Spionage-Ausschuss

Befragte: Verantwortung liegt bei Staatsanwalt

Österreich
09.09.2009 07:38
Am zweiten Tag des Spionage-Untersuchungsausschusses sind die Ermittlungen gegen den BZÖ-Abgeordneten Peter Westenthaler am Programm gestanden. Nach den Aussagen Christian Steiners vom Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) und Martin Kreutners, Chef des Büros für Interne Angelegenheiten (BIA) im Innenministerium, stand am Dienstag vor allem die Staatsanwaltschaft in der Kritik. Beide Befragten wiesen nämlich die Verantwortung für Ermittlungen zurück. Steiner betonte, er habe nur im Auftrag der Staatsanwaltschaft gehandelt und Kreutner erklärte, das BIA habe überhaupt nicht ermittelt. Nach den Aussagen drohte Peter Pilz von den Grünen der Staatsanwaltschaft mit einer Anzeige wegen Amtsmissbrauchs.

Zu Beginn der Befragung im Ausschuss erklärte Steiner vom LVT, der Grund für die BZÖ-Ermittlungen sei eine Anzeige des Chefs des BIA, Martin Kreutner, gegen Westenthaler gewesen. Kreutner hatte Westenthaler aufgrund einer Aussendung des BZÖ zu einer Parlamentsrede des Abgeordneten wegen Verleumdung geklagt. Weil aber Abgeordnete für im Parlament gemachte Aussagen nicht verfolgt werden können, versuchten die Behörden stattdessen jene BZÖ-Mitarbeiter zu belangen, die Westenthalers Aussagen in der Presseaussendung verbreitet hatten.

Zur aktuellen Debatte über die Abgeordneten-Immunität sowie zu den Hintergründen der Causa Westenthaler siehe Storys in der Infobox!

Kreutner: "Irgendwann ist Schluss mit lustig"
Irgendwann "ist Schluss mit lustig", habe er sich gedacht, als er die Anzeige gegen den BZÖ-Abgeordneten erstattete, erklärte Kreutner zu besagtem Vorfall. Er sei "zum wiederholten Mal" mit "unwahren und kreditschädigenden" Vorwürfen konfrontiert gewesen, deshalb habe er seine Rechte als Staatsbürger in die Hand genommen und sich auf diesem Weg gewehrt, sagte der BIA-Chef im U-Ausschuss. Der Grüne Abgeordnete Peter Pilz, dem ein gutes Verhältnis zu Kreutner nachgesagt wird, äußerte Verständnis für die Anzeige, kritisierte aber die Ermittlungen und das Vorgehen der Staatsanwaltschaft.

Im BIA wurden laut Kreutner keine Ermittlungen im Zusammenhang mit der Verleumdungs-Klage gegen den Peter Westenthaler geführt. Er habe auch nicht gewusst, dass das Wiener Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung mit Ermittlungen beauftragt wurde, sagte Kreutner bei seiner Einvernahme am Dienstagnachmittag. Kurz darauf wurde seine Befragung knapp nach 19.00 Uhr unterbrochen, da Ausschuss-Vorsitzender Martin Bartenstein auf die strikte Einhaltung des im Vorfeld vereinbarten Zeitplans pochte. Der BIA-Chef wurde für den nächsten Ausschuss-Termin am 29. September erneut geladen.

Steiner: Alles im Auftrag der Staatsanwaltschaft
Wie LVT-Mitarbeiter Steiner erklärte, habe er im Zuge der Ermittlungen die BZÖ-Aussendung mit der Rede Westenthalers verglichen und festgestellt, dass es sich um eine inhaltliche Zusammenfassung gehandelt habe. Ob in der Aussendung die Rede auch "wahrheitsgemäß" wiedergegeben war, bejahte Steiner indirekt nach mehrmaliger Nachfrage. Dass in dieser Sache gegen BZÖ-Mitarbeiter ermittelt wurde, begründete Steiner ebenfalls mit einem Auftrag der Staatsanwaltschaft. Auch beim Versuch, die Namen jener BZÖ-Mitarbeiter herauszufinden, die die Aussendung verfasst haben, verwies er auf die Anklagebehörde.

Staatsanwalt: "Westenthaler war Beschuldigter"
Staatsanwalt Hans-Peter Kronawetter musste im Anschluss einräumen, Westenthaler im Ermittlungsakt trotz seiner parlamentarischen Immunität als Beschuldigten genannt zu haben. "Er scheint als Beschuldigter auf", sagte Kronawetter. Allerdings betonte er, das Verfahren gegen Westenthaler sofort abgebrochen zu haben. Stattdessen wurde es gegen "unbekannte Täter" weitergeführt, also gegen Westenthalers Mitarbeiter, die die Presseaussendung verfasst hatten.

Vor allem BZÖ-Abgeordneter Ewald Stadler und der Grüne Peter Pilz schossen sich daher auf den Staatsanwalt ein. Pilz drohte dem Juristen sogar eine Anzeige wegen Amtsmissbrauchs an. Das Vorgehen gegen Westenthaler sei in der politischen Abteilung der Staatsanwaltschaft Wien kein Einzelfall, so Pilz. Hier werde unter Umgehung der Verfassung gegen Oppositionsabgeordnete vorgegangen, während die Staatsanwaltschaft "auf dem Regierungsauge vollkommen blind" sei.

Oberstaatsanwalt: "Heute würde ich vorher fragen"
Auch bei der Frage der Befragung des Oberstaatsanwalts Michael Leitner im U-Ausschuss stand die Frage der Immunität der Abgeordneten im Mittelpunkt. Dass die Staatsanwaltschaft im Fall des BZÖ-Mandatars Peter Westenthaler keinen Antrag auf Aufhebung der Immunität gestellt hat, bezeichnete Leitner als "nicht falsch", denn "die Grenze verschwimmt sehr." Aus Vorsicht würde er heute in Kenntnis der Situation natürlich den Nationalrat vorher fragen, so der Oberstaatsanwalt. Er meinte weiters, dass bei den Ermittlungen "zu wenig differenziert" worden sei zwischen den Aussagen Westenthalers im Nationalrat, die nicht strafrechtlich verfolgt werden können, und den Aussagen bei einer Pressekonferenz.

Ein Sachbearbeiter für jede Parlamentspartei
Das BZÖ will nach der Aussage von Steiner nun Innenministerin Maria Fekter (ÖVP) in den U-Ausschuss laden. Grund war der selbst für die Abgeordneten überraschende Hinweis Steiners, dass es beim LVT für jede Parlamentspartei einen zuständigen Mitarbeiter gibt. Er selbst sei seit 2006 dem BZÖ zugeteilt und habe in dieser Funktion eben auch die Ermittlungen im Zusammenhang mit dem Verleumdungs-Vorwurf von Kreutner gegen Westenthaler geführt. Er sei mit der Zuteilung der Causa Westenthaler an ihn "nicht glücklich gewesen", betonte der Beamte. BZÖ-Mann Stadler will nun von Fekter wissen, wer die Entscheidung, einen Sachbearbeiter für jede Parlamentspartei zu bestellen, getroffen hat.

Stadler: "Austriakische Form einer schwarzen Stasi"
Während SP-Abgeordneter Hannes Fazekas die Beamten als "Serviceeinrichtung" bezeichnete (laut Steiner sind sie unter anderem dafür zuständig, "Meldesperren" für Abgeordnete abzuwickeln oder den Parteien bei Veranstaltungen sowie Objekt- und Personenschutz zur Seite zu stehen), befürchtet Stadler das Gegenteil: Jede Partei habe offenbar "einen eigenen Beamten, der sich nur auf eine Partei konzentriert und beobachtet, was sie macht". "Bei uns kennt weder der Bundesgeschäftsführer noch sonst jemand aus der Parteiführung den Umstand, dass Herr Steiner unser Servicemann sei", kritisierte Stadler. Das BZÖ könne darauf gerne verzichten. Stadler sei "erschüttert": Was am Dienstag im Ausschuss geschildert wurde, sei eine "austriakische Form einer schwarzen Stasi".

Pilz betonte, dass der "Betreuer" seiner Partei im LVT (ein Herr Oberbauer) weder im Parlamentsklub noch in der Bundespartei oder der Wiener Landespartei bekannt sei. "Wenn's ihm vielleicht ausrichten könnten, dass er sich bei Gelegenheit vorstellen kommt", gab Pilz Steiner mit auf den Weg.

LVT spricht von sinnvoller Lösung
Indes versteht der für das LVT zuständige Wiener Polizeipräsident Gerhard Pürstl die "Erschütterung" des BZÖ nicht. Grund für die Zuteilung eines Mitarbeiters zu einer bestimmten Partei sei ressourcenschonende Arbeit, erklärte Pürstl am Dienstag: "Es geht darum, so wie in jedem anderen Betrieb, Serviceleistungen zu konzentrieren." Die "Servicemänner" seien unter anderem dafür zuständig, Parteien bei Veranstaltungen oder bei Objekt- und Personenschutz-Agenden zur Seite zu stehen.

Diese Lösung sei sinnvoll, da der jeweilige Sachbearbeiter die Ansprechpartner in den Parteien ebenso kenne wie die Gepflogenheiten. Eingeteilt werden die Sachbearbeiter laut Pürstl durch die LVT-Leitung. Dass Stadler und auch Pilz angeben, nichts von den Sachbearbeitern gewusst zu haben und diese auch nicht zu kennen, ist für Pürstl kein Grund zur Aufregung: "Wenn einzelne den Sachbearbeiter nicht kennen, können wir auch nichts machen." Man sei aber in ständigem Kontakt mit den Parteien und diesen auch bekannt, betonte der Polizeipräsident.

Steiners Doppelfunktion beim BZÖ "Zufall"
"Zufall" nennt Pürstl die Tatsache, dass der Mitarbeiter Steiner einerseits Sachbearbeiter des BZÖ ist und andererseits gegen Westenthaler ermittelt hat: "Das hat nichts zu tun mit der Zuteilung zu einer bestimmten Partei." Die Aktenzuteilung erfolge nach einer Geschäftseinteilung und durch den jeweiligen Vorgesetzten. Steiners Situation habe sich "aus der Geschäftseinteilung ergeben" und sei "ein Einzelfall und nicht die Regel". Er frage sich, "was daran erschütternd ist, mit möglichst wenig Ressourcen bestmöglich unsere Aufgaben zu erfüllen", so Pürstl. Das sei "die normalste Sache der Welt".

"Servicemänner" nur im Wiener LVT
Laut Innenministerium gibt es die "Servicemänner" für die Parteien nur beim Wiener LVT. "Das hat mit der Größe des LVT hutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) arbeite nicht mit derartigen Sachbearbeitern, da es "in der Regel" bei Veranstaltungen "nicht operativ tätig", sondern für Analyse und Koordination zuständig sei.

Mit welchen Themen sich der U-Ausschuss außerdem befasst: siehe Infobox.

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