Für Genuss-Strampler

Donau-Radeln: Es muss nicht immer Passau-Wien sein

Reisen & Urlaub
14.07.2018 08:00

Wir begannen unsere rosTour an der Quelle, im süddeutschen Donaueschingen. 2840 Kilometer sind es von dort bis zum Schwarzen Meer.

Auch die größten Flüsse müssen ganz klein anfangen: So ist die Donauquelle gleich neben dem Fürstenbergischen Schloss in Donaueschingen kaum mehr als ein Brunnen, seit mehr als 100 Jahren mit Statuen geschmückt und ein beliebtes Fotomotiv. Von ihm fließt der Donaubach etwa 100 Meter unterirdisch durch den Schlosspark, dort bei einem Tempelchen in die Brigach, die wiederum wenig später mit der Breg zusammenfließt. Brigach und Breg bringen die Donau zuweg - so heißt ein uralter Schul-Merkspruch, und deshalb beginnt der Donau-Radweg genau dort. Ziemlich unspektakulär.

Der Vorteil einer Radtour entlang der deutschen, der „jungen“, noch lange nicht schiffbaren Donau wird beim Lokalaugenschein schnell klar. Hier sind weit weniger Menschen unterwegs als auf dem bekanntesten Teilstück ab Passau. Entspannt strampeln Einzelne, Paare, Familie oder Gruppen auf den bestens beschilderten und ausgestatteten Wegen und können die idyllische, sanft hügelige Landschaft gemütlich genießen. Die Pausen natürlich auch: Schwäbische Maultaschen, Flammkuchen-ähnliche „Dennerle“ oder Donauwellen aus Schokoteig, Kirschen und reichlich Creme stärken nach mehr oder weniger anstrengenden Radetappen, die vielen guten Biere der Region sorgen für isotonischen Ausgleich. Europas zweitlängster Fluss wird ganz langsam etwas mehr als ein Bach - bis bei Möhringen plötzlich der rätselhafte Hinweis „Donauversickerung“ am Wegrand erscheint.

Grund genug, das Rad kurz stehen zu lassen und zum Flussbett zu gehen. „Betreten auf eigene Gefahr“ heißt es, dann können wir durch die Donau waten, im kaum knietiefen Wasser. Dabei hatten wir wegen vorhergehender starker Regenfälle noch Glück, den Fluss dort überhaupt zu sehen. Durchschnittlich 155 Tage im Jahr versickert er dort tatsächlich, verschwindet spurlos in Sand und Geröll und tritt erst im 180 Meter tiefer gelegenen Aachtopf, der größten Quelle Deutschlands, wieder aus. Schautafeln erklären das Phänomen: Die Donau verliert in diesem Bereich durch den stark verkarsteten Untergrund gleich 5000 Liter Wasser pro Sekunde, bei Hochwasser noch mehr.

Wenig später, bei einer Rast im hübschen Örtchen Neumühle, hat ein drahtiger örtlicher Radler eine weitere Überraschung für uns. „Euer Wien liegt das halbe Jahr schlicht am schönen blauen Krähenbach“, lacht er. „Die Donau gibt es dann gar nicht!“ Eine Pointe, die ihm sichtlich Spaß macht, die Hydrologen und Geologen aber bestätigen: Tatsächlich biegt die Donau mehrere Monate im Jahr bei der Donauversickerung in den Rhein ab, und der Krähenbach bei Tuttlingen/Möhringen bildet den ersten Zufluss der Donau. Streng genommen könnte Österreichs inoffizielle Hymne also auch der „Krähenbachwalzer“ heißen.

Die Freude an der Radtour konnte diese Spitzfindigkeit zum Glück nicht beeinträchtigen. Tagesetappen von etwa 50 Kilometern sind auch für nicht besonders sportliche Strampler leicht zu bewältigen. Ganz bequeme entscheiden sich fürs E-Bike und sind gleich „mit Rückenwind“ unterwegs. Ein großer Vorteil, wenn es doch ein wenig bergauf geht, zugegeben.

Neidlos ließen wir die echten Sportler an uns vorbeiziehen, plauderten beim Abendessen im Hotel mit einigen von ihnen: Mehrere gar nicht so junge Herren waren schon in Budapest gestartet und hatten auf dem Weg zur Quelle täglich an die hundert Kilometer zurückgelegt, andere waren auf dem Weg ins Donaudelta. Für sie war der Weg das Ziel, das Radeln Selbstzweck. Wunderbar.

Unser Ehrgeiz war bescheidener: Gerade so viel Bewegung an der frischen Luft, dass der Kopf frei wurde und der Körper angenehm müde. Ein wenig Po und Beine spüren und dazwischen Zeit für kulinarische und kulturelle Pausen haben. Sigmaringen mit seiner imposanten, auf hohem Felsen gelegenen Hohenzollern-Burg aus dem 11. Jahrhundert ist eine Besichtigung ebenso wert wie das Kloster Beuron beim spektakulären Donau-Durchbruch mit seinen 200 Meter hohen Kreidefelsen oder Ulm mit seinem Münster, dem immer noch höchsten Kirchturm der Welt. Besonders aber der mystisch blau-grüne Blautopf-Quelltrichter bei Blaubeuren. Die von Eduard Mörike verewigte Wassernixe der schönen Lau soll manchmal noch heute in der Tiefe der Karstquelle zu sehen sein.

Im weit verzweigten Höhlensystem der Umgebung siedelten sich schon in früher Urzeit Menschen an, und so sahen wir binnen weniger Tage nicht nur den Ursprung der Donau, sondern auch den Ursprung aller bisher bekannten Kunst. Nirgendwo auf der Erde wurden ältere Kunstgegenstände gefunden als beim Hohle Fels in der Schwäbischen Alb.

Es lohnt, das Rad für eine Besichtigung des neuen Urmuseums in Blaubeuren abzustellen und drinnen die aus einem Mammutstoßzahn geschnitzte, 40.000 Jahre alte Venus vom Hohle Fels zu bewundern. Die nur sechs Zentimeter hohe, beeindruckend fein gearbeitete Figur wurde erst vor zehn Jahren entdeckt, gleich in der Nähe drei Elfenbeinflöten, die ältesten bekannten Musikinstrumente der Welt. Archäologen diskutieren, ob die üppige, aber fast kopflose Venus ein Fruchtbarkeitssymbol oder das erste „Pin-up-Girl“ der Urgeschichte war. Doch sie allein lohnt schon die Radtour an der jungen Donau (oder doch dem Krähenbach?). In Kombination mit idyllischer Landschaft, perfekten Radwegen, kulinarischen Köstlichkeiten und anderen Sehenswürdigen am Weg ein wahrer Geheimtipp für Genuss-Strampler!

Brigitte Egger, Kronen Zeitung

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