Grubinger

Wenn die Kinder heute träumen

Salzburg
30.01.2021 23:00

Martin Gubinger ist wieder Schlagfertig. 

In der vergangenen Woche durfte ich mich als Lehrer an der Universität Mozarteum Salzburg von Berufs wegen mit Träumen beschäftigen. Junge Schlagzeugerinnen und Schlagzeuger studieren bei uns, um ihren Traum, die Bühnen der Welt zu erobern, Wirklichkeit werden zu lassen.

Dafür werden an den Ausbildungsstätten die bestmöglichen Rahmenbedingungen zur Verfügung gestellt. Die Studierenden erleben dabei alles: Hoffnung, Erschöpfung, Frustration und Glücksgefühle. An der Spitze ist es ein sehr harter Wettbewerb. Nicht selten stellen sich nach Wochen und Monaten des maximalen Einsatzes auch Momente der absoluten Hoffnungslosigkeit ein. Darauf folgt aber immer wieder neuer Elan.

Mein Sohn Noah, er ist jetzt zehn Jahre, träumt auch. Er will der erste Europäer auf dem Mond sein. Die Lego Saturn-V Rakete, die ihn dorthin bringen soll, haben wir zu Weihnachten bereits gebaut. Sollte das nicht klappen, will er der erste Mensch auf dem Mars sein. Er trainiert bereits dafür, verschlingt die Bücher der Apollo-Missionen und schreibt ein Tagebuch. Da dreht es sich meistens um dieses Thema. Wenn Noah am Abend zum Mond hinaufschaut, spricht er über die Details seiner Mission dorthin. Wie er die europäische Flagge in die Oberfläche des Mondes rammt, die europäische Hymne singt und mit den Fußabdrücken des ersten Europäers Spuren hinterlässt.

Auch wenn es vielleicht nie zur Verwirklichung seiner Träume kommen sollte, so ist es ein Geschenk unserer freien Gesellschaft, dass ein klitzekleines Fünkchen Hoffnung in diesen Träumen lebt und wir unseren Kindern einige erste Schritte in diese Abenteuer ermöglichen können.

In diesen Tagen hat die Republik Österreich einem Mädchen einen Traum zerstört. Einen Traum, der im Vergleich zu den Träumen meines Sohns Noah einfach zu verwirklichen gewesen wäre. Das Mädchen, Tina ihr Name, will Österreicherin sein. So wie wir. Tina will hier aufwachsen, mit ihren Mitschülerinnen lernen und ihren Traum leben.

Was ist mit den Repräsentanten unseres Staates passiert, dass sie das nicht verstehen können? Ja, dass sie es nicht sogar toll finden?

Sie verstecken sich hinter Gesetzesparagrafen, die ihnen vermeintlich keinen Spielraum ermöglicht hätten.

Nur um sicher zu gehen: Das Gesetz verlangt also, dass Kinder - mitten in der Nacht - von Wega-Polizisten mit Polizeihunden abzuschieben sind? Das will das Gesetz? Das kann ich nicht glauben, dass es ein Gesetz in Österreich gibt, das so etwas will.

Kluge Publizisten, die nicht im Verdacht stehen, der breit gestreuten Regierungspropaganda auf den Leim zu gehen, haben die Lage nachvollziehbar seziert. Grob gesagt bleibt die Erkenntnis, dass die Regierung diese Brutalo-Aktionen machen KANN. Aber nicht machen MUSS.

Möglichkeit 1: Die Regierung unter Bundeskanzler Sebastian Kurz tut weiter so, als wäre sie Weltmeister auf allen Ebenen. Ein der ÖVP nahe stehender Freund schrieb mir: „Außer der Abschiebung von gut integrierten Schülerinnen fällt der Bundesregierung als Hilfe weiter nichts ein.“ Die Schlampigkeit im täglichen Regieren wurde beim Abschieben von Kindern plötzlich durch martialische Präzision ersetzt.

Möglichkeit 2: Wir ändern die Gesetze so, dass sie einem humanistisch geprägten Land gut zu Gesicht stehen. Dazu müssen wir aktiv werden. Jammern über den Kanzler und seine kalte Clique opportunistischer Machtpolitiker hilft nicht. Änderungen passieren meistens langsam. Zuerst im Land, dann im Parlament. Klar benötigt ein Staat nachvollziehbare und vielleicht sogar strenge Asylgesetze. Eine populistische Blutgrätsche gereicht einer europäischen Demokratie im 21. Jahrhundert aber nicht zur Ehre.

Wenn sie heute ihre Kinder ins Bett bringen und beim Träumen zusehen, stellen sie sich die nächtliche Abholung mit Polizeihunden und Sicherheitskräften vor. Dann reicht eine einfache Frage: Will ich diese Politik wirklich?

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