"Zweites Kommod"

Bürgerinitiative kämpft gegen Hofabriss in Graz

Steiermark
03.06.2010 13:15
"Immobilienentwickler verschandeln die Stadt!" – eine Bürgerinitiative kämpft gegen den Abriss eines alten Wirtschaftshofes im Grazer Bezirk Jakomini. Vergebens. Die Behörden haben längst grünes Licht gegeben, das Haus aus dem 17. Jahrhundert wird schon demnächst einem Wohnbauprojekt Platz machen müssen.

"Es ist eine Oase in einem zubetonierten Grätzl", meint Sarah Andersson (im Bild), Sprecherin der Bürgerinitiative, "umzingelt von trostlos-grauen Wohnsilos aus den 60er-Jahren". 500 Grazer haben die Petition zur Erhaltung des alten Hofes unterzeichnet. Doch der Aufschrei kommt zu spät. Die Abrissbirne holt bereits zum Schwung aus.

Zum Spekulationsobjekt verkommen
"Es ist ein Haus mit Geschichte", sagt Andersson. Im Laufe der Jahrhunderte waren darin nicht nur eine Landwirtschaft und eine Dampffärberei, sondern ab 1888 auch die erste Fahrradschule der Stadt untergebracht. Seit 15 Jahren steht das Haus nun leer. "Verkam", wie Anderson es nennt, "zum Spekulationsobjekt." Die SOB, ein Bauträger aus Leoben, hat die Liegenschaft erworben, wird das Haus schleifen und an dessen Stelle ein sechsgeschossiges Wohnhaus errichten. "Ein emotionsloser 08/15-Bau", findet Andersson.

"Bausubstanz in schlechtem Zustand"
Schützenhilfe seitens des Denkmalschutzes blieb der Bürgerinitiative versagt. "Die zahlreichen Veränderungen, die das Haus im Laufe der Zeit erfuhr, und die Tatsache, dass sich die verbliebene barocke Bausubstanz in einem schlechten Erhaltungszustand befindet", sei ausschlaggebend dafür, das Haus nicht unter Denkmalschutz zu stellen, lautete die ernüchternde Stellungnahme des Landeskonservators.

Für Andersson ist das nicht nachvollziehbar. Immerhin sei das Gebäude durch die Haager Konvention geschützt. Oder zumindest einmal gewesen. Denn das weiß-blaue Schild, das das Objekt als schützenswertes Kulturgut auswies, sei vor einiger Zeit abmontiert worden. "Es war plötzlich verschwunden", sagt Andersson. Das bestätigen auch die Anrainer.

"Die Liegenschaft befindet sich gerade nicht mehr in der Schutzzone", erklärt Richard Mayr von der Altstadtsachverständigenkommission (ASVK). "Das Altstadterhaltungsgesetz gilt daher nicht." Würde das Haus nur einen Straßenzug weiter östlich liegen, "wäre mit Widerstand der ASVK zu rechnen", lässt Mayr durchblicken. Bitter...

Stadt hat "nichts gelernt"
"Ich dachte, Graz hätte aus dem 'Sündenfall Kommodhaus' gelernt", ärgert sich Andersson. Aufgeben kommt für sie trotzdem nicht in Frage. Sie appelliert an die "Politiker dieser Stadt", einen "Ausweg aus diesem Dilemma" zu finden. "Geschichtsträchtige Gebäude wie dieses muss man erhalten. Was bleibt sonst vom alten Graz übrig?"

von Ernst Gabenwarter, "Steirerkrone"

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