"Staat als Hehler"?

Merkel will geklaute Daten unbedingt – sogar Kirche dafür

Ausland
01.02.2010 16:29
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat den Fiskus zum Kauf der gestohlenen Bankdaten aus der Schweiz aufgefordert. Es müsse alles versucht werden, um an die von einem Informanten zum Preis von 2,5 Millionen Euro angebotenen Steuersünder-Daten heranzukommen, so die Kanzlerin am Montag. Unterstützung bekommt sie von der Opposition und sogar von der Kirche. Dem Schweizer Vorwurf, Deutschland mache sich zum Hehler, entgegneten etwa die Grünen mit dem Konter-Argument, die Schweiz betreibe durch ihr Bankgeheimnis de facto selbst Hehlerei.

Bedenken - auch in ihrer eigenen Partei - wies Merkel am Montag zurück. Jeder vernünftige Mensch wisse, dass Steuerhinterziehung geahndet werden müsse, betonte die CDU-Chefin. Die Opposition unterstützt Merkels Forderung an das Finanzministerium. SPD, Grüne und Linke erklärten, der Staat dürfe sich die Steuer-Millionen nicht durch die Lappen gehen lassen.

"Wer ist denn der Hehler in dieser Geschichte? Das ist nun mal so, dass die Schweizer Banken mit flüchtigem Geld, mit Diebesgut de facto Hehlerei betreiben", meinte Grünen-Parteichefin Claudia Roth in Richtung der Schweiz. Die Verweigerung einer Zusammenarbeit sei eine Form von Strafvereitelung.

Der Schweizer Wirtschaftsminister Hans-Rudolf Merz entgegnete, der Erwerb gestohlener Daten sei illegal. Damit würden auch die Rechte Schweizer Bankkunden verletzt. Der deutsche Außenminister Guido Westerwelle setzt auf Vermittlung und rief als "ein Freund der Schweiz" das Nachbarland auf, bei der Bekämpfung der Steuerhinterziehung mit der EU zusammenzuarbeiten.

Bankdaten von 1.500 Steuersündern
Ein Informant bietet dem deutschen Fiskus Bankdaten von bis zu 1.500 Deutschen an. Sie sollen Millionensummen an der Steuer vorbei auf Schweizer Konten geschleust haben. Merkel hatte sich zuvor mit Finanzminister Wolfgang Schäuble über ihr Vorgehen abgestimmt. Die Schweizer Regierung hatte Berlin gewarnt, ein Erwerb der Daten könne das Verhältnis beider Länder erschüttern.

Das Finanzministerium erklärte, man wolle sich bei der Entscheidung auf der Linie der Liechtenstein-Steueraffäre bewegen. Anfang 2008 hatte der damalige Finanzminister Peer Steinbrück zusammen mit den zuständigen Ländern grünes Licht gegeben, dass für bis zu 5 Millionen Euro gestohlene Daten zu deutschen Steuersündern im Fürstentum Liechtenstein über den Geheimdienst BND gekauft wurden. Auch der frühere Deutsche-Post-Chef Klaus Zumwinkel flog dabei als Steuerhinterzieher auf.

Behörden prüfen erste Stichproben
Berichten zufolge prüfen derzeit die Steuerbehörden in Nordrhein-Westfalen gemeinsam mit den Experten der Bundesregierung die Rechtslage. Eine erste Stichprobe des Materials soll fünf Verdächtige als Steuersünder überführt haben, die jeweils etwa eine Million Euro Steuern nachzahlen müssten. Insgesamt könnte dem Staat ein Steuersegen von etwa 100 Millionen Euro winken.

Die Schweiz hatte sich mit ihren Großbanken erst kürzlich auf internationalen Druck bereit erklärt, in Steuerermittlungen mit dem Ausland stärker zu kooperieren. Daraufhin wurde die Schweiz von der Grauen Liste der Industriestaaten OECD gestrichen.

Bischof hält Ankauf der Daten für angemessen
Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg hatte den Kauf der Datensammlung abgelehnt: "Ich persönlich habe ein Problem damit." Auch Unions-Fraktionschef Volker Kauder sagte Nein: "Diebstahl bleibt Diebstahl. Mit Dieben sollte sich der Staat nicht gemein machen." Der Hamburger Weihbischof Hans-Jochen Jaschke hält den Ankauf der Daten indes für angemessen. Der Staat sei verpflichtet, Schaden von der Gesellschaft abzuwenden. "Wer die Gemeinschaft bewusst schädigt, der begeht aus christlicher Sicht eine Sünde", sagte Jaschke der "Bild"-Zeitung. Auch der Chef der Gewerkschaft der Polizei, Konrad Freiberg, ist dafür. Es könne nicht sein, dass Steuersünder auf Kosten der Gesellschaft lebten und dann häufig noch so täten, als ob sie moralisch im Recht seien.

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