Unnötige Sparwut

Der Justizapparat als siechender Patient

Politik
28.02.2021 10:00

Das System macht es Richtern nicht leicht: Unnötige Sparwut führt zu Verzögerungen und immer weniger Personal in der Verwaltung. Notwendige Renovierung wird verschoben.

Einmal mehr wird derzeit an der Justiz herumgedoktert. Der laute Ruf nach der Schaffung eines Generalbundesanwalts ist nicht neu, er verhallte nur schon in grauer Vorzeit ungehört. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft soll „umgebaut“ werden. Tatsächlich gibt es „Baustellen“, die mangels Budget noch nicht einmal ausgeschrieben sind.

Die Justiz wird seit Jahrzehnten ausgehungert. Wie ein dahinsiechender Patient, dem nur so viel über den (Geld-)Tropf verabreicht wird, damit es gerade so zum Überleben reicht.

Dazu einige Beispiele:

  • Die Renovierung des 1876 erbauten Wiener Landesgerichtes gilt seit Langem als vertagt: Der von allen geforderte elektronische Akt würde in der Praxis im größten Strafgericht Österreich an den veralteten Datenleitungen scheitern.
  • Dolmetscher werden so schlecht bezahlt, dass sich immer weniger für den Job finden. Der Altersschnitt liegt bei über 60 Jahren. Dabei ist ein Strafprozess ohne Übersetzer die Ausnahme.
  • Bei den so wichtigen psychiatrischen Gutachtern ist die Lage ähnlich. Wer 200 Euro für die Stunde in der Ordination kassieren kann, macht sich nicht die Mühe, um vielleicht dreimal so viel aufwendige Expertisen mit maximaler Verantwortung zu erstellen.
  • Richter müssen (Interview unten) immer mehr Zeit für die Verwaltung aufwenden, weil hier viel Personal eingespart wurde. Selbst die Schriftführerinnen, denen eine Ordnungsfunktion bei Prozessen zukam, gibt es kaum mehr – aus Kostengründen. Dabei verdienen die Frauen in ihrem schwierigen Job nur 1200 Euro.
  • Richter haben kein Hilfspersonal, müssen nicht nur rechtliche Fragen und den Prozessablauf im Auge behalten, sondern sind im Gerichtssaal für alles verantwortlich: selbst für die Klimaanlage, die knarrenden Sessel und die Einvernahme per Videokonferenz. Sollte etwas nicht funktionieren, werden sie kritisiert, obwohl sie für die oft veraltete Technik nichts können.

Die Strafjustiz hat noch immer nicht verkraftet, dass der alte U-Richter 2008 abgeschafft wurde. Er bereitete für den Staatsanwalt den Akt auf, vernahm Zeugen und beschaffte Beweismittel. Das ist jetzt Aufgabe des Staatsanwaltes, doch Verhandlungsrichter beklagen, dass sie hier oft nacharbeiten müssen. Was wieder zu Verzögerungen führt. Fast verwunderlich, dass Österreich im EU-Schnitt bei der Verfahrensdauer gar nicht so schlecht liegt.

Interview: „Schnellere Verfahren nur mit mehr Personal“
„Das Tempo bei den Verfahren hängt in entscheidendem Maß von den Personalkapazitäten ab“, sagt die Präsidentin der Richtervereinigung, Sabine Matejka: „Daher können Verfahren vor allem durch größere Personalressourcen beschleunigt werden. Es rächt sich nun, dass in den vergangenen 15 Jahren an allen Ecken und Enden eingespart worden ist.“ Der Richter sei in unserem System ein Alleinkämpfer, setzt die Standesvertreterin fort: „Er hat viele administrative Tätigkeiten zu erledigen. Wenn er da eine Entlastung bekäme, wäre das hilfreich.“

Mag. Matejka: „Dazu kommen Probleme bei der Bestellung von Gutachtern und Dolmetschern. Wegen der teils schlechten Bezahlung sind sie schwer zu bekommen. Wir sind aber auf ihre Dienste angewiesen.“

„Dabei wird der Aufwand bei den Verfahren immer größer“, sagt sie: „Das ist eine Entwicklung der vergangenen Jahre. So wie die Welt auch immer komplizierter geworden ist. Wir spiegeln nur das wider, was sich draußen abspielt.“

Mag. Matejka bestätigt neuerlich: „Dabei zeigen die Budgetzahlen deutlich, dass sich die Rechtssprechung selbst erhält. Werden Kosten mit den Gebühren gegengerechnet, bleibt ein deutliches Plus. Was wirklich kostet, ist der Strafvollzug. Aber den muss sich ein Staat halt leisten.“

Peter Grotter
Peter Grotter
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