Menschenhandel

7.000 in Wien zur Sexarbeit und zum Betteln gezwungen

Österreich
18.10.2009 11:03
21,5 Millionen Euro Gewinn bringen Menschhändler jährlich mit der Ausbeutung von Erwachsenen und Kindern ein. Mehr Geld lukrieren nur der Drogen- und Waffenhandel. Laut Schätzungen fallen weltweit 2,7 Millionen Menschen pro Jahr den organisierten Banden zum Opfer. Allein in Wien gibt es laut der internationalen Organisation für Migration 7.000 Betroffene. Sie werden wie Sklaven zu Prostitution, Bettelei oder Straftaten gezwungen.

Um zu sensibilisieren und die Bekämpfungsmaßnahmen zu verbessern, steht der Sonntag im Zeichen des EU-Tags gegen Menschenhandel. Menschenhandel betrifft in den meisten Fällen sexuelle Ausbeutung. Bei 79 Prozent der Delikte handelt es sich um Zwangsprostitution oder Ähnliches, hinzu kommt die Nötigung zu Bettelei und Straftaten oder Arbeitszwang.

Ein Trend, der eine starke Zunahme verzeichnet, ist der Missbrauch von Opfern für Einbrüche und Diebstähle. Zu diesem Zweck werden junge Männer und Burschen in den "goldenen Westen" geschleppt. Die Kosten für den Transport müssen durch Straftaten abgearbeitet werden. Besonders hilflos sind Kinder und Jugendliche, die rund 1,2 Millionen der Opfer ausmachen.

Regierung verspricht nationalen Aktionsplan
Am Wochenende sprachen bei einer Pressekonferenz anlässlich des europaweiten Tages gegen Menschenhandel Außenminister Michael Spindelegger, Innenministerin Maria Fekter, Staatssekretärin Christine Marek und Justizministerin Bandion-Ortner (alle ÖVP) über die Maßnahmen gegen die vor unseren Augen stattfindende Ausbeutung unschuldiger Menschen.

Gemeinsam mit NGOs werde Österreich einen nationalen Aktionsplan gestalten, hieß es. Die Hauptstadt Wien soll dabei - wie bei den Menschenhändlern - zur Drehscheibe der Gegenaktivitäten werden.

Appell an die Zivilcourage
Fekter betonte dabei die Bedeutung grenzüberschreitender Kooperationen: "Es ist ein internationales Problem, daher ist es notwendig, dass man bereichs- und länderübergreifend zusammenarbeitet." Ein Schwerpunkt seien bettelnde und stehlende Kinder, "die wir in erster Linie einmal als Täter definieren, aber als Opfer sehen müssen", betonte sie. Wer in Österreich "streunende" Minderjährige auf der Straße wahrnehme, solle umgehend die Polizei verständigen, so die Innenministerin.

Menschenhandel gibt es auch in Österreich - den Bericht eines heimischen Ermittlers über seine Arbeit findest du in der Infobox.

Justizministerin Claudia Bandion-Ortner hob bei der Pressekonferenz die notwendige Bewusstseinsbildung bei Richtern und Staatsanwälten hervor. Gefordert sei aber auch die Bevölkerung: Wenn 30 bis 40 Kinder in Wohnungen zusammengepfercht werden, "muss man an die Zivilcourage appellieren", betonte sie. Menschenhandel sei die moderne Form der Sklaverei des 21. Jahrhunderts zu der neben Prostitution auch die Ausbeutung von Arbeitskraft und Organentnahme zähle.

Täter werden selten erwischt und verurteilt
Dass man den Menschenhändlern viel zu schwer auf die Spur kommt, zeigt die Verurteilungsstatistik. Nur sechs Personen sind im vergangenen Jahr wegen Menschenhandels (§104a) verurteilt worden, 61 laut der heimischen "Task Force Menschenhandel" wegen grenzüberschreitendem Prostitutionshandel (§217). Nur ein Bruchteil der Verbrecher, die Kinder und Erwachsene zu Sexarbeit, Diebstahl oder Bettelei zwingen und ausbeuten, wird erwischt.

"Oft entdeckt man Dinge im Rahmen einer fremdenpolizeilichen Maßnahme", schildert Stephanie Öner vom Wiener Universitäts-Institut für Strafrecht und Kriminologie. Opfer werden dabei häufig gar nicht als solche erkannt. "Es ist wichtig Mechanismen zu entwickeln, was in einer konkreten Situation zu tun ist", so die Strafrechtlerin. Wichtigster Faktor dabei: Die Opfer müssen hierbleiben und aussagen können und dürfen nicht sofort abgeschoben werden. "Im Strafrechtsbereich ist es von den Regelungen her recht gut gelungen", so die Wissenschaftlerin. "Das Problem ist, dass man damit nicht sehr weit kommt: Wenn die Opfer aus Angst nicht reden, gibt es wenige Verurteilungen."

Österreich hat strenge Menschenhandels-Gesetze
Österreich hat dabei eine der EU-weit strengsten Gesetzeslagen: Mit dem Strafrechtsänderungsgesetz im Jahr 2004 wurden die Menschenhandels-Paragrafen nicht nur an die EU-Vorgaben angepasst. Öner: "Die österreichische Regelung geht sogar weiter und inkludiert beispielsweise die Ausbeutung zum Zwecke der Organentnahme." Der Höchststrafrahmen für schwere Fälle mit Gewalttaten oder Kindern als Opfer reicht außerdem bis zu zehn Jahre, die EU sieht eine Mindesthöchststrafe von acht Jahren vor. Für das Grunddelikt gibt es drei Jahre Haft.

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