490.000 Euro gefordert

Kuhattacken-Urteil: „Würde Aus für Almen bedeuten“

Tirol
22.02.2019 12:37

Kopfschütteln und Entsetzen ruft das Urteil gegen einen Tiroler Bauern nach einer tödlichen Kuhattacke hervor. Der Landwirt soll 490.000 Euro Schadenersatz zahlen, da eine Urlauberin von seinen Kühen zu Tode getrampelt wurde. Einen Aufschrei gibt es nun von Österreichs Bauern und Touristikern, denn das Urteil gefährde die Almwirtschaft und den Tourismus. „Die Umstände sind tragisch, das Urteil würde aber das Aus für unsere Almen bedeuten“, zeigt sich Bauernbund-Präsident Georg Strasser fassungslos. 

Die dramatischen Szenen hatten sich vor fünf Jahren im Pinnistal abgespielt. Die Urlauberin war mit ihrem Hund auf dem Wanderweg unterwegs, als die Kühe des Landwirts plötzlich auf sie zuliefen und sie attackierten. Laut Obduktionsergebnissen wurde die deutsche Frau zu Tode getrampelt. Die Hinterbliebenen klagten daraufhin auf Schadenersatz. Am Donnerstagabend erging - wie berichtet - das Urteil: Der Bauer soll 490.000 Euro an die Familie zahlen. Die Urteilsbegründung lautete: Der Almbauer hätte das Gebiet, in dem seine Kühe grasten, einzäunen können. Der Bauer geht in Berufung. 

„Verheerende Folgen“
„Dieses Urteil ist eine Katastrophe für die Alm- und Weidewirtschaft, es hat verheerende Auswirkungen bereits für den heurigen Almsommer“, bringt es Tirols Bauernbundobmann und Landeshauptmannstellvertreter Josef Geisler auf den Punkt. In dieselbe Kerbe schlägt der Tiroler Tourismus-Spartenobmann Josef Hackl: „Das Urteil ist eine Farce. Ich hoffe inständig, dass es aufgehoben wird.“ 

„Urteil ruft extreme Ängste hervor“
Tirols Landwirtschaftskammer-Präsident Josef Hechenberger sagte dazu: „Das Urteil ruft unter den Landwirten extreme Ängste und Verunsicherung hervor. Die Bauern fragen mich, ob sie die Kühe noch auf die Alm treiben sollen oder ob sie die Almen komplett sperren sollen.“ Das Urteil sei praxisfremd und gefährde das Miteinander von Tourismus und Almwirtschaft in Tirol. Die Landwirtschaftskammer empfehle nun allen Landwirten, genau zu prüfen, ob das Wandern auf den Weiden weiter möglich sein soll. Im Zweifel müsse man auch darüber nachdenken, Almen zu sperren oder Kühe im Stall zu lassen. Eine weitere Variante wäre, dass Hunde auf Almen in Zukunft nicht mehr geduldet werden, da bisher in jeden Vorfall Hunde verwickelt waren, so Hechenberger.

„Landwirte könnten Wanderern nicht mehr erlauben, ihre Gründe zu überqueren“
Die Auswirkungen auf den Tourismus seien aus heutiger Sicht gar nicht abschätzbar, sagte Wolfgang Kuttnig von der Wirtschaftskammer Kärnten. „Eine Folge daraus könnte sein, dass Landwirte nicht mehr erlauben, dass Wanderer ihre Gründe überqueren. Denn das freie Wegerecht nach dem Forstgesetz gilt für den Wald, nicht aber für freie Weideflächen. Dadurch wären aber sehr viele Wanderziele nicht mehr erreichbar und viele Bergtouren nicht mehr möglich. Von den Auswirkungen auf die Feriengastronomie ganz zu schweigen.“

„Verpflichtende Einzäunung würde Almbauern ruinieren“
Bauernbund-Präsident Georg Strasser sprach eine deutliche Warnung aus: „Eine verpflichtende Einzäunung von Almweiden, aber vor allem Schadenersatzforderungen würded die Almbauern in Zukunft ruinieren.“ Und er fügte hinzu: „Die Weidewirtschaft ist aus Tierschutzgründen erforderlich und Teil vieler heimischer Markenprogramme. Für die Rinder ist die Weidehaltung mit einer Steigerung des Tierwohls verbunden und daher für Betriebe in Berggebieten unerlässlich. Weidehaltung, wie wir sie in Österreich kennen und schätzen, wird es dann nicht mehr geben.“

Die Folgen für Landwirtschaft und Tourismus wären fatal, „denn die Bewegungsfreiheit in der Natur wird weiter eingeschränkt, zum Nachteil von Mensch und Tier“. Josef Moosbrugger, Präsident der Landwirtschaftskammer Österreich, sprach sich in einer Aussendung ebenfalls gegen eine verpflichtende Einzäunung aus. Diese wäre den Bergbauern finanziell nicht zumutbar und brächte vielerorts das Ende der Weidewirtschaft.

„Wir wollen keine amerikanischen Verhältnisse“
Auch über die Höhe der geforderten Schadenersatzsumme herrscht Betroffenheit. „Eine derart hohe Forderung ist für einen einzelnen Bauern existenzzerschmetternd. Unter diesen Verhältnissen können heimische Bauern ihre Hoftore für immer zusperren“, so Strasser, der auf die Eigenverantwortung der Wanderer hinweist und an die Rechtsprechung herantritt: „Wir wollen keine amerikanischen Verhältnisse bei der Haftung. Dass Hunde auf Weiden ein Problem sind, wird seit Jahren kommuniziert. Eigenverantwortung und Hausverstand sollten wieder mehr Einzug halten. Wir brauchen klare Spielregeln, die ein Miteinander auf den Almen gewährleisten.“

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