Wehrpflicht-Debatte

Länder wollen Zivildiener, Bund soll zahlen

Österreich
09.01.2011 10:33
Unter den Landeshauptleuten gibt es keine einheitliche Linie in der Wehrpflicht-Frage. Während die roten Landeschefs der Debatte über die Abschaffung eher offen gegenüberstehen, sind die schwarzen Landesfürsten zurückhaltend. Nichtsdestotrotz erheben sie bereits erste Forderungen im Falle der Abschaffung: Der Bund soll die Kosten für den Entfall des Zivildienstes tragen und die Landesmilitärkommanden sollen erhalten bleiben.

Für Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ) ist eine Abschaffung der Wehrpflicht denkbar, wenn mit der neuen Sicherheitsdoktrin das Bundesheer seine Aufgaben im In- und Ausland bestmöglich erfüllen kann. "Auf jeden Fall erhalten bleiben" sollten bei einer Heeresreform die Militärkommanden als erste Ansprechpartner im Land im Bereich Schutz, Hilfe und Verteidigung, so Niessl. Im Burgenland wurden im Zuge bisheriger Heeresreformen bereits die Kasernen in Neusiedl am See und Oggau geschlossen, jene in Oberwart und Pinkafeld sollen in den nächsten Jahren folgen. Die verbleibenden drei Standorte - Eisenstadt, Güssing und Bruckneudorf - würden zur Ausbildung von Berufssoldaten sowie von Spezialeinheiten und zur Vorbereitung von Auslandseinsätzen benötigt.

Die Entwicklung hin zu einem Freiwilligen-Heer hält Salzburgs Landeshauptfrau Gabi Burgstaller für "eine der vorstellbaren und möglichen Richtungsentscheidungen. Untrennbar mit dieser Entscheidung verbunden ist die Frage der künftigen Entwicklung des Zivildiensts. Und hier gilt: Man darf das Kind nicht mit dem Bade ausschütten", meinte Burgstaller. "Der Zivildienst ist über die Jahrzehnte zu einer der Säulen unseres Sozialsystems geworden, er darf nicht fahrlässig aufs Spiel gesetzt werden." Daher sei die Frage zu klären, wie die Rahmenbedingungen gestaltet werden könnten, damit jene Einrichtungen, für die Zivildiener existenziell seien, also die freiwilligen Einsatzorganisationen, aber auch Krankenhäuser, Seniorenheime usw., auch weiterhin effizient und sinnvoll arbeiten können, meinte die Landeshauptfrau.

"Völlige Veränderung des Zivildienstes notwendig"
"Es wird die völlige Veränderung des freiwilligen sozialen Jahrs und eine entsprechende Bezahlung mindestens im Ausmaß des Zivildiensts notwendig sein." Wenn der Bund indirekt über das Ende der Wehrpflicht den Zivildienst abschaffe, müsse er auch bereit sein, die Folgekosten zu tragen. In der Debatte über ein Abgehen von der Wehrpflicht fordert die Landeshauptfrau, dass "möglichst bald" alle Fakten auf dem Tisch liegen sollen. Für Salzburg hat Burgstaller übrigens bereits den Auftrag gegeben, die zusätzlich anfallenden Kosten zu berechnen.

Franz Voves  aus der Steiermark war für eine aktuelle Stellungnahme nicht erreichbar. Er hat sich bisher nicht klar festgelegt und lediglich kritisiert, dass so wichtige Fragen im Zuge einer Landtagswahl diskutiert werden. Die Debatte war ja kurz vor der Wien-Wahl von Wiens Bürgermeister Michael Häupl losgetreten worden, indem er sich für eine Volksbefragung zum Thema Wehrpflicht ausgesprochen hatte.

"Ich gehe davon aus, dass die Wehrpflicht in Österreich nicht zu halten ist", prognostizierte Häupl kurz darauf in einer Pressekonferenz. Der Landeshauptmann habe sich niemals dezidiert für die Abschaffung der Wehrpflicht ausgesprochen, betonte man nun im Häupl-Büro. Ziel sei es vielmehr gewesen, eine breite Diskussion mit dem Ziel einer vernünftigen Lösung loszutreten - und dies sei auch gelungen.

Sorge um Zivildienst
Mehrheitlich äußerten die Landeshauptleute Bedenken über die Folgen einer Wehrdienst-Abschaffung auf den Zivildienst und den Katastrophenschutz. Der derzeitige Vorsitzende der Landeshauptleutekonferenz, Oberösterreichs Landeshauptmann Josef Pühringer (ÖVP), warnte vor den Problemen eines Systemwechsels. Grundsätzlich seien sowohl ein Berufsheer als auch ein Freiwilligenheer möglich, sagte Pühringer. Er sehe aber Probleme "vor allem bei der Finanzierung eines ordentlichen Berufsheeres, das meines Erachtens teurer ist als das derzeitige Heer".

Außerdem müssten die Ersatzkosten für den Zivildienst bedacht werden. Dieser sei heute in vielen Bereichen wie Behindertenhilfe, Altenpflege etc. zu einem Systemerhalter geworden. Pühringer forderte eine faire Diskussion ein, "staatstragend und nicht parteipolitisch".

"Heer unverzichtbar in Krisenzeiten"
Zurückhaltend zeigte sich auch der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter. Er mahnte die Einsatzfähigkeit in Katastrophenfällen ein. "Das österreichische Bundesheer ist unverzichtbar in Krisenzeiten", erklärte er. Man habe dies wieder deutlich bei den vielen Hochwassereinsätzen und Muren im letzten Sommer gesehen. Platter verwies auch auf die die Lawinenabgänge im Paznaun 1999 oder den Hochwassersommer von 2005. "Gemeinsam mit den vielen freiwilligen Einrichtungen ist das Bundesheer ein nicht wegzudenkender Rückhalt in Katastrophenzeiten. Aus der Sicht des Landes Tirol muss das auch in Zukunft gewährleistet sein", betonte er.

Vorarlbergs Landeshauptmann Herbert Sausgruber zeigte sich vorerst abwartend. "Die Entscheidung darüber ist dann zu treffen, wenn zwei Vorfragen gelöst sind, nämlich die der Katastrophenhilfe und die des Zivildienstes", erklärte er. Man habe schließlich eine Verantwortung gegenüber den Organisationen, die auf diese Unterstützung angewiesen seien. Zunächst müsse man abwarten, wie das Gesamtpaket und der "finanzielle Rahmen" aussehen. "Dann ist die Diskussion darüber offen zu führen."

Dörfler hält Diskussion für überflüssig
"Ich halte die Diskussion für völlig überflüssig", bekräftigte der Kärntner Landeshauptmann Gerhard Dörfler seine Ablehnung gegenüber einem Berufsheer. Der Pflichtwehrdienst samt Zivildienst sei unverzichtbar. "Sechs Monate für die Republik da zu sein, ist eine wichtige Aufgabe für junge Menschen", so der Landeshauptmann. Dem Bundesheer falle unter anderem eine bedeutende "sozialbildungspolitische Aufgabe" zu, es gehe etwa um das Kennenlernen und Erleben von Teamgeist oder Kameradschaft, meinte Dörfler. Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll wollte sich zur Debatte um die Wehrpflicht vorerst nicht äußern. Man wolle sich das ganze "erst einmal anschauen", hieß es.

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