Israilov-Prozess

Angeklagter sorgt mit erweiterter Aussage für Wirbel

Wien
15.03.2011 14:37
Mit einer erweiterten Stellungnahme des Zweitangeklagten Suleyman D. ist am Dienstag der Prozess um die Ermordung des tschetschenischen Flüchtlings Umar Israilov in Wien am 13. Jänner 2009 fortgesetzt worden. Er wolle kurz erklären, was tatsächlich passiert sei, "bis dato hat sich keiner dafür interessiert", beschied der Beschuldigte dem Schwursenat (Vorsitz Friedrich Forsthuber) im Wiener Landesgericht.

Israilov habe sich eine gewisse Summe angeeignet, die der Einheit eines tschetschenischen Feldkommandanten zuzurechnen gewesen sei, erklärte Suleyman D., der sich vor Gericht schon bisher als Gegner des tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow präsentiert hatte. Diese Einheit habe gegen die Russen und damit auch gegen Kadyrow gekämpft. "Es ging darum, dieses Geld zurückzubekommen."

Ein Abgesandter sei im August 2008 nach Österreich gekommen und habe sich mit Israilov getroffen, so der Zweitangeklagte: Das spätere Mordopfer habe dem Emissär allerdings beschieden, er solle zum Teufel gehen. Daraufhin habe sich dieser an ihn, Suleyman D., gewendet, damit er mit Israilov spreche. "Ich habe weder Aufträge noch Befehle von irgendjemandem in der Sache bekommen", sagte Suleyman D. auf die Frage, ob der Abgesandte ihm Order gegeben habe, mit Israilov zu reden oder ihn zu beschatten.

Massiver Widerspruch gegenüber Anklage-Darstellung
"Ich habe mich zwei- oder dreimal in der Gegend (des Wohnorts Israilovs in der Leopoldauer Straße/Ostmarkgasse in Floridsdorf, Anm.) aufgehalten, um festzustellen, wo er wohnt", sagte der Angeklagte. Er habe sich insgesamt sieben- bis achtmal mit dem späteren Mordopfer getroffen, das erste Mal im Dezember 2008.

Diese Darstellung widerspricht massiv der Anklage von Staatsanwalt Leopold Bien, der Kadyrow als Drahtzieher des Mordes sieht und für den dessen enger Vertrauter, der Erstangeklagte Otto K., den Anschlag eingefädelt haben soll. Der Anklage zufolge war Suleyman D. massiv in die Planung eingebunden. Der Drittangeklagte Turpal-Ali Y. soll mit Letscha B., dem mutmaßlichen Todesschützen, das Opfer angegriffen haben. Letscha B. befindet sich wieder in Tschetschenien, soll von Kadyrow mit einem hochrangigen Polizeiposten belohnt und vor einigen Wochen verletzt worden sein, als er ein weiteres Attentat ausführen sollte.

Wollte Israilov nur "beschämen"
"Ich bin davon ausgegangen, dass Druck auf Israilov ausgeübt wird, dass er das Geld zurückgibt", sagte Suleyman D. in seiner ausführlichen Einvernahme. Er habe allerdings niemals damit gerechnet, dass es zu Gewalttätigkeiten kommen könnte: "Ich wär' nie auf die Idee gekommen, dass man so weit gehen wird, ihn zu verletzen. Ich hab' geglaubt, man versucht ihn zu beschimpfen, zu beschämen, vielleicht zu schlagen."

Er sei am 13. Jänner 2009 mit Letscha B. zu Israilov gefahren, habe allerdings das Meiste im Auto verschlafen, weil er in der vorangegangen Nacht lediglich zwei Stunden geschlafen hätte. Letscha B. und Israilov wären "lange Bekannte" gewesen, so der Zweitangeklagte. Letscha B. habe "unbedingt mit Israilov reden wollen. Ich nehme an, sie hatten alte Rechnungen zu begleichen".

"Er hat versichert, dass er am Leben ist"
Während er im Pkw weiterschlummerte, hätte sich Letscha an Israilovs Fersen geheftet. Plötzlich habe er Schüsse vernommen. Letscha sei zum Auto zurückgeeilt und habe ihn zunächst wissen lassen, er habe Israilov zusammengeschlagen, sagte Suleyman D.: "Erst später hat er mir gesagt, er habe ihm ins Bein geschossen. Er hat versichert, dass er am Leben ist."

Letscha B., der sich unmittelbar nach dem Verbrechen in Ausland absetzen konnte, hat laut Staatsanwaltschaft aus unmittelbarer Nähe die tödlichen Schüsse auf Israilov abgegeben. Suleyman D. versicherte, er und die beiden Mitangeklagten hätten nie die Entführung oder gar Ermordung des tschetschenischen Asylwerbers geplant gehabt: "Hier sitzen Unschuldige in Haft!" Der Prozess wird am 25. März fortgesetzt.

Noch keine Reaktion auf Rechtshilfeersuchen aus Moskau
Zu Beginn des Verhandlungstages äußerte sich Forsthuber zum weiteren Prozessfahrplan: Angesetzt waren Einvernahmen von Zeugen, die einerseits Otto K. entlasten und andererseits sich zu Treffen mit Israilov im Sommer 2008 äußern sollten. Dies wird auch in der Verhandlung am 25. März fortgesetzt. Zu einem Rechtshilfeersuchen an Moskau lag laut Forsthuber noch keine Rückmeldung vor. Er habe den russischen Behörden eine Frist bis 20. März für zumindest einen Zwischenbericht gesetzt, erklärte der Vorsitzende.

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