City4U fragt nach:

Kann Klima-Angst zu psychischer Erkrankung werden?

Der menschgemachte Klimawandel befindet sich in vollem Gang. Wissenschaftliche Studien beweisen nicht nur das, sondern auch, dass er schneller voranschreitet als befürchtet. Wenn sich nicht bald etwas ändert, werden die Auswirkungen eine Katastrophe gleichkommen. Das kann bei vielen Menschen große Angst auslösen, so sehr, dass diese den Alltag bestimmen kann. City4U hat bei den Wiener Psychologen Laura Stoiber und Johannes Lanzinger nachgefragt, ob sich die Angst vor dem Klimawandel zu einer psyischen Erkrankung entwickeln kann.

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„Angst ist ein wichtiger und sinnvoller Mechanismus. Er macht uns auf potenzielle Gefahren aufmerksam und bereitet uns darauf vor. Insofern ist die ,Klima-Hysterie‘, welche Kritiker Aktivisten wie Greta Thunberg vorwerfen, extrem wichtig und sinnvoll. Nur wenn eine Gefahr ernst genommen wird, kann man adäquat darauf reagieren“, erklärt Johannes Lanzinger, klinischer und Gesundheitspsychologe im Phobius - Phobie Zentrum Wien. Zum Problem wird Angst jedoch, wenn sie ein gesundes Maß übersteigt.

Digitale Dauerbeschallung stresst Psyche
Das kann laut der Psychologin Laura Stoiber auch bei der starken Beschäftigung mit dem Thema Klimawandel entstehen. „Die Medien können diese Angst oft noch verstärken, weil die Informationen von Betroffenen sehr selektiv aufgenommen und oftmals negativ interpretiert werden. Eine Klimaangst als eigenständige Diagnose gibt es aber nicht“, betont die Psychologin. Vor allem generell ängstliche Menschen und jene, die viel Zeit in den sozialen Medien verbringen, sind besonders gefährdet. „Die digitale Dauerbeschallung aus vielen verschiedenen Kanälen stressen unseren Körper sowie die Psyche. Die Auswirkungen können in manchen Fällen sogar stärker sein, als wenn man selbst bei einem schrecklichen Ereignis vor Ort wäre.“ Die britische Royal Society for Public Health fand im Rahmen einer Studie heraus, dass soziale Medien die Ängste von (jungen) Menschen verstärken.

Es wird immer wärmer
Die Klimaangst ist eine nachvollziehbare Reaktion auf eine reale Gefahr. Das zeigt vor allem das vergangene Jahr: Der Sommer zählt zu dem zweitheißesten in der 253-jährigen Messgeschichte. Die Temperatur lag 2,7 Grad Celsius über dem Mittel. Der Herbst war um 1,5 Grad Celsius wärmer als gewöhnlich, ebenso der Dezember (2,4 Grad Celsius). Generell wurde 2019 zu einem der drei wärmsten Jahre in der Messgeschichte „gekürt“. Die 14 wärmsten Jahre gab es in der jüngeren Vergangenheit.
Wenn diese Angst aber so viel Raum einnimmt dass sie zu Einschränkungen im Leben führt ist es wichtig sich aktiv mit der Angst auseinanderzusetzen. „Ein Konzept bei der Behandlung von Angststörungen ist das ,zu Ende denken‘. Was würde wirklich passieren - Wasserknappheit, Hungersnöte, Naturkatastrophen - und was kann ich dagegen tunbzw. wie kann ich mit den negativen Auswirkungen umgehen. Damit wird das Problem greifbar und somit auch lösbar“, rät Johannes Lanzinger.
„Angst kann ja auch ein Anstoß zu einer nachhaltigen Veränderung geben. Man kann mit kleinen Schritten etwas beitragen, indem man mit dem Rad anstatt dem Auto fährt und das Bio-Gemüse statt dem Billigfleisch kauft. Das signalisiert dem Gehirn, das man selbst etwas bewirken kann und das führt wiederum zu einer Verringerung der Hoffnungslosigkeit und des Ohnmachtsgefühls“, beschreibt Laura Stoiber.

Gibt es eine Klima-Hysterie?
„Ich finde das Wort Klima-Hysterie nicht angemessen, da eine Hysterie ein abwertender Begriff für Angst ist. Die Angst vor den Auswirkungen der Klimakrise ist aber real, wie uns zahlreiche Forschungsergebnisse und wissenschaftliche Prognosen für die Zukunft zeigen“, betont die Psychologin und ergänzt: „Es ist wichtig, sich bewusst zu machen, dass die Angst vor dem Klimawandel nicht krankhaft ist, sondern eine logische Reaktion auf diese schwer einzuschätzende Gefahr.“ Dem stimmt auch Johannes Lanzinger zu: „Das Wort Hysterie unterstellt, dass es mehr um einen überhöhten Geltungsdrang als um die Sache an sich geht. Die Gefahren der Klimaerwärmung sind aber real. Man könnte eher den Klimawandel-Leugnern einen maladaptiven Umgang mit Ängsten attestieren, weil diese etablierte wissenschaftliche Kenntnisse leugnen, an Verschwörungstheorien glauben und damit die Auseinandersetzung mit den sehr realen Auswirkungen der Klimaerwärmung vermeiden.“

Jänner 2020

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