Organ gezüchtet

Österreicher setzte Ratte Kunst-Lunge ein – Tier atmete

Wissenschaft
14.07.2010 16:50
Die Konstruktion einer biologischen Kunst-Lunge ist dem aus Österreich stammenden Chirurgen Harald Ott von der Harvard Medical School in Boston in den USA gelungen. Die bioartifiziellen Organe wurden in Ratten transplantiert, wo sie bis zu sechs Stunden funktionierten.

Die Wissenschaftler nutzten dabei ein von Ott entwickeltes Verfahren, bei dem alle Zellen einer Lunge einer toten Ratte ausgewaschen wurden, bis nur noch das Grundgerüst übrig war. Dieses wurde dann mit frischen fötalen Lungen-Zellen wiederbesiedelt, wie das Team in der Wissenschaftszeitschrift "Nature Medicine" berichtet.

Bereits vor zwei Jahren Herzen "gezüchtet"
Bereits vor zwei Jahren hatte Ott mit seinem Verfahren zur Herstellung biologischer Kunst-Organe Aufmerksamkeit erregt. Damals baute der Wissenschaftler Rattenherzen in einem Bioreaktor nach und brachte diese wieder zum Schlagen. Eine Transplantation in lebende Tiere war damals allerdings nicht möglich, die Pumpleistung des Retorten-Herzens betrug "nur" zwei Prozent jener eines erwachsenen Organs. Ziel der damaligen Versuche war primär zu zeigen, dass sich das von Ott entwickelte Verfahren grundsätzlich zur Herstellung von künstlichen Organen eignet.

Für die biologischen Kunst-Lungen bzw. -Herzen verwenden die Forscher Organe ausgewachsener Ratten, die sie mit einem speziellen Dezellularisierungs-Verfahren regelrecht auswaschen und dabei von allen Herz- bzw. Lungenzellen befreien. Übrig bleibt nur noch ein Gerüst aus sogenannter extrazellulärer Matrix (ECM). Diese ist, wie Ott im Labor und im Tierversuch festgestellt hat, in hohem Maße biokompatibel - das heißt, es gibt keinen Hinweis auf Abstoßungsreaktionen.

Funktionstüchtiges Organ wächst in fünf Tagen
Die ECM wird dann in einem Bio-Reaktor mit frischen Zellen des betreffenden Organs wieder besiedelt. Bei den Lungenversuchen wurden dafür zuerst humane Lungentumorzellen, dann Lungenzellen von Ratten-Föten verwendet, wobei Letztere noch nicht fertig ausdifferenziert waren. Innerhalb von fünf bis neun Tagen wuchsen die Zellen entlang der Matrix zu einem funktionsfähigen Organ heran. So unterschied sich etwa die Zahl und Größe der Lungenbläschen nicht von natürlichen Lungen, wie Ott in "Nature" schreibt.

Aber nicht nur im Bio-Reaktor funktionierte das Kunst-Organ, auch im lebenden Tier. Die Wissenschaftler ersetzten bei Ratten den linken Lungenflügel durch eine bioartifizielle Lunge. Die Tiere konnten damit bis zu sechs Stunden atmen, was in diesem Stadium der Versuche "vielversprechend" sei, wie Ott erklärte. Das transplantierte Organ habe "annähernd so gut funktioniert" wie der natürliche Lungenflügel.

Versuche mit menschlichen Zellen folgen
Als nächstes Ziel peilt der Wissenschaftler eine "ausgefeiltere Zellauswahl" für die Wiederbesiedlung der ECM an. So soll etwa versucht werden, aus adulten Stammzellen von Patienten, die an Zystischer Fibrose (eine genetisch bedingte Stoffwechselerkrankung, die zu zähflüssigem Schleim in der Lunge und in Folge zu schwerer Lungeninsuffizienz führt) leiden, Lungenzellen zu züchten und diese auf der Matrix wachsen zu lassen. "Die Frage ist, wie reif Zellen sein müssen, dass sie an der Matrix zu einem funktionierenden Organ heranwachsen", so Ott. Zudem soll das Dezellularisierungs-Verfahren auch bei Lungen von Schweinen und verstorbenen Menschen erprobt werden.

Hoffnungen für die weltweit rund 50 Millionen Menschen, die mit einer chronischen Lungenerkrankung im Endstadium leben, und deren einzige Chance eine Lungentransplantation wäre, dämpft der Wissenschaftler. "Noch ist es zu früh für klinische Studien", sagte Ott. Doch die Wissenschaft arbeite fieberhaft an dieser neuen Möglichkeit für den Organersatz und auch das Interesse der Industrie sei massiv gestiegen.

So stehen nicht nur Lunge und Herzen, sondern auch andere Organe im Mittelpunkt des wissenschaftlichen Interesses. Vor wenigen Monaten publizierte laut Ott eine ebenfalls aus Boston stammende Gruppe gute Resultate mit einer bioartifiziellen Kunst-Leber. Ein weiteres Projekt widme sich der - Insulin-produzierenden - Bauchspeicheldrüse.

Gewebe-Züchtung gewinnt an Bedeutung
Wie nahe "Tissue Engineering", also die Züchtung von bestimmten Geweben, an der Anwendung ist, zeigt das Beispiel spanischer Ärzte: Sie hatten Ende 2008 einer Frau, deren linker Hauptbronchus - die Verbindung zwischen Luftröhre und Lungenflügel - irreparabel geschädigt war, aus Spendermaterial und Zellen der Patientin eine neue Bronchie "gezüchtet" und eingesetzt. Ott schätzt, dass in den nächsten fünf bis zehn Jahren immer mehr derartige Anwendungen erfolgen werden, "schrittweise wird sich die Komplexität in Richtung kompletter Organe erhöhen".

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