18 Jahre nach der Tat

Prozess um Mord an Silke Schnabel startet am Montag

Salzburg
01.02.2011 12:39
Mehr als 18 Jahre nach dem Mord an der 17-jährigen Salzburgerin Silke Schnabel landet der spektakuläre Fall in der kommenden Woche vor einem Salzburger Geschworenengericht. Der Tat beschuldigt wird ein mittlerweile 52-jähriger Arbeiter, der schon unmittelbar nach der Bluttat im Visier der Ermittlungen stand. Die nunmehrige Anklage stützt sich im Wesentlichen auf eine neue Zeugenaussage und zwei Gerichtsgutachten. Der Arbeiter beteuerte bisher seine Unschuld. "Es gibt keine Beweise, nicht einmal eine DNA", sagte sein Verteidiger Karl Wampl.

Der Lagerarbeiter soll das Mädchen am 11. Juli 1992 an der Salzach-Böschung in der Nähe des Salzburger Hauptbahnhofes brutal vergewaltigt und erwürgt haben. Die Polizei fand ihn um 6.20 Uhr am Ufer halbnackt im Gras liegen, seine Jeans waren durchnässt. In der Nacht zuvor hatte er Silke Schnabel im Lokal "Max und Moritz" getroffen, was der Beschuldigte anfangs bestritt, später aber zugab. Laut Anklageschrift von Staatsanwalt Andreas Allex verließen die beiden das Lokal um 5 Uhr und spazierten zum Josef-Mayburger-Kai.

Vergewaltigt und erwürgt
"Am Salzachufer setzte er massive Faustschläge gegen den Kopf und das Gesicht des Mädchens, und stieß ihren Kopf gegen einen harten Untergrund", heißt es weiter. Es habe ein Schädel-Hirn-Trauma erlitten, sei vergewaltigt und schließlich erwürgt worden. Danach habe der Mörder die Leiche in die Salzach geworfen. Sie wurde schließlich am 21. Juli bei Ranshofen (OÖ) aus dem Inn gezogen.

Im Februar 2008 hatte Opferanwalt Stefan Rieder dann auf Wunsch von Schnabels Mutter die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragt. Die Justiz begann erneut mit Ermittlungen. Doch wichtige Beweismittel, die nach dem Mord vom rechtsmedizinischen Institut in München untersucht worden waren, waren spurlos verschwunden. Es handelte sich um eine Bluse des Mädchens und um einen Gürtel des Beschuldigten. Die Polizei hatte diese Ende Juli 1993 im Zimmer des Mannes gefunden. Am Gürtel haftete Blut der Blutgruppe A, die auch das Opfer aufwies. An der Bluse fehlten zahlreiche Knöpfe. Der Blutfleck reichte mengenmäßig allerdings nicht aus für eine DNA-Analyse, die 1992 noch in den Kinderschuhen steckte. Verschwunden blieben auch ein Analabstrich des Mädchens, Fingernagelproben und drei Holzproben von einer Bank in Tatortnähe.

Gutachter halten Täterschaft des Verdächtigen für möglich
Auf der Suche nach neuen Beweisen ließ der Staatsanwalt den Verdächtigen im Vorjahr begutachten: Neuropsychiater Ernst Griebnitz stellte fest, dass der Arbeiter auf Kränkungen gewalttätig reagiere und eine niedrige Frustrationstoleranz aufweise. Der zweite Gutachter, Kriminalpsychologe Thomas Müller, hielt die Täterschaft des 52-Jährigen unter der Voraussetzung als sehr wahrscheinlich, dass er zuvor gedemütigt worden war. Auch aufgrund von einschlägigen Vorstrafen sei seine Täterschaft naheliegend, konstatierte Müller.

Die Staatsanwaltschaft verweist in diesem Zusammenhang auf die Aussagen einer Prostituierten, gegen die der Angeklagte offenbar gewaltsam vorging, nachdem sie ihm eine Erektionsstörung vorgeworfen hatte. Einer weiteren Zeugenaussage zufolge schrie der Beschuldigte im "Max und Moritz" nach seiner Enthaftung im November 1993 auf den Zuruf "verschwinde du Mörder": "Halt's die Goschn, sonst geht's euch wie der Silke". Dass der Arbeiter auf eine aggressive Anrede aggressiv reagiere, "ist wohl leicht nachvollziehbar", konterte der Verteidiger.

Verteidiger weist Vorwürfe der Anklage zurück
Für Verteidiger Karl Wampl sind die Vorwürfe nur Vermutungen, keine stichhaltigen Beweise. "Die Staatsanwaltschaft operiert mit Halbwahrheiten." Die Bluse könnte das Mädchen bei dem Arbeiter drei, vier drei Wochen vor der Tatnacht liegen gelassen haben. "Die beiden lernten sich damals in der 'Steirischen Weinstube' kennen und gingen zu ihm nach Hause, wo sie noch etwas getrunken haben. Laut einer Zeugin trug sie diese Bluse nicht in der Tatnacht."

Die Blutgruppenübereinstimmung von dem Fleck am Gürtel sei nicht gegeben, da Silke Schnabels Blut eine andere Spezifikation aufweise. Das Müller-Gutachten bezeichnete Wampl als "spekulativ". Die Aussage einer Frau, sie habe an der Potenz des Arbeiters gezweifelt und der hätte sie deshalb geschlagen, "kann man doch nicht auf den Fall Schnabel ummünzen". Nach dem Maßnahmenvollzug von 1980 bis 1985 wegen Sexualdelikten habe sein Mandant "keinerlei schwerwiegende Delikte" mehr begangen.

"Welcher Mörder legt sich denn am Tatort nieder?
In der Nacht auf 11. Juli 1992 sei der Beschuldigte aus dem "Max und Moritz" rausgeschmissen worden. Vor dem Lokal habe er auf das Mädchen gewartet. "Laut einer Zeugin hatte sie vorher auf der Toilette mit einem Jugoslawen Geschlechtsverkehr. Davon können auch die Spermaspuren stammen, die von der Gerichtsmedizin gefunden wurden", sagte Wampl. Der Arbeiter habe ihm geschildert, dass er mit Schnabel händchenhaltend zum Elmo-Kino spaziert sei. "Sie setzten sich auf eine Bank, dann ging sie weg. Er legte sich betrunken an die Salzach schlafen. Welcher Mörder legt sich denn am Tatort nieder und wartet bis die Polizei kommt? Ein jeder hat einen inneren Fluchtreflex. Der Hauptgrund der Verfahrenseinstellung 1993 war auch, dass es keinen einzigen Sachbeweis gab."

Der Prozess am Landesgericht Salzburg ist von kommendem Montag bis Freitag anberaumt, Richter Günther Nocker übernimmt den Vorsitz. Geladen sind 22 Zeugen, ein gerichtsmedizinischer Sachverständiger und die beiden Gutachter Müller und Griebnitz.

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