Bausch zu Ehren

“Pina”: 3D-Tanzfilm von Kult-Regisseur Wim Wenders

Kino
06.04.2011 14:24
"Pina" (Kinostart: 8. April) - so der Titel der mitreißenden filmischen Hommage an die 2009 verstorbene Choreographin Pina Bausch. Kult-Regisseur Wim Wenders nutzt die 3D-Technik als perfektes Mittel, um die völlige Hingabe an den getanzten Augenblick für den Kinobesucher mit allen Sinnen erfahrbar zu machen.

Tanztheater, wie es die berühmte deutsche Choreographin Pina Bausch, geboren 1940 in Solingen, zu ihren Lebzeiten inszenierte, das war orchestrierte Phantasie, wurden doch die Tänzer, die sie mit sanfter Unnachgiebigkeit zu führen wusste, Aufführung für Aufführung zu ihrem Orchester - vielstimmig der Bewegungsfluss, virtuos die Komposition. Sie, Pina, verstand es, sehnig-muskulösen Körpern eine Sprache zu entlocken, deren Ausdruckskraft beredt, ja getanzte Poesie war.

Kult-Kinomagier Wim Wenders ("Paris, Texas", "Himmel über Berlin", "Palermo Shooting" u. a.) ließ sich als Freund der Hohepriesterin der deutschen Tanzmoderne und als Regisseur von Pina Bauschs lodernd- philosophischer Passion begeistern, suchte lange nach einer filmischen Umsetzung ihrer choreographierten Emotionen, spürte er doch ganz genau die Seelensensoren, die zwischen der großen Mentorin des Tanztheaters Wuppertal und den von ihr "instrumentalisierten" Profi-Tänzern existierten – eine Art stillschweigendes gegenseitiges Erkennen, das von der Hingabe an den Augenblick und deren motorisch-elegante Umsetzung erzählt.

Nicht nur tänzerische Routine
Pina Bausch steht für die kreative Abkopplung von der bloßen tänzerischen Routine: Körper unter Spannung, sanft wogend wie Ähren im Wind, oder berstend vor Temperament, bildgewaltige Gruppentableaus durchzogen von Wasserfontänen oder ein sinnlicher Pas-de-Deux, der das Korsett, die Fesseln des klassischen Balletts sprengt und stattdessen ungestümen Freiheitsdrang spiegelt.

Als das fast über zwei Jahrzehnte von Wim Wenders geplante Projekt endlich Gestalt annahm, starb Pina Bausch im Sommer 2009 überraschend  während der Vorbereitungen. Mit einem Schlag verschob  sich die Erzählperspektive. „Pina“ war zur posthumen Hommage geworden – und ihre Choreographien zum lebendigen Vermächtnis. So bilden Ausschnitte aus „Sacre du Printemps“, umtost von Igor Strawinskys rhythmischer Musik, „Kontakthof“ –  mystischer Brückenschlag zum Alter,  "Café Müller", das Driften in Trance durch eine hermetische Traumwelt, und "Vollmond", eine Art Tanz der Geschlechter auf dem Vulkan, das Kernstück von Wenders´ Doku-Studie, die aber auch grandiose intime Soli, eingegliedert in die modern-statische Stadtarchitektur, zeigt. Da werden etwa ein Schwimmbad oder verwaiste Industrieanlagen zur ungewöhnlichen Kulisse.

Und immer hat der Zuschauer das Gefühl, den Prozess der umgesetzten Choreographie mitten unter den Tänzern zu erleben, ja er hört sogar ihren Atem, ihr Keuchen und Ächzen, was zu einem ungemein authentischen Erlebnis führt. Archiv-Material von Pina Bausch bei der Arbeit ergänzt den phantasievollen Schaffensreigen.

Lebenslust, Trauer, Sehnsucht
Wie schon in seiner erfolgreichen Musik-Doku "Buena Vista Social Club" geht es Wenders vor allem um die bildhafte Umsetzung von Atmosphäre und elementaren Gefühlen wie Lebenslust, Trauer oder Sehnsucht. Wim Wenders, der bei der diesjährigen Berlinale den geeigneten Rahmen für die Weltpremiere seines Films "Pina" fand: "Erst jetzt, mit der modernen digitalen 3-D-Technologie, ist die Plastizität jeglicher Bewegung und die Dimension des Raums im Kino angekommen." Wenders eröffnet damit einen völlig neuen Blick auf das Tanztheater. Die Grenzüberschreitung zwischen Bühne und Zuschauer wird Teil der Inszenierung. Wenders: "Die Tänzer stiegen praktisch von der Bühne herunter, nehmen den Tanzinteressierten in ihre Mitte." Ein wendiger Kamerakran sowie zwischen den Tänzern installierte "digitale Objektiv-Augen" fingen jeden Hauch einer Bewegung ein.

Wim Wenders ließ sich zudem rein filmtechnisch von James Camerons "Avatar"-Fantasy-Spektakel inspirieren – auch um visuelle Mobilitätsmankos zu durchschauen. Schnell war klar, dass sich computeranimierte Avatare problemlos dreidimensional manövrieren ließen, reale Menschen aber bei rasanten Live-Studien verhuschte Bewegungsmuster lieferten. Der Regisseur: "Bei den ersten Aufzeichnungen erinnerten die Tänzer an mehrarmige Kandelaber, da sich der optische Eindruck der Arme durch den Schwung und den Kamera-Schwenk vielfach potenzierte." Wim Wenders wusste mit künstlicher und augenfreundlicher (!) Bewegungsunschärfe gegenzusteuern und konnte so die digitale 3D-Technik überlisten.

Als Requiem will Wim Wenders seinen Tanzfilm "Pina" keinesfalls verstanden wissen. Wenders: "Pina Bauschs Credo 'Der bewegte Körper reflektiert die Seele!' lebt in ihren Choreographien weiter. Tanz bedeutet ständige Metamorphose - wie Film übrigens auch. Und beide Kunstrichtungen erspüren das Alphabet der Gefühle."

von Christina Krisch, Kronen Zeitung

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