Jobs von Morgen

„Heute putzen sich die Firmen heraus!“

Vorarlberg
10.02.2021 06:30

HR-Expertin Cornelia Ellensohn über Jobtrends, neue Führungsstile, Soft Skills versus fachliche Qualifikation - und warum sich Unternehmen von ihrer besten Seite zeigen müssen, um Mitarbeiter zu bekommen.

Die Wirtschaft befindet sich in einer historischen Krise: Arbeitslosenzahlen in Rekordhöhe, Milliardenverluste, wachsende Schuldenberge und eine für den Herbst zu erwartende Insolvenzwelle. Dennoch sind immer mehr davon überzeugt, dass Corona einen längst überfälligen Wandel beschleunigt hat - auch im Human Ressource-Bereich. Wo sind denn die Jobs der Zukunft?

Alles, was mit Digitalisierung zu tun hat, befindet sich im Aufschwung. Das war schon vor Corona so und hat sich nun in der Krise verstärkt. Wenn Menschen vermehrt im Homeoffice arbeiten, braucht es Leute im Hintergrund, die die dafür nötige IT, EDV und Cloud Architektur bereitstellen. Zudem werden große Digitalisierungspakete vermehrt ausgelagert. Genauso hat der gesamte Online-Bereich mehr denn je Zukunftspotenzial: von Web-to-Print über E-Commerce bis zum Online-Shop. Wobei es in diesem Bereich etliche Jobs gibt, die vom Endkunden gar nicht wahrgenommen werden. So entwickelt etwa „inet-logistics“ Software für Transportmanagementsysteme. „Zumtobel“ und „Tridonic“ haben sich durch die Fokussierung auf Internet of Things vom klassischen Leuchtenhersteller zum globalen IT-Player entwickelt.

„Heron“-Geschäftsführer Christian Beer ist überzeugt davon, dass es neben der Digitalisierung zusätzlich die Dienstleistungen am Menschen braucht und dass sich diese beiden Bereiche auch die Waage halten müssen.

Da bin ich seiner Meinung. Zum einen, weil im Homeoffice das Team fehlt und die Gefahr besteht, dass die Menschen sozial vereinsamen. Und obwohl viele dem Homeoffice anfangs kritisch gegenübergestanden sind, wird es in einigen Unternehmen auch nach dieser Krise zum Alltag gehören. Folglich braucht es soziale Unterstützung. Nicht zu vergessen eine ganz andere Form der Mitarbeiterführung. Zum anderen werden wir mehr Personal für Pflege und Medizin benötigen. Das ist budgetär eine Herausforderung, doch wie sich derzeit zeigt, darf in diesen Bereichen nicht gespart werden. Allerdings braucht es wohl einen Kompromiss bei den Ausbildungsanforderungen. Es ist verständlich, dass sich das Land als Arbeitgeber mit speziellen Zusatzausbildungen und Qualifikationen absichern möchte. Steigt die Nachfrage nach Pflegepersonen aber weiter an, ist fraglich, ob der Arbeitsmarkt genügend qualifizierte Personen hervorbringt. Selbst bei hoher Arbeitslosenrate.

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Viele, vor allem Ältere haben weder das Geld noch sind sie bereit, eine mehrjährige Ausbildung zu absolvieren.

Cornelia Ellensohn

Zumal man die nötigen Qualifikationen wohl auch nicht innerhalb weniger Monate erwerben kann.

Genau. Viele, vor allem Ältere haben weder das Geld noch sind sie bereit, eine mehrjährige Ausbildung zu absolvieren. Allerdings bringen diese Menschen Lebenserfahrung und Empathie mit. Dieses - wenn man so möchte - soziale Wissen sollte nicht außer Acht gelassen werden.

Sie haben vorhin den neuen Führungsstil angesprochen: Was kann man sich darunter vorstellen und inwiefern beeinflusst er die Jobs der Zukunft?

Mitarbeiterführung wird künftig verstärkt über Ziele stattfinden. Es gilt, Milestones festzulegen, statt die Arbeit der Mitarbeiter daran zu messen, wie viele Stunden sie arbeiten beziehungsweise im Büro sind. Die Jungen sind da schon viel weiter: Remote Work, also Fernarbeit, und agile Methoden wie zum Beispiel „Scrum“ einzusetzen, ist für die Generation Y ganz normal. Sie fordern das sogar ein, wollen gar nicht 100 Prozent arbeiten und Überstunden machen. Das ist eine Herausforderung, der man sich im HR stellen muss.

Stellen sich heimische Unternehmen dieser Herausforderung?

Vorarlberg lebt unter anderem von den KMU. Dort gibt es schon noch einige, die alles unter Kontrolle haben möchten. Doch auch hier ist durch Corona Bewegung hineingekommen, schließlich musste auf Homeoffice umgestellt werden. Außerdem drängt die nächste Generation in die Führungsebene, sodass es in den kommenden Jahren eine Vermischung zwischen altem und neuem Führungsstil geben wird.

Sogenannte Trendberufe tragen dazu bei, Arbeitsplätze zu schaffen. Bleibt die Frage: Wie entstehen diese Trends? Können Unternehmen Jobs mit Zukunftspotenzial schaffen?

Ja. Speziell im Bereich der Digitalisierung sind sehr viele Jobs dadurch entstanden, dass zuerst innovative Produkte entwickelt wurden, für die Jobs geschaffen werden mussten. Das funktioniert auch in anderen Bereichen. Ich habe immer wieder Bewerber, die aufgrund ihres Lebenslaufs zu einem Unternehmen passen. Ich vernetze sie selbst dann, wenn der Betrieb gar keine offene Stelle hat. Daraus sind schon einige neue Jobs entstanden.

Sind fachliche Qualifikationen für Bewerber ausschlaggebend oder doch eher die Soft Skills?

Das ist zwar in jedem Fall anders, doch in meinen Augen sind Soft Skills entscheidender. Selbstverständlich wird aus einem Marketing-Manager eher kein Softwareentwickler. Aber wenn der Background an sich passt, kann man sich in fachlicher Hinsicht weiterentwickeln und einarbeiten. Bei der Sozialkompetenz ist das schon schwieriger: Empathie, Respekt und Loyalität gegenüber den Kollegen und dem Unternehmen hat mit der eigenen Wertehaltung zu tun. Das hat man oder man hat es nicht.

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Überspitzt gesagt, haben sich früher die Bewerber für das Vorstellungsgespräch in Schale geworfen. Heute putzen sich die Firmen heraus, machen Visionen und Werte sichtbar und präsentieren sich als attraktiver Arbeitgeber.

Cornelia Ellensohn

Stichwort Employer Branding: Einmal mehr sind „Zumtobel“, „Heron“, „Omicron“ und andere heimische Global Player Vorreiter. Warum aber ist das für kleinere, regional verankerte Betriebe genauso wichtig?

Employer Branding wird immer wichtiger. Überspitzt gesagt, haben sich früher die Bewerber für das Vorstellungsgespräch in Schale geworfen. Heute putzen sich die Firmen heraus, machen Visionen und Werte sichtbar und präsentieren sich als attraktiver Arbeitgeber. Warum? Weil die Jungen Wert auf Work-Life-Balance, Papa-Monat und Freizeit legen. Sie wollen auch wissen, ob das Unternehmen eine CSR-Strategie verfolgt (Corporate Social Responsibility bzw. Unternehmerische Gesellschaftsverantwortung, Anm.). Arbeit muss für die Mitarbeiter Sinn machen. Darauf müssen sich die Unternehmen einstellen, ansonsten werden sie offene Stellen nur mehr schwer besetzen können - schon gar keine Trendjobs.

Fakten

Cornelia Ellensohn unterstützt KMU sowie größere, globale Betriebe bei unterschiedlichsten Personal- und Organisationsprozessen: vom Recruiting über Mitarbeitergespräche bis zum Coaching.
www.cornelia-ellensohn.at

Das Interview führte Christiane Mähr

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