Zwist mit Salzburg

Bund muss Kosten für Fliegerbomben nicht tragen

Salzburg
08.04.2011 13:05
Nach acht Jahren ist der Rechtsstreit zwischen der Stadt Salzburg und dem Bund um die Kosten für mehrere Fliegerbomben-Bergungen jetzt beendet. Oder doch nicht? Der Verfassungsgerichtshof hat am Freitag zwar festgestellt, dass der Bund nicht dazu verpflichtet ist, Salzburg die Kosten von 900.000 Euro zu ersetzen. Das aber bloß, weil er ein rechtliches Vakuum in dieser Sache zugelassen hat. Es gibt schlicht kein Gesetz, auf das sich Salzburg berufen kann. Demgegenüber stehen 15.000 Bomben, die noch in privatem und öffentlichem Boden schlummern.

Die Stadt Salzburg hatte 2003 die Kosten von rund 900.000 Euro für das Sondieren von 27 Verdachtspunkten und das Freilegen von drei damit entdeckten Fliegerbomben vom Staat zurückgefordert. Die beim Abwurf nicht explodierten "Blindgänger" ließ man zum Schutze der Bevölkerung entschärfen, hieß es. Insgesamt gibt es in der Mozartstadt weit über 100 Verdachtspunkte, von denen rund die Hälfte sondiert wurde. In der Vergangenheit gab es mehrfach "Bombenalarm", spektakuläre Evakuierungen, bei Entschärfungen und Sprengungen kam es auch zu Todesopfern. 2003 explodierte ein Blindgänger, zwei Männer des Entminungsdienstes wurden getötet.

Die Stadt Salzburg pochte in ihrer Erstklage auf das Kriegsmaterialgesetz sowie die Gefahrenabwendungspflicht des Bundes. Eine außergerichtliche Einigung, wonach der Bund die Hälfte der Kosten übernehmen würde, war zuvor geplatzt. Auf Weisung des damaligen Innenministers Ernst Strasser wurde das Angebot zurückgezogen, es kam zum Prozess. Beim Urteil im August 2007 hat das Landesgericht Salzburg den Bund dann grundsätzlich dazu verpflichtet, die Kosten weitgehend zu übernehmen.

Vom OLG über den OGH zum VfGH ins Nirgendwo
Das Oberlandesgericht Linz verneinte diese Verpflichtung allerdings bei der Berufung des Bundes im März 2008 mit der Begründung, der Bund müsse nur für die Entschärfung der bereits freiliegenden Fliegerbomben aufkommen. Daraufhin brachte die Stadt die Klage beim Obersten Gerichtshof ein, der sich aber nicht zuständig sah.

Daher wanderte die Causa zum Verfassungsgerichtshof, der eben nun feststellte, "dass keine Norm in der österreichischen Rechtsordnung das Suchen nach Fliegerbombenblindgängern regelt; für Ersatzansprüche aus dem Titel fehlt daher eine Kostentragungsregelung". Salzburg kann nur dann Geld einklagen, wenn es sich auf irgendeine Bestimmung berufen kann. "Das ist hier aber nicht der Fall", so VfGH- Sprecher Christian Neuwirth.

Damit ist die Causa juristisch aber noch nicht zu  Ende. Da sich der OGH für nicht zuständig erklärt und auch der VfGH mangels Grundlagen die Klage abgewiesen hat, werde nun der Verfassungsgerichtshof in einem eigenen Verfahren noch einmal prüfen, ob nicht doch der OGH und die vorgelagerten Instanzen für Klagen im Einzelfall zuständig seien, so Neuwirth. Im Juristendeutsch nennt sich dies "Kompetenzkonflikt". Bis dahin können aber erneut Jahre vergehen und man steht dann erst recht wieder am Anfang eines Prozesses, der erneut viel Zeit verschlingen kann.

Bei 15.000 Blindgängern enorme Kostenfrage
Die Sache ist aber österreichweit von großer Bedeutung, weil insgesamt noch rund 15.000 Fliegerbomben in der Erde schlummern, vor allem in Ballungsräumen. Die Suche und Bergung eines Kriegsrelikts kostet im Schnitt rund 200.000 Euro, der Bund zahlt nur die Entschärfung und Abtransport/Entsorgung. Alle Kosten für die Sondierung, die Schaffung eines Zugangs zur Bombe und deren Bergung muss der Grundstückseigentümer tragen, egal ob es sich dabei um die durchaus finanzpotente ÖBB handelt, die einen neuen Bahnhof errichtet, eine Gemeinde oder Stadt, oder einen privaten Grundstückseigentümer. Gerade diese haben die letzten Jahre mit Maßnahmen zugewartet, in der Hoffnung, der Salzburger Prozess würde ein Grundsatzurteil bringen.

Auf die Frage, ob es keine andere Lösung für die Eigentümer gibt, meinte VfGH- Sprecher Neuwirth: "Wenn man einen generellen Kostenersatz schaffen will, liegt es an der Politik, entsprechende Gesetze oder Vereinbarungen zu schaffen." Im Jänner 2008 hatte die Politik schon einen Anlauf dazu versucht, der aber bei Städten und Teilen der Opposition auf Ablehnung traf: Das Innenministerium hatte im Nationalrat einen Entwurf zu einem "Bundesgesetz über die finanzielle Unterstützung von Personen, die durch Fliegerbombenblindgänger betroffen sind" eingebracht. Dieser sah vor, dass der Bund nur 35 Prozent der Kosten und höchstens 35.000 Euro übernimmt, wenn tatsächlich eine Bombe freigelegt wird und eine Person durch die Finanzierung der Bergungsmaßnahme in ihrer Existenz bedroht wäre. Der Entwurf ist nach der Begutachtungsfrist sanft zum Erliegen gekommen.

Stadt Salzburg sieht Parlament am Zug
Salzburgs Bürgermeister Heinz Schaden sprach am Freitag in einer ersten Stellungnahme von einer "Justizgroteske" und einer "Bankrotterklärung", wenn der Verfassungsgerichtshof feststelle, dass es 66 Jahre nach Kriegsende noch keine Norm gebe, wer für die Kosten zuständig sei. "Es ist höchste Zeit, das Parlament ist am Zug und muss sofort handeln." Aus Sicht der Stadt sei die Abweisung der Klage "in höchstem Maß enttäuschend". 

Erst vor Kurzem habe das Auffinden einer Fliegerbombe in Graz - in der steirischen Hauptstadt befinden sich weit mehr Fliegerbombenblindgänger als in Salzburg - gezeigt, "dass die Dinger in höchstem Maß gefährlich sind". In allen Städten, die Verkehrsknotenpunkte sind, sei außerdem die Blindgänger-Dunkelziffer sehr hoch. Schaden ist überzeugt, dass es nur deshalb bis heute keine entsprechende Regelung gibt, weil niemand die Kosten tragen will. Der Bürgermeister kündigte an, dass er über den Städtebund nun auf jeden Fall initiativ werde. Im Sinne aller Grundeigentümer, ob nun Private oder Gebietskörperschaften, sei eine rasche Regelung unbedingt erforderlich.

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