„Rudl“ im Interview

„Der Hausverstand hat nicht mehr den Stellenwert“

Tirol
06.12.2020 19:00

Der Multifunktionär und Tarrenzer (Ex-)Bürgermeister Rudolf Köll macht vorzeitigt Platz für einen Jüngeren. Er nahm sich schon in den 22 Amtsjahren nie ein Blatt vor den Mund. Jetzt, beim „Krone“-Interview, erst recht nicht und sprach über den Wandel der Rolle des Dorfprimus und schwierigere Zeiten in der Kommunikation mit den Bürgern.

Herr Köll, Sie hatten am Montag nach 22 Jahren Ihren letzten Amtstag als Bürgermeister. Warum haben Sie zurückgelegt?

Dieser Rückzug ist schon jahrelang angekündigt. Ich bin 64, in diesem Alter sind die meisten Kollegen schon in Pension. Der Wunschnachfolger, der noch in diesem Jahr vom Gemeinderat gewählt wird, kann sich darüber hinaus bis zur nächsten Wahl einarbeiten.

Würden Sie mit dem heutigen Erfahrungsschatz als junger Kommunalpolitiker noch einmal für dieses Amt kandidieren?

Klar ja. Das Schöne an dieser Berufung ist, dass du – wie im Leben auch – nie weißt, was kommt. Allerdings muss ich zugeben, dass man schon sehr viel herumgrübelt. Und Umsetzen kann man die Dinge nur gemeinsam mit der Mannschaft. Ich war nur ein Teil des Orchesters. Die Aufgabe als Bürgermeister ist aber interessant und sehr herausfordernd.

Apropos herausfordernd: Wurde das Amt im Laufe der Jahrzehnte schwieriger?

Die Rolle des Bürgermeisters hat sich im Laufe der Zeit sehr gewandelt. Der Aufgabenbereich, gerade als Behörde, ist um ein Vielfaches größer geworden. Speziell im Sicherheitsbereich von Veranstaltungen ist man zu den Mehraufgaben wie die Jungfrau zum Kind gekommen. Ich erinnere mich noch an die Schaumpartys auf Starkenberg, für die es keine Rechtsgrundlage gab. Und ich denke an das Gassenfest, das Dimensionen angenommen hat, die wir nie vermutet haben. Du bist oft mit einem Bein im Ziegelstadl.

Also sind die Dorfchefs überlastet?

Weitaus überlastet. Die oft versprochene Entbürokratisierung ist nicht eingetreten, im Gegenteil. Zudem wird heutzutage vieles auf dem juristischen Wege abgearbeitet, alles muss fundamentiert sein. Der Hausverstand hat nicht mehr den Stellenwert von damals. Der Rechtsanwalt wird viel schneller als früher ins Spiel gebracht. Die vielen Rechtsschutzversicherungen sind zweifellos diesbezüglich ein Nachteil.

Ist der Umgang mit den Bürgern ein anderer geworden?

Allerdings. Die Leute sind respektloser, der Ton ist in den letzten Jahren aggressiver geworden. Dr. Google sorgt dafür, dass viele mit einem Halbwissen mitreden möchten.

Was waren für Sie die Highlights und was die größte Enttäuschung?

Mein Team und ich sind in allen vier Wahlen mit der absoluten Mehrheit ausgestattet worden. Dieses Vertrauen macht mich schon stolz. Umso wichtiger ist für mich, die geregelte Amtsübergabe an Stefan Rueland. Die größte persönliche Enttäuschung war die Schlammschlacht bei den Wahlen 2010. Da bin ich einige Male verletzt durch die Gassen gegangen.

Was wird Ihnen in Zukunft keinesfalls abgehen?

Ich hatte viele Funktionen und deswegen auch viele Sitzungen. Da musste ich mich oft fünfmal am Tag duschen und umziehen. Ich gestehe, das ist mir auf den Geist gegangen.

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