Theater-Titan

Regisseur Peter Zadek mit 83 Jahren gestorben

Österreich
30.07.2009 13:22
Der Regisseur Peter Zadek, einer der ganz Großen des deutschsprachigen Theaters, ist tot: Er starb in der Nacht auf Donnerstag 83-jährig nach einer schweren Erkrankung in Hamburg. Dies bestätigten die Wiener Festwochen. Zadek hat mit zahlreichen Inszenierungen seit den 50er Jahren Kritik und Publikum begeistert und herausgefordert.

"Hier kommt Gott", hatte Schauspielerin Maria Happel die Verleihung des "Nestroys" für das Lebenswerk an Peter Zadek im vergangenen Herbst in Wien angekündigt. Aber Gott sei überall und derzeit bei Proben in Zürich. Zadeks Abwesenheit hatte Laudator Matthias Matussek dann für sehr persönliche Worte genützt: "Du bist aus Prinzip nie in dem Verein, der dich aufnehmen will. Du bist immer gleichzeitig drinnen und draußen", so der ehemalige "Spiegel"-Kulturchef damals. Im Februar dieses Jahres feierte das Publikum Zadeks Inszenierung von George Bernard Shaws "Major Barbara" am Zürcher Schauspielhaus. Es war sein letzter Erfolg. In der Nacht auf Donnerstag, starb der Großmeister des Theaters im Alter von 83 Jahren in Hamburg.

Starke Verbindung zu Wien
Mit Wien verband Peter Zadek einiges: Seine Burg-Inszenierung von "Der Kaufmann von Venedig" 1988, seine sensiblen Tschechow-Deutungen "Iwanow" (1990) und "Der Kirschgarten" (1996) wurden legendär. Aber auch Inszenierungen wie "Rosmersholm" (2000), "Der Jude von Malta" (2001), "Die Nacht des Leguan" (2002) oder "Der Totentanz" (2005) waren stets von der gesamten deutschsprachigen Theaterkritik mit größter Aufmerksamkeit verfolgt worden. Vergangenen Herbst erhielt Zadek, mit 21 Inszenierungen der am häufigsten zum Berliner Theatertreffen eingeladene Regisseur, den "Nestroy"-Preis für sein Lebenswerk.

Als Regisseur gefeiert, als Intendant umstritten
Geboren wurde Peter Zadek am 19. Mai 1926 in Berlin. Als Jude musste er mit seinen Eltern 1933 nach England emigrieren, wo er in Oxford Germanistik und Romanistik studierte, in London am Old Vic Regieunterricht nahm und auch seine ersten Regiearbeiten herausbrachte (so inszenierte er 1957 die Uraufführung von "Der Balkon" von Jean Genet, der ihn bei der Generalprobe eigenhändig erschießen wollte), sich aber nie so recht heimisch fühlte. Ab 1958 lebte und arbeitete Zadek wieder in Deutschland, wo er bei Kurt Hübner in Ulm und Bremen erste Karriereschritte unternahm. Als Regisseur zunehmend gefeiert, waren dagegen seinen Intendanzen meist von heftigen Auseinandersetzungen überschattet und nie von langer Dauer: 1972-75 war er Generalintendant in Bochum, 1985-89 Leiter des Deutschen Schauspielhauses in Hamburg, und 1992-94 Mitglied des Direktoriums am Berliner Ensemble.

"Mein Job ist herrlich, aufregend, spannend und nervend"
Unkompliziert war Zadek mit Sicherheit nicht. Seine Ziele verfolgte er konsequent, vor allem gegenüber Kulturpolitikern und Theaterleitern. Schauspieler pflegten von seiner großen Gabe zu schwärmen, zuhören und beobachten zu können und Freiräume zu schaffen. "Regisseur zu sein ist und war ein Privileg und zur selben Zeit eine Tortur", bekannte Peter Zadek, "immer für andere verantwortlich sein, immer anderen vorschlagen was sie jetzt tun sollen, auch, wenn man es selbst nicht so richtig weiß." Vier Eigenschaftswörter fielen ihm zu dem von ihm eingeschlagenen Weg ein: "herrlich, aufregend, spannend, nervend".

Burgchef Bachler: "Zadek ist heiß oder kalt, aber niemals lau"
"My Way" nannte Peter Zadek den ersten Teil seiner Autobiografie, in dem er über sein Leben bis 1969 berichtete, "Die heißen Jahre" hießen seine Erinnerungen an die 70er Jahre. Zu Zadeks 75er erschien in der Burgtheater-Reihe das Buch "Die Außenseiter-Welten des Peter Zadek": "Bei ihm gibt es nur ganz oder gar nicht", schrieb der ehemalige Burgtheaterdirektor Klaus Bachler darin, "Aufführungen sind grandios oder grauenhaft. Zadek ist heiß oder kalt, niemals lau."

Letzte geplante Wiener Regiearbeit kam nicht zustande
Seine bisher letzte geplante Wiener Regiearbeit kam allerdings nicht zustande: Im Mai 2007 wurde die Wiener Festwochen-Premiere von Shakespeares "Was ihr wollt" abgesagt, nachdem sich der schwer erkrankte Regisseur in Spitalsbehandlung begeben musste. Im April 2008 feierte er am Hamburger St.-Pauli-Theater mit "Nackt" von Luigi Pirandello einen bejubelten Erfolg.

Der "Nestroy"-Lebenspreis komme angesichts des bisher Geleisteten und der zahlreichen Pläne für die Zukunft "gleichzeitig zu früh und zu spät", sagte Matussek im Herbst 2008. Nun hat Zadek seinen Kampf gegen seine schwere Krankheit verloren.

Festwochenintendant Luc Bondy bestürzt
"Er war eine der größten Persönlichkeiten am Theater. Ich war sein Freund und empfand Wärme für ihn", schreibt der Wiener Festwochenintendant und Regisseur Luc Bondy in einem Nachruf auf Peter Zadek. "Er sagte und dachte immer überraschende Dinge aus einer immerwährenden Tiefe. Er fürchtete den Tod wie niemand, wie kann ich es ihm nachfühlen: Da er an nichts - mehr - nach dem Ende glaubte, hat er intensiv gelebt und gefühlt."

Bondy weiter: "Er war brutal und verletzlich, zweifelte als deutscher Jude an den Deutschen. Aber die Sprache und Deutschland waren seine Kultur."

Flimm: "Seine Radikalität war mir immer ein großes Vorbild"
Der Intendant der Salzburger Festspiele Jürgen Flimm hat mit großer Betroffenheit auf den Tod von Peter Zadek reagiert. Es habe in den vergangenen Jahrzehnten kaum einen bedeutenderen Regisseur als ihn gegeben, sagte Flimm. "Er hat das Theater in einer Weise revolutioniert, wie man es sich in den verschlafenen 50er Jahren kaum denken konnte", sagte Flimm. Mit seiner Radikalität und seiner unermüdlich frischen Sicht auf alte und neue Texte sei Zadek immer ein großes Vorbild gewesen.

"Er wird mir persönlich sehr fehlen", sagte ein sehr betroffen wirkender Flimm. Es komme ihm vor, als kenne er Zadek schon seit 100 Jahren. "Es ist ein schreckliches Jahr", sagte Flimm angesichts des Todes der Choreographin Pina Bausch vor einigen Wochen und des Regisseurs Jürgen Gosch Mitte Juni.

Bürgermeister Wowereit beklagt"Verlust"
Der Berliner Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) bezeichnete Zadeks Tod als "einen großen Verlust für die internationale Theaterwelt und für das Kulturleben seiner Heimatstadt Berlin". Zadek sei zwar an den großen Bühnen Europas zu Hause, und doch immer wieder auch in Berlin präsent gewesen. "Seine Verbundenheit mit Berlin ist um so höher zu schätzen, als er 1933 mit seiner Familie aus unserer Stadt emigrieren musste."

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