Heim-Skandal

So sollen die Pfleger ihre Patienten gequält haben

Österreich
24.09.2010 14:53
Sechs Angestellte des steirischen Landessonderkrankenhauses Schwanberg sehen sich mit schweren Vorwürfen konfrontiert: Sie sollen fünf psychisch kranke Patienten jahrelang gequält, geschlagen, verletzt und ihnen jegliche Würde genommen haben. Die Ermittlungen laufen auf Hochtouren, Dutzende Zeugen werden befragt. Die Betreiberin des Pflegeheims, die Landesspitalsgesellschaft KAGes, versucht indes, die Vorfälle zu relativieren und mitunter sogar rational zu erklären.

Die angezeigten Betreuer und der Direktor werden demnächst mit den Aussagen von Angestellten konfrontiert, die das, was sie mitansehen mussten, nach eigenen Angaben nicht länger mit ihrem Gewissen vereinbaren konnten. Einige haben gekündigt. Sie wollten weg aus dem Haus, in dem sie, weil pflichtbewusst, gemobbt worden sein sollen - und wo unter anderem das passiert sein soll:

  • Wollte sich ein Patient eine Tasse Kaffee oder das Essen holen, soll er vom Betreuer einen Tritt in den Hintern bekommen haben - und das täglich.
  • Ein psychisch Kranker weigerte sich, seine Fingernägel zu schneiden. Deshalb soll er angeblich in einer Wanne so lange unter eiskaltes Wasser gehalten worden sein, bis sein Gesicht blau anlief.
  • Dieser Fall ist der Öffentlichkeit bereits bekannt: Ein Patient soll, weil er sich nicht richtig benommen hatte, im Winter zehn Minuten nackt im Freien stehen haben müssen.
  • Ein weiterer Kranker, der nicht spurte, soll einen Faustschlag ins Gesicht bekommen und dabei einen Nasenbeinbruch erlitten haben.
  • Angeblich mit Duldung des Pflegedirektors soll ein geistig abnormer Rechtsbrecher seine Triebe ungehindert ausgelebt haben, indem er wiederholt zwei Frauen vergewaltigt haben soll - eine blinde und eine gelähmte.

Für die Verdächtigen und den derzeit beurlaubten Direktor, der alles geduldet haben soll, gilt die Unschuldsvermutung. Noch Tage und Wochen könnten sich die Einvernahmen hinziehen, hieß es am Freitag vonseiten der Polizei. Seit Bekanntwerden der Vorwürfe wurden laut Chefermittler Anton Kiesl an die 25 Befragungen beim Pflegepersonal durchgeführt. Erst wenn alle Vorwürfe auf dem Tisch liegen, wolle man die Verdächtigen damit konfrontieren. Um Vertuschungen seitens der Verdächtigen zu vermeiden, muss es aber so schnell wie möglich vorangehen.

KAGes: Bei Im-Schnee-Stehen "an das Kneippen gedacht"
Seitens der KAGes gab es am Freitag umfangreiche Versuche, die Vorwürfe zu relativieren bzw. sogar rational zu erklären. So heißt es, dass die vermehrten Krankenstände und Kündigungen beim Personal nichts mit dem Heimleiter zu tun gehabt hätten. Die vorliegenden Daten hätten gezeigt, dass "Personal auf Stationen mit psychisch kranken Menschen generell öfter in Krankenstand ist und öfter den Arbeitsplatz wechselt". Schwanberg sei der Datenlage zufolge nicht auffällig, meinte KAGes-Sprecher Reinhard Marczik.

Marczik meinte auch, dass einige Patienten vom Arzt auf Diät gesetzt worden waren und sie deshalb weniger Mahlzeiten bekamen. Dass eine Pflegerin einen Patienten in den Schnee gestellt hat, bestätigte sie wiederum. Allerdings sei dies "nur barfuß" und nicht bis auf die Unterhose nackt passiert. Die Pflegerin habe den Patienten "beruhigen wollen" und "an das Kneippen gedacht". Ihr sei aber untersagt worden, derartige Versuche zu unternehmen. Der Vorfall ist laut KAGes, wie viele andere, offiziell dokumentiert worden.

von Manfred Niederl (Kronen Zeitung) und krone.at

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