Justiz verwehrt Wunsch

Letzte Worte eines von den Nazis getöteten Vaters

Salzburg
14.11.2021 17:00
„Mein größter Wunsch wäre es, den Abschiedsbrief meines Vaters im Original zu bekommen“, sagt Karl-Heinz Biack. Doch das Gericht verwehrt dem Salzburger diesen Wunsch, weil der Brief seines in der NS-Zeit getöteten Vaters auch ein Testament ist und für immer verwahrt bleiben muss. Das sagt das Gesetz.

„Ich habe während meiner Haft unendlich viel gebetet, Gott hat es bestimmt, dass ich, ohne Euch nochmals gesehen zu haben, sterben muß. Nun lebt wohl meine Liebsten, meine einzig Liebsten, Du meine Liebe und ihr meine allerliebsten Kinder, die ich so von Herzen gern habe“: Es sind die Zeilen von Karl Biack, gerichtet an seine Ehefrau, geschrieben am 7. November 1944 in einer Gefängniszelle in München. Drei Stunden vor seiner Hinrichtung.

Der Abschiedsbrief ist das letzte Erinnerungsstück an seinen Vater, erzählt Karl Heinz Biack. Vor Jahren fasste der Salzburger den Entschluss, den Brief zu finden. „Ich war immer der Meinung, der Brief ist in Deutschland“. Immer wieder schrieb er an die deutschen Behörden – selten kam eine Antwort zurück.

Bei einer Gedenkfeier für NS-Opfer in Traunstein vor zweieinhalb Jahren gab ihm eine Frau einen Tipp: das Bundesarchiv in Berlin. „Die haben sich auch gerührt. Ich war dann im Oktober 2019 drei Tage dort und habe alle möglichen Unterlagen gefunden, aber leider nicht den Brief.“ Biack fand unter anderem die Hinrichtungsbestätigung. „Der Hinrichtungsvorgang dauerte vom Verlassen der Zelle an gerechnet 52 Sekunden, von der Übergabe an den Scharfrichter bis zum Fall des Beiles 7 Sekunden“ ist darin wörtlich zu lesen. „Unmenschlich“, so Biack.

Der Brief lag die ganze Zeit in einem Kasten im Gericht

2020, in München, kam der Diplomkaufmann auf die richtige Spur: Ein Tipp, wonach der Brief womöglich in einem Verlassenschaftsakt sei - ausgerechnet hier in Salzburg, wo sein Vater das Todesurteil erhielt. Und tatsächlich lag der Brief in einem Kasten im Bezirksgericht. „Da durfte ich das Original erstmals in Händen halten, das war für mich sehr emotional.“ Doch das 75 Jahre alte Schriftstück durfte er nicht mitnehmen - nur eine Kopie davon. Der Grund findet sich in einem Satz des Briefes: „Was ich an beweglichen und unbeweglichen Gütern besitze, gehört Dir und den Kindern.“ Damit wurde der Brief als Testament gewertet. Und laut §168 und §173 Geschäftsordnung für die Gerichte sind „letztwillige Anordnungen feuersicher zu verwahren und dauernd aufzubewahren“. Über einen Anwalt schrieb Biack den Obersten Gerichtshof an.

Doch die Höchstrichter lehnten eine Aushändigung des Originals ab. Gesetz ist Gesetz. „Ich hab es mir nicht vorstellen können, dass ich ihn nicht bekomme. Die Republik hat doch nichts davon“, betont Biack. Helfen könne ihm jetzt nur noch das Justizministerium oder der Bundespräsident, glaubt der Salzburger: „Die letzte Hoffnung wäre ein Gnadenakt.“

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