Pulverfass

Brennender Koran wird für Obama zum Problem

Ausland
03.04.2011 11:09
Gerade erst haben US-Militärs Hoffnung im zähen Dauerkrieg am Hindukusch geschöpft - da schürt die Koranverbrennung eines wirren US-Pastors unter Muslimen neuen Hass auf den Westen. Präsident Barack Obama verurteilte die "Schändung" am Samstag als einen "Akt extremer Intoleranz und Bigotterie". Als Antwort (auf die Koranverbrennung) unschuldige Menschen anzugreifen und zu töten, sei jedoch abscheulich und verstoße gegen die menschliche Würde und den menschlichen Anstand, verurteilte der Präsident zugleich die gewaltsamen Ausschreitungen in Afghanistan.

Es klang nach frischem Optimismus, als der US-Oberkommandierende in Afghanistan dem Kongress seine jüngste Lageeinschätzung präsentierte. "Bedeutende Fortschritte" sehe er, versicherte General David Petraeus erst Mitte März. Daher unterstütze er den vom Präsidenten geplanten Beginn des Truppenabzugs ab Juli. Aber die jüngsten blutigen Tumulte nach der Koranverbrennung des US-Pastors Terry Jones zeigen: Der Waffengang am Hindukusch und das heikle Verhältnis zur islamischen Welt sind für die USA ein gefährliches Pulverfass.

Diesmal stellt sich jedoch auch die Frage, wer den Funken geliefert hat. Denn nicht nur Amerikas Medien schwiegen beinahe einmütig über die Aktion des Predigers aus Florida, als dieser am 20. März dem Koran "den Prozess machte" und die heilige Schrift der Muslime "für schuldig befunden wurde". "Religionsführer, Spitzenpolitiker und jene Horden von Reportern, die vergangenen Herbst über Jones berichteten, gaben kaum einen Laut", konstatierte die "Washington Post".

Lunte von Pakistan und Afghanistan gelegt
Stattdessen, unterstreichen amerikanische Medien, war es erst der pakistanische Präsident Asif Ali Zardari und dann Afghanistans Präsident Hamid Karzai, die den Vorfall ins grelle Licht der Öffentlichkeit zerrten. Zardari sprach von einem "ernsten Rückschlag" für die zivilisierte Welt. Karzai verurteilte die Aktion in einer Rede und forderte die Festnahme des Predigers. Einen Tag später, schreibt die "New York Times", wurde die Verbrennung zum Thema während der Freitagsgebete landauf landab in Afghanistans Moscheen - mit den bekannten Folgen.

"Karzais Rede war es, die die Leute zu den Aktionen aufgestachelt hat", zitiert die Zeitung einen prominenten afghanischen Geschäftsmann ohne Namensnennung. "Karzai hätte die Menschen eher zur Geduld aufrufen sollen, statt sie noch wütender zu machen."

Radikaler Prediger weist Schuld von sich
Jones seinerseits wies jede Verantwortung zurück. "Wir wollten das Bewusstsein für diese gefährliche Religion schärfen", sagte er dem US-Sender ABC. Für die Attacke auf das Büro der Vereinten Nationen in Mazar-i-Sharif "fühlen wir uns nicht verantwortlich", meinte er. Der Angriff "zeigt, dass es ein radikales Element im Islam gibt". Eine wütende Menschenmenge hatte am Freitag ein UNO-Büro in der Stadt im Norden Afghanistans gestürmt. Dabei starben sieben ausländische UNO-Helfer, unter ihnen eine norwegische Pilotin und ein schwedischer Jurist. Der russische Leiter des Büros wurde verletzt.

Neuerliche Ausschreitungen in Afghanistan
Am Sonntagmorgen hatten sich erneut hunderte Menschen aus Protest gegen die Koranverbrennung auf den Straßen Afghanistans versammelt. In Jalalabad, etwa 150 Kilometer östlich der Hauptstadt Kabul, blockierten rund 500 Studenten für etwa drei Stunden die Zufahrtsstraße der Stadt zu Kabul. Die Demonstranten riefen US- und israelfeindliche Parolen und forderten juristische Konsequenzen für US-Pastor Terry Jones. Die Demonstration wurde aber ohne Zwischenfälle beendet.

Weniger friedlich verliefen die Proteste in der südafghanischen Provinz Kandahar. Angaben der Provinzbehörden zufolge wurde mindestens ein Mensch getötet, 16 weitere, darunter zwei Polizisten, wurden durch Schüsse und Steinwürfe teils schwer verletzt. Der Gesundheitsdirektor der Provinz sagte, die Verletzten seien aus verschiedenen Orten in der Stadt Kandahar sowie aus umliegenden Bezirken ins Krankenhaus gebracht worden. Bereits am Vortag waren bei Protesten in Kandahar zehn Menschen getötet und mehr als 80 weitere verletzt worden.

Obama bewegt sich auf sehr dünnem Eis
Der Obama-Administration ist bewusst, dass sie sich trotz ihrer demonstrativ ausgestreckten Hand in Richtung der islamischen Welt weiter auf sehr dünnem Eis bewegt. Die zunächst selbst auferlegte Zurückhaltung Washingtons beim Feldzug gegen das libysche Regime von Muammar Gadafi rührt nach Meinung vieler vor allem daher, dass die USA bereits in zwei Kriege in muslimischen Ländern verstrickt sind. Und jüngst an die Öffentlichkeit gelangte Fotos von US-Soldaten, die sich in Afghanistan lächelnd mit ihren getöteten Opfern ablichten ließen, sind auch nicht gerade ein positiver Beitrag.

Vor einem halben Jahr hatte die massive Intervention der US-Regierung den Prediger aus Florida von der Koranverbrennung zunächst abbringen können. Locker ließ der Geistliche deshalb nicht. Immer wieder suchte er in den vergangenen Monaten mit bizarren Pressemitteilungen das Rampenlicht - und stieß bei Medien wie auch Kirchenführern auf eisige Ablehnung. Jetzt scheint Jones sein Ziel erreicht zu haben. Die Folgen, fürchtet die "Washington Post", "könnten in der gesamten muslimischen Welt widerhallen".

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