habe "völlig skrupellos" vier Schüsse abgegeben, drei davon in die Richtung von Rene. Er habe sich billigend mit dem Tod des jungen Mannes abgefunden.

Der Staatsanwalt untermauerte seinen Vortrag unter anderem mit Bildern von der Tatrekonstruktion, einem Party-Foto, das Rene mit zwei Freunden in der Disco zeigt, sowie einem Bild des blutdurchtränkten T-Shirts des Opfers. Vor allem aber spielte der Staatsanwalt einen Film ab, der von der Überwachungskamera einer in der Steinheilgasse ansässigen Firma aufgenommen wurde und der zufällig das tödliche Geschehen zeigt. Darauf ist die gespenstische Szene zu sehen, wie der junge Mann die Steinheilgasse entlang geht, sich ein Fahrzeug annähert, den nächtlichen Spaziergänger passiert und dieser wenige Schritte später zusammenbricht.

Zweifel am "Blackout" des Angeklagten
Zweifel am angeblich vollständigen "Blackout" des Angeklagten nährt auch ein Aktenvermerk, den eine Polizistin angefertigt hatte, nachdem sich der 49-Jährige am 28. August 2010 - also eine Woche nach der Tat - in Begleitung seines Verteidigers Werner Tomanek gestellt hatte. Während der Anwalt mit anderen Beamten den Einvernahmetermin seines Mandanten festlegte, soll der Angeklagte der Beamtin in groben Zügen von der nächtlichen Autofahrt, die Rene M. das Leben kostete, erzählt und erklärt haben, er habe "den Buben erschossen".

Für Tomanek steht dagegen fest, dass sein Mandant zum Tatzeitpunkt volltrunken war und damit eine Straftat im Sinne des § 287 Strafgesetzbuch vorliegt. Diese Bestimmung sieht maximal drei Jahre Haft für jemanden vor, der sich durch den Genuss von Alkohol in einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rausch versetzt und in diesem eine Tat verübt hat, die ihm in nüchternem Zustand als Verbrechen zuzurechnen wäre. Tomanek verweist darauf, dass sein Mandant rund 17 Stunden nach den Schüssen mit 2,6 Promille Alkohol im Blut aufgegriffen wurde, als er beim Versuch, sein Auto vor einem Heurigen einzuparken, einen Blechschaden verursachte. Der Anwalt meint, sein Mandant müsse in der vorangegangenen Nacht noch mehr "intus" gehabt haben, und hat daher zahlreiche Zeugen zum Trinkverhalten des 49-Jährigen beantragt.

Im Kaffeehaus eines Bekannten nahm alles seinen Anfang
Der Angeklagte war am Abend des 21. August 2010 im Kaffeehaus eines 29-jährigen Bankangestellten gelandet, das dieser offenbar nach Feierabend bzw. in seiner Freizeit betreibt. Der Wirt sah den 49-Jährigen, der zu seiner Stammkundschaft zählte, einige Spitzer trinken. Als er um 1.30 Uhr das Lokal schließen wollte, bat ihn der 49-Jährige, ihn mit seinem BMW heimzufahren. Der Banker und Teilzeit-Gastronom erklärte sich bereit, dieser Bitte nachzukommen, obwohl die Adresse, die ihm der Mann nannte, am anderen Ende der Stadt lag.

"Er war ein netter Kerl. Ich wollte nicht, dass er den Führerschein verliert", erklärte der 29-Jährige im Zeugenstand den sichtlich erstaunten Berufsrichtern, die vermutlich noch selten Wirte angetroffen haben, die angetrunkene Stammgäste nach der Sperrstunde in deren Autos heimwärts chauffieren. Der 49-Jährige sei "betrunken", aber noch in der Lage gewesen, "mich zu lotsen".

Zeuge hörte in der Steinheilgasse einen Knall
In der Steinheilgasse angelangt, wo nicht nur Rene M. ums Leben kam, sondern auch der Angeklagte wohnt, habe er plötzlich einen "Knall" vernommen, schilderte der Zeuge weiter. Als er auf den Beifahrersitz sah, erblickte er eine Pistole in den Händen seines Begleiters. Dieser hatte aus dem geöffneten Beifahrerfenster geschossen: "Ich bin erschrocken. Ich hatte Angst." Unmittelbar danach ließ Andreas K. drei weitere Schüsse folgen (von denen einer Rene M. traf, Anm.): "Er hat wahllos aus dem Auto geschossen. Für mich war das ein wildes, unbedachtes Herumschießen."

Der einzige Tatzeuge versicherte, er habe weder Rene M. noch sonst einen Passanten wahrgenommen: "Das war eine leer gefegte Straße."

Als er zwei Tage später von dem Toten in der Zeitung las, habe ihn der Angeklagte beruhigt, erzählte der Gastronom: "Er hat gesagt: 'Mach da kane Sorgen, das war in einer Parallelstraße'. Ich hab' das geglaubt." Erst als in den Medien ein Foto des verdächtigen Fahrzeugs erschien und er in diesem den BMW seines Stammgasts erkannte, habe er sich bei der Staatsanwaltschaft gemeldet, so der Zeuge abschließend.

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