Schauspielhaus Graz:

Dieser „Jedermann“ schillert sehr gegenwärtig

Steiermark
15.11.2019 20:00

Je-der-mann!!! Es ist der Klassiker der Salzburger Festspiele schlechthin, den der steirische Dramatiker Ferdinand Schmalz rigoros und grandios in die Gegenwart holt: „jedermann (stirbt)“ wurde 2018 am Burgtheater uraufgeführt und ist in der Regie von Daniel Foerster am Schauspielhaus erstmals in Graz zu sehen.

„Auch wenn wir stolpern, tanzen wir.“ In einem coolen Video-Spot nähern sich die Figuren der Bühne, ehe sie diese in einer lässigen Choreografie betreten. Alles ist Inszenierung in dieser neuen Variante des „Jedermann“-Stoffes, für die Schmalz bereits vielfach ausgezeichnet wurde. Jedermann ist ein gelackter Business-Typ, der in seiner kühlen Hochglanzwelt (Kostüme und Bühne: Lydia Huller und Mariam Haas) sitzt und wieder einmal was zu feiern hat. Sein Geld vermehrt sich quasi von selbst, ein frivoler Lebensstil ist da schon fast selbstverständlich.

Im Garten Eden
An der glänzenden Laune im Garten Eden kann vorerst auch die Ankunft von „Armer Nachbar Gott“ und „Buhlschaft Tod“ nichts ändern. Denn an Gott oder das Jenseits glauben Jedermann und die „Gute Gesellschaft“ schon lange nicht mehr. Und die „guten Werte“, die Hoffmannstal noch heraufbeschworen hat, sind längst einer „Charity“-Mentalität gewichen, bei der sich sogar die Barmherzigkeit mit steuerlichen Vorteilen ausschlachten lässt.

In dieser Welt ist sich jeder selbst der Nächste. Doch schon früh wird Jedermann gewarnt: „Wenn man an gar nichts glaubt, außer an sich selbst, dann tut der Tod halt höllisch weh.“ Und so nähert sich das Ende mit großen Schritten und bringt alles andere als das Seelenheil mit sich. Vielmehr wird Jedermann zum Opferlamm, das herhalten muss, damit das System, das ihn geboren hat, weiterleben kann.

Grandioser Wortwitz
Mit grandiosem Wortwitz hat Schmalz den „Jedermann“ vom Mief der katholischen Moral befreit und ihn mit großer gesellschaftspolitischer Brisanz neu geladen. Die Hofmann’schen Figuren hat er dafür aus ihrem allegorischen Rahmen gelöst und mit Bezug auf die turbo-kapitalistische Gegenwart neu zusammengesetzt.

Daniel Foerster geht in seiner Inszenierung noch einen Schritt weiter und hebt für diese Mischwesen auch die Geschlechtergrenzen auf: Jede/r Darsteller/in muss seine Figuren in die gleichen unbequemen Glamour-Outfits pressen - alles ist schillernde Oberfläche!

Tolles Ensemble
Raphael Muff ist über weite Strecken ein entspannt-überheblicher Jedermann, der sich weder von den Predigen des „Armen Nachbarn Gott“ (Henriette Blumenau) noch von seiner Frau (Evamaria Salcher) aus dem Konzept bringen lässt. Im Vergleich zu seinen nervösen Vettern (großartig: Nico Link und Jan Frederik Hofmann) weiß er auch, dass er nicht um finanziellen Nachschub zittern muss. Erst als ihm die „Buhlschaft Tod“ (wunderbar abgebrüht: Lukas Walcher) immer näher rückt, wird sich Muffs Jedermann doch noch seiner moralischen Leere gewahr - zumindest in Ansätzen.

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