Wer zockt wen ab?

Tauziehen um Lehrer zwischen Bund und Ländern

Österreich
12.08.2010 12:00
Die "gierigen Länder" gegen den "knausrigen Bund"? Das innenpolitische Tauziehen proben derzeit Landeshauptleute, Unterrichtsministerin und die Regierungsspitze am Beispiel der Lehrer. Auslöser ist u.a. ein RH-Bericht, der offenlegt, dass beim Stellenplan für die Landeslehrer teilweise kräftig überzogen wurde. Das Bildungsministerium will dafür jetzt mehr Geld von den Ländern kassieren. Die sind freilich dagegen, Niederösterreichs Landeschef Erwin Pröll fordert gar die vollständige Kontrolle der Länder über alle Lehrer, auch die des Bundes. Die große Frage: Wer zockt wen ab?

Österreichs Lehrkörper setzt sich aus 77.000 Landeslehrern (Volks-, Haupt-, Sonder-, Polytechnischen- und Berufsschulen) und rund 44.000 Bundeslehrern (AHS, BMS, BHS) zusammen. Prinzipiell werden die Bundeslehrer direkt vom Bund bezahlt, die Landeslehrer über den Finanzausgleich indirekt vom Bund finanziert. Für Letztere vereinbaren Bund und Länder einen Stellenplan. Jene Lehrer, die darüber hinaus angestellt werden, müssen die Länder zwar selbst bezahlen, der Bund streckt die Gehälter allerdings vor.

Das Problem dabei: Der derzeit gültige Verrechnungs-Schlüssel sieht vor, dass die Länder für jene Lehrer, die über dem Stellenplan liegen, das Gehalt eines befristet angestellten Junglehrers an den Bund refundieren. Das sind pro Jahr 38.000 Euro. In der Praxis werden allerdings natürlich bei Weitem nicht alle der überzogenen Posten tatsächlich mit Neueinsteigern, sondern auch mit älteren und damit um bis das Doppelte teureren Lehrern besetzt.

RH: Länder "ergaunern" sich Geld, Bund prüft nicht nach
Begonnen hat das politische Kräftemessen diese Woche mit einem RH-Bericht über das Landeslehrer-Controlling bei den Berufsschullehrern - eine Sondergruppe, deren Gehälter die Länder direkt zahlen und dann 50% vom Bund zurückbekommen. Die Verrechnung zwischen Bund und Ländern habe derzeit aber "den Charakter eines undurchsichtigen Zahlenspiels". Der RH bemängelt, dass die Länder teils falsche Daten melden, diese erst viel zu spät übermitteln oder deutlich zu hohe Beiträge des Bundes zu den Berufsschullehrergehältern fordern, sprich: sich mehr als die zustehende Hälfte des Gehalts "ergaunern". Die Kontrolle durch das Ministerium sei unterdessen unzureichend, dieses habe "keine Kenntnis der in den Ländern angefallenen Besoldungskosten".

So habe Kärnten zwischen 2003 und 2008 "irrtümlich" insgesamt rund 2,09 Millionen Euro zu viel an Kostenersätzen vom Bund angefordert. Zwischen 2006 und 2008 hat das Land außerdem widerrechtlich einen Beitrag von rund 156.000 Euro für Lehrer angefordert, die lediglich als Erzieher eingesetzt wurden. Das Ministerium, bemängelt der RH, "hatte davon keine Kenntnis", Plausibilitätskontrollen hätten nicht stattgefunden. Heißt: Das Ministerium schaut nicht nach, wie viel das Land vorausbezahlt hat, wenn es vom Bund zurückfordert.

Länder waren 1.724 Stellen über Plan
Kurz davor hatte das Unterrichtsministerium eine Aufstellung über die Umsetzung des allgemeinen Stellenplans veröffentlicht. Insgesamt haben im Schuljahr 2008/09 die Länder bei allen Lehrergruppen um 1.724 Planstellen mehr besetzt als vorgesehen. Am "fleißigsten" ist hier einmal mehr das Land Kärnten, wo gleich um 617 mehr Stellen als im Stellenplan vorgesehen besetzt waren. Es folgen Oberösterreich (305), Niederösterreich (183) und Vorarlberg (161).

Durch den Usus der Länder, weniger rückzuüberweisen, als der Bund für die Lehrergehälter vorstrecken musste, kommt angesichts derartiger Stellen-Überziehungen eine hübsche Summe zusammen, die dann im Unterrichtsbudget fehlt. Ministerin Claudia Schmied beziffert sie mit zehn Millionen Euro. Zurückholen will sie sich das Geld jetzt mit einer neuen "Landeslehrer-Controllingverordnung": Die Länder sollen in jenen Fällen, in denen nicht tatsächlich die 38.000 Euro "günstigen" Junglehrer beschäftigt werden, künftig mehr zurückzahlen. Die Verordnung sieht vor, dass pro überzogenem Posten jährlich 58.000 Euro an den Bund refundiert werden. Darüberhinaus soll die Besetzung des Stellenplans künftig gleich vier Mal im Jahr statt bisher nur einmal überprüft werden.

Bei den Landeshauptleuten stößt die Verordung fast durch die Bank, vor allem aber bei den SPÖ-Landeschefs auf Ablehnung. Eine vierteljährliche Überprüfung wäre eine teure Verwaltungsprozedur und außerdem aufgrund der unterschiedlich hohen Personalstände im Laufe eines Schuljahrs nicht zweckmäßig, heißt es etwa aus Wien. Auch in Salzburg bekrittelt man den bürokratischen Aufwand. Man werde nicht mehr zahlen, weil man sowieso so gut wie nicht überzogen hat, tönt aus der Steiermark. "Überhaupt kein Problem mit Controlling oder Transparenz" hat hingegen das Burgenland.

Pröll will alle Lehrer in den Landesdienst holen
Eine ganz andere Richtung schlug am Donnerstag der niederösterreichische Landeshauptmann Erwin Pröll ein, derzeit auch Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz. Die Länder wollten nicht nur "ihre" Landeslehrer behalten, sondern gleich alle Pädagogen in ihre Kompetenz übernehmen, behauptet er. Künftig sollten nur die Grundsatzkompetenzen für Schulfragen beim Bund liegen, damit einheitliche Bildungsstandards über ganz Österreichs gewährleistet bleiben. "Organisatorische Fragen inklusive die Anstellung der Lehrer" sollten dagegen in die Kompetenz der Länder kommen - verbunden mit "Kopfquoten" für Schüler, also Lehrer, die vom Bund an die Länder nach der Anzahl der Schüler zugeteilt werden. Dann wäre "ein für allemal dieser eigenartige Streit" um die Lehrer ausgeräumt.

Gegenüber Radio Ö1 machte der Onkel von Vizekanzler Josef Pröll am Donnerstagvormittag auch gleich Nägel mit Köpfen: Die Übergabe der Bundeslehrer an die Länder sei bereits mit der Regierungsspitze, also Bundeskanzler Werner Faymann und ÖVP-Chef Pröll, abgesprochen, behauptet Pröll. Ein entsprechendes Gesetz könnte schon 2011 in Kraft treten. Dass Schmied eine neue Verordnung auf Basis der geteilten Kompetenzen anstrebt, erklärt Pröll mit "Koordinationsmängel in der Bundesregierung, was mich angesichts der Diskussionen der letzten Monate nicht wundern würde."

Kanzler: "Nicht ausgemacht" - Salzburg kontert Pröll
Mit dieser Aussage lockte der mächtige Landeshauptmann wenige Stunden später sogar Faymann und Pröll aus der Sommerpause: Beide erklärten, dass es zwar Gespräche mit Pröll in diese Richtung gegeben habe, dem Landeshauptmann aber sicher nicht die Übergabe der Bundeslehrer-Kompetenzen zugesichert wurde. "Noch nicht ausgemacht", hieß es aus dem Büro Faymann. "Keine Einigung in dieser Frage", ließ Neffe Pröll seinem Onkel ausrichten. Die Gespräche seien aber insgesamt durchaus positiv verlaufen und man verschließe sich Erwin Prölls Vorschlag "nicht grundsätzlich".

"Einigermaßen verwundert" über die Aussagen ihres niederösterreichischen Amtskollegen zeigte sich Salzburgs Landeshauptfrau Gabi Burgstaller. Es sei "einfach falsch", dass die Landeshauptleute einen entsprechenden Beschluss gefasst hätten, von einer Abstimmung zwischen Ländern und Bund könne daher "keine Rede" sein. "Die Landeshauptleute werden sich Anfang September mit diesem Fragenkomplex beschäftigen und dabei - so hoffe ich - auch auf eine gemeinsame Linie einigen", sagte Burgstaller, schränkte aber ein: "Ich sehe keinen sachlichen Grund für die von Landeshauptmann Pröll vorgeschlagene Lösung."

Opposition will Lehrer eher weg von Ländern sehen
Die Reaktionen der Opposition auf die Debatte sind unterschiedlich, tendieren aber eher in eine Richtung gegen die Länder: Möglichst weg von den Ländern wollen die Grünen. Der RH-Bericht habe große Mängel beim Landeslehrer-Controlling aufgezeigt, auch "die nervöse Reaktion der Bundesländer bestätigt den Handlungsbedarf", meint Grünen-Bildungssprecher Harald Walser. Das Ministerium bezahle derzeit für Unterrichtsstunden, die nicht gehalten werden, stattdessen würden die Mittel in der Bürokratie versickern.

So komme etwa von den sechs Werteinheiten, die das Unterrichtsministerium jeder Klasse der Neuen Mittelschule für Förderunterricht zur Verfügung stellt, nur ein Teil auch bei den Schülern an. In Vorarlberg seien das nur zwei Stunden gewesen, erst "nach heftigen Protesten" vier. "Wenn nicht einmal speziell gewidmete Gelder dort ankommen, wo der Bund sie einsetzen will, dann kann den Ländern nicht länger vertraut werden", so Walser. Alternativ könnte er sich auch eine Verlagerung der Personalhoheit direkt an die Schulen vorstellen: "Mehr Verantwortung für die Schulen, aber ohne die von Landeshauptmann Pröll gewünschte Provinzialisierung des Schulwesens."

BZÖ gegen "Zür ein Bundeslehrer-Dienstrecht ein. Es kann nicht sein, dass hier keine einheitliche Regelung erfolgt, sondern alle neun Länder ihren eigenen Kompetenz-Schrebergarten pflegen und ausbauen wollen. Gleiche Regeln vom Boden- bis zum Neusiedlersee sind das Gebot der Stunde." Notwendig seien klare Zuständigkeiten, der Bund solle für die Rahmengesetze, die Länder für die Vollziehung verantwortlich sein. Alle Lehrer sollten aber Bundeslehrer werden, so Haubner. Sie selbst sei im Zivilberuf eine Bundeslehrerin gewesen und hätte "darin nie Nachteile gesehen".

Inhaltlich wenig beitragen wollte am Donnerstag die FPÖ. Bildungssprecher Walter Rosenkranz bezeichnete den Pröll-Vorstoß als "Sommertheater-Posse". Wichtig sei aber, dass Bewegung in die festgefahrene Situation in der Schulverwaltungsreform komme.

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