Kleiner U-Ausschuss

Klassentreffen der ÖBB-Buhmänner im Parlament

Österreich
23.03.2011 19:07
Ein Klassentreffen der geschassten und abgetretenen ÖBB-Spitzenmanager ist am Mittwoch im Parlament über die Bühne gegangen. Der von der Opposition einberufene "kleine U-Ausschuss" zu den ÖBB - konkret ein Unterausschuss des parlamentarischen Rechnungshof-Ausschusses - stellte Fragen zu den jüngsten Bahn-Skandalen, insbesondere zum verlustreichen Spekulationsgeschäft mit der Deutschen Bank.

Das Spekulationsgeschäft mit der Deutschen Bank hatte die Bundesbahnen rund 300 Millionen Euro gekostet. Der Ausschussvorsitzende Wolfgang Zanger (FPÖ) hofft, dass durch die Befragung die Verantwortlichen gefunden werden können, indem der Ausschuss das Prozedere der Entscheidungen klärt. Als Erster musste sich Ex-ÖBB-Chef Martin Huber den Abgeordneten stellen.

Der Ausschuss ist allerdings nicht öffentlich. Huber, der unter der Regierung von Kanzler Wolfgang Schüssel eingesetzt wurde, zeigte sich daher bei seinem Eintreffen im Hohen Haus am Ring nicht auskunftsfreudig gegenüber den versammelten Reportern.  

Huber: "Vieles wird aufgebauscht"
Nach seiner Einvernahme gab Huber jedoch ein Statement ab und meinte, er habe gegenüber dem Ausschuss jegliche Verantwortung für die verlustreichen Spekulationsgeschäfte der Bahn und auch für den ebenso skandalumwitterten Kauf der ungarischen Güterbahn MAV Cargo zurückgewiesen. Bei den Spekulationsgeschäften sei er als damaliger Vorstandschef der Holding nicht informiert worden, dies habe auch der Rechnungshof festgestellt, so Huber. Und auch beim MAV-Cargo-Kauf, wo österreichische und ungarische Behörden ermitteln, weil es einen Verdacht auf Bestechungszahlungen gibt, sei er als Holding-Vorstand nicht in die Vorgänge eingebunden gewesen.

Angesprochen auf die Vorwürfe gegen ihn meinte er, "wo Politik im Spiel ist, wird vieles medienmäßig aufgebauscht". Wer den Job als ÖBB-Chef mache, brauche eine "dicke Haut". Er selber fühle sich aber nicht ungerecht behandelt. Jetzt sei er "Gott sei Dank" in der Privatwirtschaft als selbstständiger Unternehmer tätig. Was genau er derzeit mache, wollte er vor Journalisten nicht verraten. Laut Firmenbuch ist Huber seit Mai 2008, also seit seinem Abgang von der Bahn-Spitze, Geschäftsführer und Eigentümer der "IMC Immobilien Management Consulting GmbH".

Moser: Bures handelt nicht
Die grüne Abgeordnete Gabriela Moser wirft Huber und seinem damaligen Finanzvorstand Erich Söllinger Verstöße gegen das Aktienrecht vor. Dies habe auch der Rechnungshof bereits festgestellt, sagte sie vor Beginn der Ausschusssitzung. Die Verstöße reichten von mangelnder Einhaltung der Sorgfaltspflicht bis zur Untreue, so Moser. Trotz dieser klar aufgezeigten Verfehlungen sehe Verkehrsministerin Doris Bures aber keinen Handlungsbedarf, um aus Organhaftung und Schadenersatzansprüchen gegen die früheren Bahn-Manager vorzugehen, kritisierte sie.

Bures habe bei ihrer Befragung im Ausschuss vor einer Woche auf Ermittlungen der Justiz verwiesen, das laut Moser bereits im Dezember 2008 eingeleitet wurde. Von einem Ermittlungsverfahren der Justiz gegen ihn wisse er nichts, meinte hingegen Huber. Er sei bisher jedenfalls nicht von der Justiz einvernommen worden.

Vernichtende Kritik durch Rechnungshof
Hintergrund von Mosers Vorwürfen: Der Rechnungshof hat in einem im Juni 2010 veröffentlichten Bericht scharfe Kritik an den verlustreichen Spekulationsgeschäften der ÖBB mit der Deutschen Bank geübt. Das Finanzgeschäft sei 2005 "von der Organisationseinheit Corporate Treasury der Österreichischen Bundesbahnen-Holding AG eigenmächtig und unter Verstoß gegen bestehende Regelungen abgeschlossen worden".

Ab Mitte 2006 seien rund zwei Jahre lang im Vorstand und Aufsichtsrat der ÖBB-Holding "keine zielgerichteten Entscheidungen bezüglich einer Sanierung bzw. eines Verkaufs der Hybrid-CDO2" (derivatives Finanzgeschäft, Anm.) getroffen worden. "Dadurch entging den ÖBB-Gesellschaften vor dem Hintergrund einer sich seit Anfang des Jahres 2007 kontinuierlich verschärfenden Finanzkrise die Chance, bereits Ende Februar 2008 mit rund 292 Millionen Euro geringeren Verlusten aus dem Vertrag auszusteigen, als dies im Dezember 2008 möglich gewesen wäre."

Millionen-Abfertigung sorgt für Kritik
Im April 2008 waren dann der damalige ÖBB-Chef Huber sowie sein Finanzvorstand Söllinger zurückgetreten. Beim Abschied habe Huber eine "großzügige Abfindung" erhalten, kritisieren die Prüfer: Ansprüche von 1,26 Millionen Euro seien ihm trotz des Verdachts auf Pflichtverletzung zugestanden worden. Auch das Präsidium des Aufsichtsrats der ÖBB-Holding kam unter Beschuss: Die Aufsichtsratsspitze habe versäumt, das allfällige Vorliegen von groben Pflichtverletzungen bei den ausgeschiedenen Vorstandsmitgliedern und damit eines Abberufungsgrundes zu untersuchen und damit ihre aktienrechtliche Verpflichtung, keine unangemessenen Abfindungen bei der Beendigung des Anstellungsvertrags zu leisten, verletzt.

Das 2005 eingegangene Spekulationsgeschäft wurde im Jänner 2010 gegen eine Einmalzahlung der ÖBB an die Deutsche Bank in Höhe von 295 Millionen Euro vorzeitig beendet. Bei einem Volumen von 612,9 Millionen Euro hatte im schlimmsten Fall ein Totalverlust gedroht, als maximale Prämie bis 2015 wären 36,9 Millionen zu lukrieren gewesen.

Die MAV-Cargo-Privatisierung war Ende 2007 erfolgt. Sie hat in Ungarn und Österreich für Aufsehen gesorgt, als bekanntwurde, dass eine bis dahin unbekannte ungarische Lobbying-Firma Geuronet KG eine Erfolgsprämie von 7,1 Millionen Euro für die Vermittlung des Deals kassiert haben soll. Wegen des Verdachts auf Bestechung wird in Ungarn und in Österreich von der Justiz ermittelt.

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