Mit ihrem Grunge-beeinflussten Nu Metal und Hard Rock eroberten Godsmack rund ums Millennium nicht nur die Charts, sondern auch die Herzen aller Rock-Fans. In den USA zu einer der größten Bands des Genres aufgestiegen, waren sie in Europa meist zu selten unterwegs. Mit Sänger Sully Erna und Drummer Shannon Larkin sprachen wir über Freundschaft, Stabilität, das neue Album „When Legends Rise“ und die Zukunft der Rockmusik.
„Krone“: Sully, Shannon - eure Shows in Europa waren fast durchwegs restlos ausverkauft. Viele sehen euch in erster Linie stes als eine klassisch amerikanische Band, euer Erfolg in Europa beweist aber immer wieder aufs Neue das Gegenteil.
Sully Erna: Wir haben in den USA viel mehr getourt, aber das wollen wir gerade ändern. Die Balance muss stimmen, aber Europa steht prinzipiell viel öfter auf der Landkarte. Nächstes Jahr haben wir vor, insgesamt noch dreimal durch euren Kontinent zu fahren.
Shannon Larkin: Es kamen auch oft blöde Sachen dazwischen. Entweder private Tragödien oder wir hatten zwischendurch einfach mal Pech. Wir wollen Europa auch keine besondere Aufmerksamkeit vermitteln im Vergleich zu anderen Gebieten, aber es sollte uns jeder ausreichend oft sehen können.
Stichwort Tragödien. Angesetzt war eure Wien-Arena-Show für letzten Herbst, nachdem aber der Sohn eures Gitarristen Tony Rombola verstarb, habt ihr kurzerhand alles abgesagt. Ein sehr fairer und menschlicher Zug, wie man ihn nicht bei allen Bands bemerkt.
Erna: Natürlich bringt uns das näher, aber die Band ist dann auch nebensächlich. Wir haben eine tolle Crew, wunderbare Familien und Freunde und jeder, der ein Teil von Godsmack ist, ist ein guter Freund. Wir hängen auch gerne mit den Leuten zusammen und sind keine dieser Bands, die sich vor dem Personal verschanzen. Für uns ist einfach alles zusammengerechnet eine große Familie und wenn irgendjemanden etwas passiert, hat das Vorrang. Da kommen dann die wahren Farben bei uns hervor. Wenn jemand ein Problem hat oder etwas Tragisches erlebt, dann muss die Musik eben auch mal hintenangestellt werden. Familie und Freunde sind wichtiger als eine Karriere. Tony meinte, wir könnten uns ja einen Sessiongitarrist suchen, der die Tour beendet, aber das käme niemals in Frage. Wir machten weiter, als er wieder fit war. Er ist einer von uns.
Habt ihr das über die Jahre gelernt, dass der Mensch wichtiger ist als die Band selbst? Gerade bei jungen, motivierten Musikern sieht man oft, dass sie der Karriere alles opfern.
Larkin: Wie alle anderen Menschen auf dieser Welt sind wir durch viele Höhen und Tiefen gegangen. Man kennt das, dass man schnell zwischen großer Liebe und dunklen Wolken pendelt. Ich bin seit knapp 18 Jahren Teil der Band und von meiner Warte aus sind wir uns jetzt näher als je zuvor. Wenn es um die Band und ihre Ziele geht, dann wird aus vier Einzelpersonen eine geballte Kraft, die an einem Strang zieht.
Euer aktuelles Album „When Legends Rise“ war einmal mehr wahnsinnig erfolgreich. Mitunter vielleicht auch deshalb, weil ihr für mehr eingängige Momente gesorgt habt und die Aggressivität der Songs zurückgeschraubt wurde. Ist das der Beginn der zukünftigen Godsmack-Ausrichtung?
Erna: Für uns war das Album wie ein Neubeginn, etwas ganz Frisches. Das ganze Album dreht sich grob um das Thema Wiedergeburt und wir alle sind persönlich und auch gemeinschaftlich durch viele Änderungen in unserem Leben gegangen. Es ist schwer zu sagen, wie es bei uns weitergeht, aber wir glauben fest daran, dass wir eine ganz neue Karriere starten. Je älter wir werden, umso erwachsener werden wir und umso weniger aggressive Jugendliche sind wir heute. Wir sind für vieles dankbar und der Stil der Musik im Generellen hat sich bei uns verändert. Wie gesagt - ich will nichts versprechen, weil ich dann wieder darauf festgenagelt werde, aber mein Bauchgefühl sagt mir, dass wir nach diesen Erfolgen und unserem Stand im Leben diese Art von Sound weiterziehen werden. Er steht für den Moment, in dem wir uns in unseren Leben befinden. Je älter wir werden, umso stärker finden wir zurück zu unseren musikalischen Wurzeln. Dem Blues, dem Rock’n’Roll, Aerosmith, Led Zeppelin und anderen Bands, die uns als Kids beeindruckten. Wir wollen einfach großartige Songs schreiben und nicht darüber nachdenken, wie hart einer klingt oder wer sich daran stoßen könnte. Songs wie „Bulletproof“ oder „Under Your Scars“ haben gezeigt, dass diese neue Ausrichtung auch gut angenommen wird.
Gerade der US-Markt ist derzeit von Rap und Hip-Hop durchtränkt. Hat Godsmack allgemein gesehen eine weitaus wichtigere Rolle, um den traditionellen Rock und die Gitarrenmusik wieder nach vorne zu bringen?
Larkin: Wir machen das Beste, was uns möglich ist. Wie oft wurde in den letzten 50 Jahren gesagt, dass der Rock tot ist?
Darum geht es mir nicht, denn dass er nicht tot ist, beweist nicht zuletzt der wirklich vitale Underground. Aber der Rock tut sich zunehmend schwer, mit Hip-Hop mitzuhalten. Seht ihr euch dahingehend in der Verantwortung, aktiv dagegen einzuschreiten?
Larkin: Wir sind jetzt nicht die großen Retter eines Genres, machen aber immer alles, was uns möglich ist. Sully ist wirklich wahnhaft und konzentriert sich in seinem Leben so gut es geht auf das Songwriting und die Musik. Ich weiß, dass ich mich wiederhole, aber so sieht die Wahrheit aus. Wir haben schon vor einigen Jahren beschlossen, dass wir nicht das Rad neu erfinden, sondern einfach den Rock’n’Roll würdig vertreten wollen. Wir wollen natürlich immer wachsen und uns verbessern, aber mehr als unser Bestes geben können wir auch nicht.
Erna: Es wäre von uns ziemlich eingebildet zu sagen, wir können den Rock mit anderen Bands in den USA wieder an die Spitze bringen. Hip-Hop und Pop dominieren schon seit langer Zeit die Charts und es gibt glücklicherweise genug Platz für alle anderen Musikstile auf diesem Markt. Wenn du aber solange überlebst wie wir und die Rock-Flagge schwenkst, dann kannst du auch auf das Erreichte mehr als stolz sein. Es liegt auch nur ein Stück weit in deiner Hand, ob du mit einer Rockband überhaupt bei einer Award-Show auftreten und extrem viele Alben verkaufen kannst. Shannon hat immer schon gesagt, dass man für den Erfolg zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort sein muss. Bei manchen Bands mit Hits trifft genau das zu, aber das kannst du nicht steuern. Rockmusik geht in Zirkeln. Er kommt und geht, aber er verschwindet nie. Unser Job ist es, die Musik bestmöglich zu repräsentieren und einfach bereit zu sein, wenn sich die Sterne so verschieben, dass etwas möglich ist. Es gibt natürlich noch Kaliber wie die Foo Fighters, aber wir haben oft genug bewiesen, dass wir eine starke Band mit starken Songs sind, die bereits eine lange Reise überstanden hat. Wir sind nicht nach zwei Alben verschwunden wie viele andere, die mit uns begonnen haben. Darauf sind wir stolz und darauf bauen wir auf. Wir werden solange Musik schreiben, bis uns nichts mehr einfällt oder wir zu müde sind. Wir vier in der Band sind alle sehr diszipliniert. Jeder weiß genau, welche Rolle er ausfüllt und wann der eine oder andere mehr oder weniger Freiraum braucht. Nur wenn man sich selbst gut fühlt, kann man seinen Job gut machen. Wir sind mittlerweile eine extrem gut geölte Maschine.
Der Stolz auf eure Karriere ist ein guter und wichtiger Punkt. Was macht ihr denn anders, als andere? Wie war es euch aus eurer eigenen Sicht heraus möglich, nicht nur so lange zu überleben, sondern auch dermaßen erfolgreich zu sein?
Erna: Du musst dich einfach voll reinhängen und auch demütig genug sein, um dann um Hilfe anzusuchen, wenn du Hilfe benötigst. Wir hatten öfters Zeiten, wo die Band am Strudeln war und wir kurz vor dem Ende standen. Oft ging jeder von uns seines Weges ohne zu wissen, ob wir dann wieder zusammenfinden würden. Ich denke aber, wir haben über die Jahre verstanden, was wir geleistet haben und auch von den Fans zurückbekommen. Man muss die Fähigkeit haben, seine Fehler einzugestehen und diesen Bullshit hinter sich zu lassen. Egoprobleme, Abhängigkeiten oder Kämpfe untereinander gehören vielleicht dazu, aber man darf sie nicht zu persönlich nehmen. Wir haben wirklich viel an uns gearbeitet. Jeder für sich selbst, untereinander oder auch mit externen Therapeuten. Wenn ich mit einem Wort zusammenfassen müsste, wie man sich das Leben möglichst einfach macht, dann mit Kommunikation. Sie ist das A&O. Nur damit kannst du die Probleme lösen oder zumindest aussprechen. Selbst wenn man sich in gewissen Bereichen nicht einig wird oder dem anderen nicht zustimmt, kann man durch offene Kommunikation zumindest sensibler agieren. Es geht darum, die Gefühle des anderen zu respektieren und sinnlose Themen, bei denen man sich ohnehin nie einig wird, auszuklammern.
Larkin: All das stimmt zu 100 Prozent. Wir haben uns bei Godsmack schon einmal eine längere Auszeit gegönnt und konnten dadurch die Band und auch uns selbst wieder mehr schätzen lernen. Für ein gutes Jahr waren wir einmal komplett auseinander und als wir uns dann wieder trafen, haben wir uns menschlich und künstlerisch besser verstanden als je zuvor. Wir haben eingesehen, dass wir seit mehr als 20 Jahren Erfolg haben und man dafür hart arbeiten muss. Ich und auch die anderen Jungs haben über die Jahre mit vielen anderen Bands und Musikern gearbeitet und auch das ist wichtig, um andere Aspekte in dem Business zu sehen. Wenn wir bei unseren kleinen Projekten spielen haben wir Spaß, wissen es aber auch gleichzeitig sehr zu schätzen, wenn wir wieder zur großen Godsmack-Maschinerie zurückkehren. Ich lebe im Hier und Jetzt und genieße das. Eine Band funktioniert gleich wie eine Ehe oder eine Beziehung. Entweder kriegst du es mit Kommunikation hin, oder du musst dich trennen. Wir haben zum Glück einen guten Weg gefunden.
Wenn ihr euren jugendlichen Ichs einen bestimmten Ratschlag mit dem Wissen und der Erfahrung von heute geben könntet - welcher wäre das?
Erna: (lacht) Werde nur ja kein Musiker. Lerne etwas Vernünftiges und werde Arzt oder so. Nur so hast du ein regelmäßiges Einkommen.
Larkin: Es ist in gewisser Weise auch ein Widerspruch in sich. Ich versuche meine Tochter seit jeher so weit wie möglich von der Musikwelt fernzuhalten und bin selbst jemand, der mit 13 ausgerissen ist, sich auf die Musik konzentriert hat und niemals einen richtigen Job hatte. Ich hatte aber auch verdammt viel Glück und war manchmal ziemlich naiv. Das Timing hat oft gepasst und ich war hartnäckig. Ich habe monatelang am Boden eines Freundes geschlafen, weil ich mir nicht einmal ein WG-Zimmer leisten konnte. Damit hat man nicht unbedingt eine Vorbildwirkung, aber wenn dich ein Traum verfolgt, dann lässt du dich auch darauf ein. Wenn sie sich wirklich für das Musikbusiness entscheiden würde, kriegt sie natürlich zu 100 Prozent meine Unterstützung. Ich will das nur nicht zwingend aktiv fördern, weil ich weiß, wie hart es war.
Erna: Shannon und ich haben denselben universellen Glauben, dass man gewisse Dinge planen und manifestieren kann. Wenn du aber jemand bist, der viel meditiert, glaubt oder betet, sag ich dir eines: Wer auch immer Gott sein sollte, er hat das Musikbusiness sicher nicht ganz oben auf seiner Prioritätenliste stehen. (lacht) Denn es dauernd eine verdammt lange Zeit, bis man vom Boden hochkommt und mit viel Glück überhaupt davon leben kann.
Live am Nova Rock
Wer die US-Rocker Godsmack verpasst oder Lust auf einen Nachschlag hat, der hat beim Nova Rock noch einmal die Gelegenheit dazu. Weitere Infos und Karten gibt es unter www.novarock.at.
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