Bischof Krautwaschl

„In der Krise spüren wir ein neues Miteinander“

Steiermark
12.04.2020 07:30

Die Pandemie überschattet das Osterfest. Dennoch kann der steirische Bischof Wilhelm Krautwaschl Corona etwas Positives abgewinnen, wie er der „Krone“ in einem Video-Gespräch in Seggauberg schildert.

Herr Bischof, Sie haben am Karfreitag in einem Brief an die „Krone“-Leser an Jesu Worte am Kreuz erinnert: „Mein Gott, warum hast du uns verlassen?“ Warum hat uns angesichts der Corona-Pandemie Gott verlassen?
Ich glaube, dass das Schreien von Jesus am Kreuz ein ganz und gar menschliches ist. Und ich glaube auch, dass viele sich aktuell ähnlich fühlen. Ich möchte aber daran erinnern, dass es nicht nur Corona gibt, wo wir Gott diese Frage stellen könnten: Denken wir nur an Flucht, Migration, Hunger. Sie sind weit weg von uns, das Virus kommt uns aber ganz nahe, betrifft uns direkt.

Die Frage nach dem Warum stellen sich in diesen Tagen viele Menschen, und ich habe auch keine einfache Antwort darauf. Weil Gott solche Situationen des Leidens, des Anstehens, der Ohnmacht an der eigenen Haut erfahren hat, ist er jetzt ganz bei uns. Von Ostern her betrachtet, muss ich sagen, es gibt mehr, als das, was Karfreitag heißt. Auf das darf ich vertrauen, auf das darf ich hoffen, und das gibt mir die Möglichkeit, nicht zu verzweifeln.

Sehen Sie angesichts dieser Krise auch die Gefahr, dass sich noch mehr Gläubige von der Kirche abwenden?
Ich verstehe es, wenn Menschen ihre Not hinausschreien. Es gibt aber auch den alten Spruch: „Not lehrt beten.“ Dann werfen Menschen den Anker der Hoffnung bei Gott aus. Ich glaube, der Mensch ist jetzt im 21. Jahrhundert draufgekommen, dass er doch nicht alles kann. Da ist ein unbekanntes Virus dahergekommen, und auf einmal funktioniert die Welt nicht mehr so, wie wir es gewohnt sind. Ich glaube, es tut gut, sich einmal selbst einzugestehen, dass ich als Mensch eben nicht der große Zampano bin.

Es gibt eine aktuelle OGM-Umfrage zur Präsenz von Institutionen in der Krisenzeit. Da rangiert die Kirche im hinteren Feld, nur knapp vor der EU: Demnach meinen 60 Prozent, die Kirche habe sich, im Gegensatz zur Regierung, nicht profilieren können. Wie erklären Sie sich das?
Das ist interessant, weil es noch nie so viele Angebote in den Medien gegeben hat, wo die Kirche präsent war. Außerdem engagieren sich Priester und Christen vor Ort intensiv - ich denke nur an die Krankenhaus- und Pflegeheimseelsorger. Nur das Veröffentlichte zu sehen, wird uns nicht gerecht. Und man muss schon sehen, dass der Kirche das Osterfest mit seiner Intention, Leute zusammenzubringen und Generationen übergreifend, soziale Schichten übergreifend zu feiern, jetzt genommen wurde. Natürlich ist da die Bundesregierung mit ihrer Aufgabe, das gesellschaftliche Leben zu ordnen, präsenter als wir.

Statt der Gottesdienste werden derzeit viele Messen im Internet übertragen. Sehen Sie darin die Chance, dass die Kirche jetzt etwas moderner, offener wird?
Wir haben in der Diözese in den vergangenen Wochen schon einiges an Modernisierung geschafft, was uns wahrscheinlich sonst ein Jahr an Arbeit beschert hätte: Live-Übertragungen gehören für uns bereits zur Routine. In Hartberg etwa gibt es schon seit Jahren jeden Sonntag eine Internetübertragung des Gottesdienstes. Ich möchte aber nicht darauf vergessen, dass wir auch Generationen oder Menschen ansprechen dürfen und müssen, die eben nicht digital verankert sind.

Bietet Ihrer Meinung nach die Krise auch neue Chancen für unsere Gesellschaft?
Ich glaube, dass wir, obwohl wir getrennt sind, neue Nähe verspüren und es ein stärkeres Miteinander gibt. Dieses Aufeinander-aufmerksam-Sein werden wir uns hoffentlich bewahren. Viele überlegen sich jetzt auch, was für sie wirklich notwendig ist, was sie wirklich für ihr Leben brauchen.

Bemerken auch Sie angesichts der Krise etwas, wo Sie in den letzten Wochen, Monaten, Jahren den Fokus verloren haben?
Wenn ich mir die neue Regelmäßigkeit an Gebetszeiten anschaue, merke ich, dass es doch etwas an Ordnung im Tag braucht. Einmal stehe ich um fünf Uhr auf, dann um sechs, und frage mich oft, wann ich zum Beten komme. Jetzt habe ich eine Ordnung, und das hilft mir sehr, meinen Tag gut zu gestalten. Den Rosenkranz beten, ein Tischgebet bewusster sprechen - all das kommt mir neu ins Bewusstsein. Und auch, dass jedes Essen ein Geschenk ist - und nicht bloße Nahrungsaufnahme.

Wie sehr schmerzt es Sie, dass diese Osterfeierlichkeiten unter sehr ungünstigen Vorzeichen stattfinden?
Uns ist Wesentliches an der Art und Weise, wie wir unseren Glauben verstehen und leben, genommen. Auch ich hätte den Palmsonntag, den Gründonnerstag usw. lieber in einer vollen Domkirche gefeiert. Dennoch war es in der Kirchengeschichte immer so, dass man unter den gegebenen Umständen gefeiert hat. Priester haben mir erzählt, dass sie es schön gefunden haben, wenn Familien miteinander gebetet, den Palmsonntag zuhause gefeiert haben.

Wie beurteilen Sie die Corona-Maßnahmen der Bundesregierung?
Ich möchte Danke sagen, dass die Bundesregierung versucht, mit aller gebotenen Achtung der Würde des Menschen mit dieser Krise umzugehen. Wir als Kirche haben durch unsere Art und Weise, wie wir das mitgetragen haben, einen Gutteil zum Gelingen beigetragen.

Wie werden Sie den heutigen Ostersonntag verbringen?
Zuerst mache ich mir das Frühstück mit einem Osterei, dann bin ich im Grazer Dom. Danach schaue ich, wie ich zu einem Mittagessen komme, und dann werde ich wahrscheinlich gegen Abend nach Mariazell pilgern, weil ich dort am Montag auch im Auftrag der Bischöfe eine Gebetsandacht am Abend halten werde.

Das Interview führten Oliver Pokorny und Gerald Schwaiger.

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