Nach Aufhebung des größten Teils der Corona-Ausgangsbeschränkungen durch den VfGH stellt sich die Frage, was mit den rückblickend gesetzeswidrigen Strafen geschieht. Die von der Opposition geforderte Generalamnestie sei „faktisch nicht möglich“, meint Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk. Wolle man auch rechtskräftige Strafen zurückzahlen, müsste man mit hohem Aufwand Fall für Fall einzeln prüfen.
Eine Generalamnestie „in Bausch und Bogen“ ohne Einzelfallprüfung wäre rechtlich nicht zulässig und auch „rechtspolitisch nicht tunlich“, gab Funk zu bedenken. Denn damit würden alle Covid-19-Schutzmaßnahmen „mit einem Strich desavouiert“. Würden alle aufgrund des Covid 19-Gesetzes und der Verordnungen verhängten Strafen aufgehoben, wäre das eine schwere Diskriminierung - weil dann auch tatsächliches Fehlverhalten straflos gestellt würde.
Eine Generalamnestie in Bausch und Bogen ohne Einzelfallprüfung wäre rechtlich nicht zulässig und auch rechtspolitisch nicht tunlich.
Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk
„Die Einzelfallprüfung kann man sich nicht sparen“
Aber auch wenn man nur die Strafen zurückzahlen will, die aufgrund der jetzt vom Verfassungsgerichtshof aufgehobenen Verordnungsteile ergingen, müsste man Fall für Fall einzeln anschauen. „Die Einzelfallprüfung kann man sich nicht sparen“, stellte Funk fest. Somit sei damit zu rechnen, dass die VfGH-Entscheidung nur auf noch laufende (Rechtsmittel-)Verfahren Auswirkungen hat. Das wäre nicht ungerecht - denn Rechtsmittel wären jedem Bestraften offengestanden, auch gegen Organstrafmandate.
Diese Organstrafmandate wären auch nicht betroffen, wenn man die - von Uni-Professor Peter Bußjäger ins Spiel gebrachte - Möglichkeit der Rückzahlung einer offenkundig rechtswidrigen Bestrafung im Weg der Wiederaufnahme des Verwaltungsstrafverfahrens nützt. Damit wäre aber wieder eine Ungleichbehandlung gegeben. Und auch bei der Wiederaufnahme der Verwaltungsstrafverfahren müsste Fall für Fall einzeln geprüft werden, merkte Funk an.
VfGH kippte Corona-Verordnungen
Der VfGH hat am Mittwoch seine Entscheidungen zu den Themenbereichen Aufenthaltsbeschränkungen und die Geschäftsschließungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie veröffentlicht. Das Covid-19-Gesetz - samt Entfall des Entschädigungsanspruchs für behördlich geschlossene Betriebsstätten - befand der Gerichtshof für verfassungskonform.
Aber zwei Verordnungen von Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) wurden aufgehoben: Das de facto verfügte Ausgangsverbot mit nur wenigen Ausnahmen ging zu weit, er hätte laut Gesetz nicht generell das Betreten des öffentlichen Raumes, sondern nur das Betreten einzelner genau dargestellter Orte verbieten dürfen. Und die Verordnung zur teilweisen Wieder-Öffnung der Geschäfte nach Ostern war gleichheitswidrig. Geschäfte mit mehr als 400 m2 Verkaufsfläche wurden gegenüber den kleineren Geschäften und vor allem auch gegenüber größeren Bau- und Gartenmärkten mit mehr als 400 m2 (die ebenfalls aufsperren durften) benachteiligt. Beide Verordnungen sind nicht mehr in Kraft.
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