„Ich war gutgläubig“

Pensionierter Postbeamter als Terrorist: Urteil!

Wien
22.11.2018 16:56

Er ist ein 59 Jahre alter pensionierter Postbeamter - und musste sich am Donnerstag als mutmaßlicher Terrorist vor Geschworenen in Wien verantworten. Der Mann hatte im Zuge eines Türkei-Urlaubs ein - wie er sagt - „religiöses Erweckungserlebnis“, wandte sich fortan dem Islam zu, warb mit seinen Internetauftritten unter anderem für das Terror-Netzwerk Al-Kaida und rief zu Spenden im Kampf gegen Ungläubige auf. Zweieinhalb Jahre muss der bis dato Unbescholtene nun hinter Gittern verbringen.

Im Zuge des Urlaubs habe ihn besagtes Erweckungserlebnis ereilt, wie der Angeklagte vor Gericht angab. Beim Betreten einer Moschee wenig später habe er dann „das Gefühl gehabt, ich bin zu Hause“, habe auch erstmals ein Gebet gesprochen. Nach seiner Rückkehr in die Bundeshauptstadt nannte sich der waschechte Österreicher ab diesem Zeitpunkt Erkan Said und besuchte in der Folge mehrere Moscheen, sprach mit Imamen oder „Gelehrten des Islam“ und fand auch via Internet „zum Glauben“, so der 59-Jährige.

„Allah möge euch richten“
Anfang 2018 wanderte er in U-Haft, nachdem er dem Sprecher der Initiative Liberaler Muslime Österreich (ILMÖ), Amer Albayati, ein Mail geschrieben und der Verfassungsschutz aufgrund dessen gegen ihn Ermittlungen aufgenommen hatte. In dem Mail hieß es unter anderem, „Allah möge euch richten“, weil sich die ILMÖ gegen das Kopftuch-Gebot ausgesprochen hatte. Albayati fasste das als Todesdrohung auf, was der Angeklagte und sein Verteidiger Christian Werner nicht gelten ließen.

„Unsere Gelehrten haben eine Kleidungsvorschrift erlassen. Erwachsenen Frauen ist es vorgeschrieben, die Haare zu bedecken“, dozierte der 59-Jährige. Gewalt sei ihm aber fremd, er habe Albayati nicht einschüchtern wollen.

„Friedlich hört sich das nicht an“
Im Internet betrieb der Angeklagte neben seiner Facebook-Seite seit 2015 zudem die Website „Pro-Islam-Austria“, wo unter anderem diverse Terroranschläge gutgeheißen wurden und Andersgläubigen die ewige Verdammnis gewünscht wurde.
„Friedlich hört sich das für mich nicht an“, bemerkte die vorsitzende Richterin Nina Steindl. Er habe nur das übernommen, was Gelehrte verfasst hätten, und auf seine Homepage gestellt, rechtfertigte sich der 59-Jährige: „Ich wollte meine Glaubensrichtung vermitteln. Ich bin ziemlich stark gläubig. Und wenn das ein Scheich schreibt ... ich war gutgläubig.“

Inkriminiert waren außerdem Äußerungen, die den Holocaust bezweifelten und den Wunsch äußerten, der Staat Israel möge „von der Landkarte verschwinden“, weshalb in dem Verfahren auch der Verhetzungs-Paragraf und das Verbotsgesetz zum Tragen kamen, das nationalsozialistische Wiederbetätigung untersagt.

„Vielleicht weil ich dämlich bin“
Auch ein bizarr anmutendes Video auf YouTube wurde im Zuge der Verhandlung aufs Tapet gebracht, in dem sich der Angeklagte in Prediger-Manier gegen die Verfälschung der „heiligen Bücher“ aussprach. Den erhofften Erfolg hatte dieses aber nicht, nur 17-mal wurde das Video insgesamt abgerufen. „Ich plan nie ein Schreiben, das kommt im Affekt“, meinte er hinsichtlich der inkriminierten Texte. Auf die Frage nach dem Warum antwortete er kleinlaut: „Vielleicht weil ich dämlich bin.“

Der 59-Jährige wurde wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung sowie wegen Verhetzung und Wiederbetätigung im Sinne des Verbotsgesetzes schuldig erkannt und zu zweieinhalb Jahren unbedingter Haft verurteilt. Die Verteidigung erbat Bedenkzeit, die Staatsanwaltschaft gab vorerst keine Erklärung ab. Das Urteil ist damit nicht rechtskräftig.

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