Vorarlberg spricht

Nahversorgung ist mehr als die Wurstsemmel

Vorarlberg
31.10.2021 13:55

Fachkräftemangel und Rohstoffknappheit - Unternehmer Hubert Rhomberg sieht massive Probleme auf die Vorarlberger Wirtschaft zukommen. Rhomberg hat Lösungsansätze, diese würden allerdings Mut zum Umdenken erfordern.

Krone: Welches ist derzeit das größte Problem der Vorarlberger Wirtschaft? Fachkräftemangel oder knappe Rohstoffe?

Hubert Rhomberg: Beides ist übel. Der Fachkräftemangel ist jedoch das größte Problem und wird sich weiterverschärfen. Wir werden Schweizer Verhältnisse bekommen, die Lohnkosten werden so massiv steigen, dass es einzelne Betriebe geben wird, die nicht mehr hier produzieren können.

Krone: Gibt es eine weitere Produktionsverlagerung nach Osteuropa oder Asien?

Rhomberg: Abwandern ist eine Möglichkeit, mehr Automatisierung die andere. Alle fangen an, sich mit Daten und IT zu beschäftigen. Rhomberg Bau ist das beste Beispiel, denn im Zuge der Digitalisierung brauchen auch wir mehr Informatiker.

Krone: Wie gehen Sie mit dem Fachkräftemangel um?

Rhomberg: Wir werden einiges nicht bauen können, weil uns nicht nur Bauleiter, sondern auch Handwerker fehlen. Vielleicht ist das ökologisch gesehen eh ganz gut. Ich gehe auch davon aus, dass die Rohstoffpreise weiter steigen und wir vor einer sehr hohen Inflation stehen.

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Im Zuge der Digitalisierung brauchen auch wir mehr Informatiker.

Hubert Rhomberg

Krone: Was macht Sie so sicher?

Rhomberg: Wir haben das Thema steigende Personalkosten. Material- und Rohstoffkosten schießen in die Höhe. Die Logistikkosten sind höher. Innerhalb von zwei Jahren haben sich die Preise für einen Containertransport vervierfacht. Das treibt allgemein die Preise nach oben und wird auch zu sozialen Herausforderungen führen. Leistbares Wohnen etwa wird mehr und mehr Thema werden.

Krone: Weil die ohnehin hohen Grundstückspreise noch weiter steigen...

Rhomberg: Man rauft sich gegenseitig Grund und Boden ab, während einige Grundstücke nicht auf den Markt kommen. Ein Drittel der gewidmeten Baulandfläche ist unbebaut. Es wird aber noch weitergewidmet, anstatt die bereits gewidmeten Flächen zu verwenden. Grund und Boden zu mobilisieren, ohne zu stark in Eigentumsrechte einzugreifen, ist aber ein heikles Thema.

Krone: Ist das Mobilisieren ohne Eingriffe überhaupt möglich?

Rhomberg: Nein, ohne Eingriffe in Eigentumsrechte wird es nicht gehen. Aber wo fangen diese Rechte an? Wenn heute eine Gemeinde etwas umwidmet und eine Firma etwas kaufen will, werden immer öfter nur Baurechte vergeben. Wenn die Firma nach 50 Jahren abwandert, kann die Gemeinde einem anderen Unternehmen das Grundstück geben. Derzeit ist es oftmals noch so, dass der Hauptwert eines Unternehmens das Grundstück ist. Wenn dort nichts mehr passiert, ist es der Produktivität entzogen.

Krone: Wie sollten Lösungen angesichts der Grundstücksknappheit aussehen?

Rhomberg: Grundsätzlich haben wir einen Nutzungskonflikt - alle wollen Grundstücke. Die Industrie, der Wohnbau, die Landwirtschaft. Die Tatsache, dass wir uns nur zu sieben Prozent selbst ernähren können, sollte uns in Zeiten, in denen es zu Blackouts kommen kann und Logistikketten nicht mehr funktionieren könnten, nachdenklich stimmen. Eine Frage ist, ob wir wertvolle Landwirtschaftsflächen nicht für nachhaltigen Nahrungsanbau nutzen wollen anstelle von Intensiv-Milchwirtschaft oder zur Produktion von Export-Futtermais.

Krone: Ob Grünland gewidmet werden darf, sollte also von der jeweiligen Nutzung abhängen?

Rhomberg: Es gibt eine hochindustrialisierte Landwirtschaft mit einer Entsorgungslogik, was die Gülleausbringung betrifft - das ist kein Grünland, das vor der Industrie geschützt werden muss. Der Boden dort ist genauso kaputt. Wenn Boden aber biodivers interpretiert und einer nachhaltigen Landwirtschaft zugeführt wird, die uns auch bei der Ernährung hilft, dann ist das schützenswertes Grünland. Aber dafür braucht es auch neue, angepasste Förderungen.

Krone: Wie sieht es mit dem Rohstoff-Mangel aus? Lässt sich das Problem lösen?

Rhomberg: Man könnte es zumindest entschärfen. Mehr Kreislaufwirtschaft im Sinne von weniger deponieren. Mehr Rohstoffe aus den Aushüben holen. Wir investieren gerade knapp dreizehn Millionen in eine Nassaufbereitungsanlage.

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Grund und Boden zu mobilisieren, ohne zu stark in Eigentumsrechte einzugreifen, ist ein heikles Thema.

Hubert Rhomberg

Krone: Wie ist denn der Stand der Dinge beim Ressourcen Center Rheintal (RCR)?

Rhomberg: Das RCR gibt es bereits. Es geht nun darum, dass wir es zu einem Zentrum der Kreislaufwirtschaft ausbauen. Die meisten Materialströme kommen aus der Baubranche. Im Moment wird Holz verarbeitet, gemischte Abfälle, Metall, Abbruch, Aushub. Über 50 Prozent unserer Baustoffe gewinnen wir heute aus recycelten Sekundärrohstoffen. Im Moment wird eine neue Anlage gefertigt, die in einem Jahr in Betrieb gehen soll. Dann ließen sich jedes Jahr bis zu 200.000 Tonnen Bodenaushub waschen, trennen und so wiederverwertbar machen. Ziel ist es, dass wir in Vorarlberg keine Deponien mehr brauchen. Wir gehen sogar davon aus, dass es rentabel wäre, Material aus alten Aushubdeponien durch die neue Anlage zu schicken.

Krone: Wie genau funktioniert denn diese Anlage?

Rhomberg: Zu je einem Drittel sollte zugeführtes und Recyclingmaterial verarbeitet werden, ebenso aber auch aus dem Steinbruch in Hohenems abgebautes Material.

Krone: Welche Rohstoffe bekommen Sie dann?

Rhomberg: Wenn Aushub verarbeitet wird, kommen Steine und Sand heraus. Am Schluss bleibt eine Art Filterkuchen übrig. Der ist früher auf der Deponie gelandet, heute nutzen wir einen Teil dieses Materials bei der Ziegelherstellung. Wir arbeiten auch daran, pulverisierte Holzkohle als Betonzusatz zu verwenden. Dadurch können 20 Prozent vom Zement eingespart werden.

Krone: Die Steinbruch-Anrainer sind weniger begeistert von Ihren Plänen. Wie sollte denn eine Lösung aussehen?

Rhomberg: Es fehlt ein klares Commitment zur Rohstoffsicherung - vom Land, von den Gemeinden. Alle reden von Nachhaltigkeit, während wir im Moment Steine aus Niederösterreich und der Steiermark herkarren. Und dies, obwohl wir Rohstoff im Land hätten, den aber nicht abbauen dürfen. Auch der Standort ist optimal: Es gibt einen Bahn- und Autobahnanschluss. Wir sind der Steinbruch in Österreich, der mit acht Kilometern die kürzeste Transport-Distanz zum Verbraucher hat. Das Problem ist, dass bei Nahversorgung jedem nur die Wurstsemmel einfällt, aber nicht das, was den meisten Verkehr produziert.

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