krone.at-Kolumne

Moria und das moralische Dilemma der Grünen

Politik
16.09.2020 14:10

Auch wenn klar war, dass so eine Situation früher oder später kommen musste: Dass selbst die Grünen bei der Aufnahme von Kindern aus den völlig zerstörten Lagern in Moria bremsen, ist ernüchternd. Das zeigt einmal mehr, dass Realpolitik letzten Endes bei jeder Partei Haltung und Moral sticht. Es scheint bei den Grünen nicht anders zu sein.

Die Grünen haben - krone.at berichtete - Fristsetzungsanträge der SPÖ und NEOS, die eine Abstimmung zur Aufnahme von Flüchtlingskindern aus Moria im Parlament zum Ziel hatten, abgelehnt. Das muss man sich schon einmal auf der Zunge zergehen lassen: Jene Partei, die sich sonst das Gutmenschentum plakativ an die Brust heftet und die Unmenschlichkeit anderer teilweise völlig zu Recht mit hocherhobenem Zeigefinger anprangert, entschied sich doch tatsächlich für den heiligen Koalitionsfrieden mit den Türkisen und gegen ein starkes Zeichen zu den eigenen Werten.

Das klingt komisch, ist aber so. Klar: Eine Mehrheit hätten die Anträge auch mit den Stimmen der Grünen nicht gehabt, weil es auch die Stimmen der ÖVP und der FPÖ gebraucht hätte. Die Symbolwirkung bleibt dennoch dieselbe.

Wo ist die klare Haltung der Grünen hin?
Einmal in der Regierung angekommen, scheint offenbar noch bei jeder Partei mit einem Schlag die eigene Grundgesinnung über Bord geworfen. Dass es gerade einer Partei wie den Grünen schwerfällt, bei Flüchtlingskindern eine klare Haltung zu beziehen, sie schon alleine die Fristsetzungsanträge ablehnen und sich stattdessen in einem Geschwurbel à la „Wir würden ja wollen, aber mit den Türkisen können wir nicht“ verzetteln, ist traurig. Mit gelebter Politik hat das nichts zu tun, wenn Werte im Sinne der Koalitionsräson verraten werden. Im Gegenteil - das ist schnöde Realpolitik in seiner Reinform.

Österreich hätte genügend Platz für 100 Flüchtlingskinder
Umso trauriger: Runtergebrochen geht es in der aktuellen Debatte um einige wenige Kinder, die bereits zuvor unter unmenschlichsten Bedingungen ihr Dasein fristeten. Mit dem Brand in Moria haben sie auch mit einem Schlag die letzte Zuflucht verloren. Österreich könnte es sich sehr wohl leisten, ein paar Dutzend Kinder aus diesem Loch zu holen, den Platz könnten abzuschiebende, straffällig gewordene Asylwerber freimachen.

Das pauschal-trotzige „Nein“ der Bundesregierung bei knapp 100 Kindern ist lediglich ein polit-strategisches. Und auf dem Rücken von Kindern sollte man keine Taktikpläne schmieden. Sie können nichts dafür.

Nein zu Flüchtlingskindern ist ein Mittelfinger in Richtung der Wähler
Die Grünen werden wohl mit ihrem Mitläufertum in dieser Frage Glaubwürdigkeit einbüßen müssen. Es ist wohl kaum anzunehmen, dass jemand, der den Grünen seine Stimme gegeben hat, diese Entscheidung rund um Moria goutieren wird. Sie ist quasi ein Mittelfinger in Richtung der eigenen Wähler. Aber das wäre ja nicht das erste Mal.

Katia Wagner, krone.at

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