Seit Jahren sind bei uns psychische Erkrankungen im Vormarsch – viele davon arbeitsbedingt. Allein aufgrund psychischer Diagnosen sind im Jahr 2016 in Oberösterreich 739.162 Krankenstandstage angefallen. Eine Zahl, die sich seit 2007 mehr als verdoppelt (plus 116 Prozent) hat. Der Psychiater und Buchautor Reinhard Haller erklärt die Gründe dafür.
„Krone“: Warum gibt es bei psychischen Erkrankungen im Job einen so krassen Anstieg?
Reinhard Haller: Stress, Arbeitsdruck und Arbeitstempo haben zugenommen. Hinzu kommt, dass auch die innerbetriebliche Kälte mehr geworden ist. Eine Auswirkung davon ist, dass Führungskräfte rascher und gnadenloser Konsequenzen fällen als früher.
„Krone“: Das Führungsverhalten hat offenbar viel Einfluss auf die Gesundheit der Mitarbeiter.
Haller: Anhaltender schlechter Stress, Kränkungen, Mobbing, mangelnde Anerkennungen oder fehlendes Lob spielen dabei eine gewichtige Rolle. Gerade die scheinbar kleinen Dinge fungieren über einen längeren Zeitraum wie Nadelstiche, die dann eines Tages schließlich zur Katastrophe führen. Das funktioniert so ähnlich wie ein Eiterprozess.
„Krone“: Woran mangelt es Ihrer Meinung nach vielen Chefs?
Haller: An emotionaler Intelligenz, die müsste in der Führungsausbildung gerade heutzutage viel mehr geschult werden. Führungskräfte sollten lernen, sensibel zu sein und Mitarbeiter ganzheitlich wahrzunehmen. Der Mensch besteht ja bekanntlich nicht nur aus dem Körper, sondern auch noch aus Geist und Seele.
„Krone“: Wie kann man dann als Führungskraft seine Mitarbeiter stärken?
Haller: Für die Zufriedenheit und Leistungsfähigkeit des Einzelnen ist Anerkennung essenziell. Eine der wirksamsten Formen der Motivation ist übrigens das Lob, das dem Unternehmen nichts kostet, aber sehr viel bringt – wenn es authentisch von Mensch zu Mensch erfolgt.
Wertschätzung, ein Fremdwort?
Die Daten aus dem Arbeitsklima-Index der Arbeiterkammer Oberösterreich zeigen: Wer mit seinem Chef unzufrieden ist, wird öfter krank und geht – aus Angst vorm Chef – eher krank zur Arbeit.
Mitarbeiter erkranken nachweislich dann, wenn sie sich stark verausgaben, dafür aber nicht in angemessener Weise entschädigt werden. Dabei geht es keinesfalls nur um die Entlohnung, sondern auch um mangelnde Wertschätzung.
Es ist schon seltsam: Die Wirtschaft beklagt eine Personalnot, tut aber nur wenig, dass die Arbeitsfähigkeit der Beschäftigten erhalten bleibt. Ein wertschätzender Umgang ist leider in vielen Betrieben immer noch ein Fremdwort.
Kommentar von Jürgen Pachner
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