Bluttat schockt EU

Mord an Journalistin: Verhafteter wieder frei

Ausland
09.10.2018 20:57

Nach der Ermordung der bulgarischen Journalistin Viktoria Marinowa hat die Polizei einen festgenommenen Mann wieder freigelassen. Der Rumäne, der noch nicht offiziell als Verdächtiger eingestuft worden war, komme frei, teilte der Polizeichef der nordbulgarischen Stadt Russe, Teodor Atanasow, am Dienstag mit. Es gebe „keine neuen Fakten oder Informationen“. Der Fall sorgte für internationale Schlagzeilen, Journalistenverbände und Politiker aus vielen EU-Ländern zeigten sich schockiert. Nach Jan Kuciak in der Slowakei und Daphne Caruana Galizia in Malta ist das der dritte Journalistenmord in der Europäischen Union in weniger als einem Jahr. Besonders brisant: Alle drei Mordopfer hatten zu Korruption recherchiert.

Es war kurz vor Mittag am vergangenen Samstag, als Viktoria Marinowa, Fernsehmoderatorin beim Lokalsender TVN, in Russe zum Joggen an der Donau aufbrach. Zuvor hatte die 30-jährige geschiedene Mutter einer siebenjährigen Tochter in einem Café in der Nähe der Donau-Promenade der 150.000-Einwohner-Stadt Bekannte getroffen. Knapp drei Stunden später entdeckte ein Spaziergänger in einem Gebüsch dann ihre Leiche.

Nach Angaben von Russes Staatsanwalt Georgi Gergijew und Vizepolizeichef Ilian Entschew wurde Marinowa so massiv geschlagen und gewürgt, dass sie erst Stunden nach der Entdeckung identifiziert werden konnte. Noch bevor bulgarische Ermittler, geführt vom Generalstaatsanwalt, am Montag die Ermittlungen übernahmen, verkündete Innenminister Mladen Marinow, es gebe keine Hinweise darauf, dass der Mord im Zusammenhang mit Marinowas Arbeit als Journalistin stehe.

Kollegen sehen deutliche Verbindung zwischen Mord und Arbeit
Das sehen Kollegen der Ermordeten, internationale Journalistenverbände und EU-Politiker anders. Die Journalistin hatte erst vor Kurzem eine neue Talkshow zu aktuellen Themen mit dem Namen „Detektor“ gestartet. In der ersten Sendung wurden am 30. September Interviews mit zwei investigativen Journalisten der Plattform „Bivol“ ausgestrahlt. Beide berichteten über ihre Recherchen zur mutmaßlichen Veruntreuung von EU-Geldern durch Geschäftsleute und Politiker - womit sie sich in Bulgarien auf gefährlichem Parkett bewegen.

„Egal wie brisant unsere Rechercheergebnisse sind - bulgarische Kollegen ignorieren sie in aller Regel. Viele haben Angst vor der Reaktion unserer Mächtigen. Das Angebot von TVN war das erste und einzige seiner Art überhaupt“, sagt „Bivol“-Direktor Assen Jordanow. „Bivol“ veröffentlicht seine Recherechen ausschließlich online und zählt in Bulgarien zu den wenigen Medien, die sich mit organisierter Kriminalität, Korruption und Verbindungen in bulgarische Ministerien und den Regierungsapparat beschäftigen.

Investigativjournalist: „Ermordung als klare Warnung“
„Viktoria Marinowa und TVN hatten als Einzige in Bulgarien den Mut, ein breites bulgarisches Fernsehpublikum über unsere Erkenntnisse zu informieren“, so Jordanow. „Wir sehen ihre Ermordung als klare Warnung an uns und alle anderen, die Recherchen zum Betrug mit den EU-Geldern in Bulgarien zu stoppen.“ In ihren bisherigen Recherchen wollen Jordanow und seine Kollegen Belege dafür gefunden haben, dass in Bulgarien „alle Institutionen, die für die Verteilung von EU-Fonds‘ verantwortlich sind, von den Siegerfirmen Kommissionsgebühren (also Bestechungsgelder, Anm.) bekommen haben“.

Fest steht, dass das südöstliche EU-Land ein gefährliches Pflaster für Journalisten ist. Vier Fünftel des Zeitungsmarktes des Landes werden durch den umstrittenen Parlamentarier und Oligarchen Deljan Pejewski kontrolliert, wie etwa die „Süddeutsche Zeitung“ anmerkt. Druck und Drohungen gegen Journalisten, Androhung sexueller Gewalt, das Anzünden ihrer Autos oder das Zusammenschlagen unbequemer Journalisten sind in Bulgarien jedenfalls keine Seltenheit. Reporter ohne Grenzen sehen das Land im weltweiten Ranking zur Pressefreiheit auf Platz 111 von 180 Ländern - das schlechteste Ergebnis eines EU-Mitglieds.

Ministerpräsident unter internationalem Druck
Bulgariens bürgerlich-nationalistische Regierung von Ministerpräsident Boiko Borissow steht nun unter internationalem Druck, den Mord rasch aufzuklären. Der Fall Marinowa wurde zudem zum Politikum: Die oppositionellen Sozialisten forderten von der Regierung und den zuständigen Behörden „Taten zur Aufdeckung des Motivs und der Ausführer des Verbrechens“.

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