Justizreform-Paket

Bandion-Ortner setzt auf “Wer singt, geht frei”

Österreich
20.08.2010 13:46
Justizministerin Claudia Bandion-Ortner hat am Freitag ihr Paket zur Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität und Korruption präsentiert. Neben der Einführung der Kronzeugenregelung unter dem Motto "Wer singt, geht frei", die bereits per 1. Jänner 2011 in Kraft treten soll, werden vier Wirtschaftskompetenzzentren mit mindestens 40 Staatsanwälten eingerichtet. Zudem sollen Entscheidungen von Anklägern künftig transparenter werden. Den Auftakt zur Justizreform macht im Oktober ein Gipfel mit Juristen und Fachleuten von außen.

Nach der heftigen Kritik von allen Seiten an der Justiz ist Bandion-Ortner nun also aktiv geworden und hat den Gesetzesentwurf bereits in Begutachtung geschickt. Die Kriminalität habe sich gewandelt, "wir müssen daher aufrüsten und die Effizienz erhöhen", betonte die Ministerin, die sich zugleich gegen die Kritik wehrte: "Mit Strafrecht Populismus zu machen, das lasse ich nicht zu." Druck seitens der Politik müsse verhindert werden.

Bandion-Ortner: "Wer singt, geht frei"
"Wir wollen erreichen, dass mehr Leute auspacken und dafür Anreize schaffen, nach dem Motto 'Wer singt, geht frei'", meinte Bandion-Ortner zur Einführung der Kronzeugenregelung im Strafrecht. Bisher gibt es dies nur im Kartellrecht. Die Kronzeugenregelung habe eine präventive und eine reaktive Wirkung. Zum einen destabilisiere sie kriminelle Strukturen, da sich die Täter nicht sicher sein können, dass nicht ein Mittäter auspackt. Zum anderen helfe sie bei der Aufklärung von schweren Taten.

Der Leitende Staatsanwalt Christian Plinacek führte aus: "Der Kronzeuge muss der Staatsanwaltschaft freiwillig sein Wissen über Tatsachen offenbaren und seine eigenen Taten vollständig darstellen." Das Ganze muss passieren, bevor es gegen ihn ein Ermittlungsverfahren gibt. "Es wird eine Art Handbuch geben, damit man weiß, wie man Kronzeuge werden kann", so die Ressortchefin.

Grundsätzlich ist die Kronzeugenregelung nicht auf bestimmte Delikte beschränkt, Sexualdelikte und Straftaten mit Todesfolge werden jedoch ausgeschlossen. Trotz seiner Kooperation hat der Kronzeuge mit Sanktionen zu rechnen, wenn auch nicht mit einer Freiheitsstrafe. Die Staatsanwaltschaft kann Maßnahmen wie etwa Geldbußen von bis zu 240 Tagessätzen, gemeinnützige Arbeit oder eine Probezeit auferlegen.

Mindestens 40 Staatsanwälte an vier Standorten
Im kommenden Jahr werden ab 1. Juni 2011 in Wien, Graz, Innsbruck und Linz vier Wirtschaftskompetenzzentren unter dem Dach der bestehenden Staatsanwaltschaften eingerichtet. Mindestens 40 Kräfte werden dort für Fälle wie Betrug, Untreue oder Förderungsmissbrauch zuständig sein, die eine Schadenssumme von fünf Millionen Euro übersteigen. Auch organisierte Schwarzarbeit, Pyramidenspiele, bei denen eine größere Zahl geschädigt wurde, Bilanzdelikte, Finanzstraftaten oder Geldwäscherei fallen in ihren Zuständigkeitsbereich.

Die dort tätigen Staatsanwälte sollen speziell ausgebildet sein. So könnte sich die Ministerin vorstellen, dass sie während ihrer Ausbildung etwa auch in der Finanzmarktaufsicht oder in der Rechtsabteilung von Unternehmen Praxis sammeln. Auch sollen vermehrt externe Experten zugezogen werden. Bandion-Ortner rechnet damit, dass die neuen Zentren pro Jahr mit rund 800 Fällen beschäftigt sein werden. Da dem Justizressort eine Personalaufstockung von 151 Planstellen zugesagt worden ist, werden die Ressourcen hier zum Einsatz gebracht, so die Ressortchefin.

Staatsanwalts-Entscheidungen werden transparent
Eine weitere Maßnahme der Offensive betrifft die Transparenz von Staatsanwalts-Entscheidungen. Demnach sollen Opfer künftig erfahren, aus welchen Gründen ein Ermittlungsverfahren eingestellt wurde. Auch der unabhängige Rechtsschutzbeauftragte werde besser eingebunden, wenn es kein Opfer gibt. Er soll auch den Obersten Gerichtshof anrufen können.

Werden Verfahren von besonderem öffentlichen Interesse eingestellt, wird die Begründung im Internet veröffentlicht - unter Wahrung des Persönlichkeitsschutzes. "Transparenz schafft Vertrauen", so Bandion-Ortner und weiter: "Wir brauchen keine Mystik und keine Verschwörungstheorien. Wir brauchen mehr Klarheit."

Verschärfung beim Zugriff auf kriminelles Vermögen
Weiters kommt eine Verschärfung des Zugriffs auf kriminelles Vermögen. Bis jetzt war es laut Bandion-Ortner nur möglich, Bereicherungen aus Straftaten nach dem sogenannten Nettoprinzip abzuschöpfen. Das heißt, Aufwendungen des Täters etwa mussten vom Vermögen abgezogen werden. Künftig soll das Bruttoprinzip gelten, bei dem Aufwendungen nicht berücksichtigt werden. Sämtliche Vermögenswerte sind vom Gericht für "verfallen" zu erklären. Im neuen Wirtschaftskompetenzzentrum Wien werden spezialisierte Staatsanwälte damit beschäftigt sein, Vermögenswerte aufspüren, kündigte die Ministerin an.

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