Martin Grubinger

Das Recht auf volle Transparenz

Salzburg
15.09.2019 17:32

Erscheinen oder nicht erscheinen? Die aktuelle Ausgabe der Kolumne „Schlagfertig“ von Weltklasse-Musiker Martin Grubinger bereitete Chefredakteur Claus Pándi Kopfzerbrechen. Warum er sich am Ende, getreu dem Krone-Motto „Mut, Haltung, Unabhängigkeit“, für die Publizierung entschied, verrät er in seiner eigenen Kolumne - der „Hausmitteilung“.

HAUSMITTEILUNG
von Claus Pándi

Samstagnacht. Um 3.08 Uhr bekomme ich von Martin Grubinger eine Nachricht auf das Mobiltelefon. „Ich bin mit meiner Kolumne fertig. Vermutlich wirst du mit mir darüber reden wollen“, schreibt er.

Solche Vorwarnungen sind rar. Und wenn es sie doch gibt, kommen sie selten grundlos. So auch in diesem Fall. Ich hatte tatsächlich Redebedarf. Grubingers aktuelle Kolumne ist durchaus problematisch. Die Auflistung von Rechnungen, die dem „Falter“ aus unbekannter Quelle zugespielt wurden, ist insgesamt ein wenig dubios. Zudem wird hier mit Material agiert, das dem politischen Klima nicht gut tut. Es hat etwas von hämischer Schadenfreude darüber, dass man dem Favoriten des vergangenen und des aktuellen Wahlkampfs etwas anhängen kann.

Insgesamt sind das keine Fragen oder Themen, die unser Land weiterbringen.

Nach einem längeren frühmorgendlichen Telefonat mit Martin Grubinger, der eben einen Konzertauftritt in Bremen hinter sich hatte, war klar, dass sich der Weltklassemusiker und Starkolumnist durch keine Argumente von seinem Text abbringen lässt. Es gehe ihm nicht um irgendwelche Bezichtigungen, sondern um die Glaubwürdigkeit des ehemaligen und wohl auch künftigen Kanzlers.

So wie es auch andere Kolumnen in der „Krone“ gab und gibt, die nicht unbedingt meine persönliche Meinung widergeben, erscheint nun auch auf dieser Seite Grubingers Sicht auf die Spesen-Debatte um die türkise ÖVP.

Das macht nun einmal die Bandbreite und den Erfolg der „Krone“ aus. Unabhängigkeit bedeutet für uns weitgehende Selbstbestimmung und die Fähigkeit zur Toleranz, soweit die Grenzen des Rechts und der Moral nicht überschritten werden. Unabhängigkeit darf nicht mit meinungsloser Objektivität verwechselt werden. Objektivität ist ein Ziel, aber sie bleibt letztlich auch eine Illusion. Keiner von uns ist objektiv. Die Möglichkeit eines absolut neutralen Standpunkts mag oder muss dabei ein anzustrebendes Ideal bleiben. Das konstruktive Zusammenleben in einer Gesellschaft wird aber am besten dadurch gewährleistet, dass man die Perspektive des anderen respektiert oder zumindest für möglich hält.

Wegen dieser Grundsätze erscheint nun die Kolumne von Martin Grubinger, der die Duldsamkeit manchmal ziemlich arg strapaziert. Aber genau so sollte es sein, wenn wir in der Echokammer nicht immer nur unsere eigene Stimme hören wollen.

SCHLAGFERTIG
von Martin Grubinger

Heute gibt es hier erstmals keine Meinung sondern Fakten, die nachprüfbar sind und das Mantra „Wir sparen im System“ des vormaligen Kanzlers Sebastian Kurz einigermaßen in Frage stellen.

Sommerfest 2018 um 160.000 Euro, monatliches Honorar für den engsten Berater um 33.000 Euro, Privatjetflug nach Rom um 7700 Euro, Party „100 Tage Regierung Kurz“ 26.000 Euro, Maroni und Bratkartoffel zu Weihnachten für 70.000 Euro, Do&Co-Buffets der blauen und türkisen Regierungsverhandler schlagen mit 70.000 Euro zu Buche, Make-up und Haar-Pflege des Exkanzlers für 300 bis 600 Euro.

Alle Zahlen sind dem Bericht „Schulden, Spenden, Spesen“ der Wiener Stadtzeitung „Falter“ entnommen. Von der ÖVP werden nun juristische Schritte in dieser Angelegenheit eingeleitet. Den Zahlen ist bisher allerdings nicht widersprochen worden.

Warum ist diese Veröffentlichung für uns als Wähler relevant? Weil die türkise ÖVP des Sebastian Kurz seit langer Zeit mit der Erzählung von der eigenen Sparsamkeit hausieren geht. Während man teure Partys feierte, ließ man uns Bürgern durch die freiheitliche Sozialministerin unwidersprochen ausrichten, dass man mit 150 Euro im Monat das Auslangen finden könne. Während bei Alleinerzieherinnen, Langzeitarbeitslosen und Kindern gespart wurde, gab es eine Vervielfachung des Personals in den Ministerbüros, um den eigenen Glanz in Amt und Staat zu betonen.

Selfies aus der Economy Class, Ankündigungen von Selbstlosigkeit, man werde jetzt ein paar Monate ohne Gehalt den Wahlkampf machen (während gleichzeitig der Steuerzahler Herrn Kurz in den vergangenen Jahren ein Gehalt in Millionenhöhe ausgezahlt hatte) und dann diese Veröffentlichung. Klar, damit Schein und Sein zusammenpassen, muss Geld verprasst werden. Da dies mehrheitlich mit Steuergeldern passiert, haben wir Wählerinnen und Wähler ein Anrecht auf volle Transparenz. Eine Partei, die dieser Forderung nachkommt, sind die Neos. Andere sollten sich das zum Vorbild nehmen.

Die Zeit der Intransparenz ist vorbei und völlig aus der Zeit gefallen. Meist kommt dann der Verweis, dass ja andere Politiker, die mittlerweile nicht mehr in der Politik tätig sind, auch auf großem Fuß gelebt hätten. Das kann natürlich auch kritisiert werden, aber es ist heute völlig irrelevant, da diese Damen und Herren nicht mehr Politik machen und politische Sippenhaftung für nachfolgende Politikerinnen und Politiker wohl gar nicht sein kann. Dabei kommt es auch nicht auf die Parteizugehörigkeit an. Jeder ist in seinem Tun und Handeln einzeln zu bewerten.

Sicher ist: Das Wort Sparsamkeit und Sebastian Kurz passen nicht mehr zusammen. Es ist diese Dreistigkeit, uns regelmäßig die eigene Brillanz, Seriosität und Sparsamkeit vorgaukeln zu wollen und gleichzeitig eine ganz andere Realität zu leben. Wenn diese Leute offen mit ihren kulinarischen und sonstigen Vorlieben auf Kosten der Allgemeinheit umgehen würden, wären die obenstehenden Ausgaben keine Meldung wert und wir wüssten, woran wir sind. Wasser predigen und Wein trinken, geht aber gar nicht. Und das gilt für alle, die im öffentlichen Dienst aktiv sind.

Als Universitätsprofessor zähle ich mich dazu und stehe also in der Pflicht. Ich nütze daher meine bescheidenen Mittel, um hier an prominenter Stelle nun meine sehr persönliche Sicht auf diese Vorgänge darzustellen.

Bleibt zu hoffen, dass sich etwas ändert. Kurz und Norbert Hofer haben in ihrem kuscheligen TV-Duell auf ORF 2 gezeigt, dass uns wohl wieder Türkis-Blau bevorstehen könnte. Die nächsten 140.000 Euro für das Catering der Regierungsverhandler wären also demnächst fällig.

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