Uiguren-Unruhen
Sicherheitskräfte verstärkt - bereits 800 Tote?
Am Dienstag seien in einer Traktorenfabrik in Urumqi, in der vor allem Han-Chinesen arbeiten, 150 Uiguren getötet worden, berichtet der Uigurische Weltkongress. An die 1.000 Han-Chinesen sollen außerdem in die Universität von Urumqi eingedrungen sein und dort uigurische Studenten geschlagen haben. In der Stadt seien abgeschlagene Köpfe zu sehen. Insgesamt hätten die Unruhen demnach 800 Tote gefordert. Die Behörden sprechen hingegen nach wie vor von etwa 150 Toten und 1.400 Festnahmen. Uiguren und Chinesen machen einander gegenseitig für die Eskalation der Gewalt verantwortlich.
Chinas Präsident sagt G-8-Teilnahme ab
Angesichts der blutigen Unruhen hat der chinesische Präsident Hu Jintao seine Teilnahme am G-8-Gipfel in Italien abgesagt. Wie die italienische Nachrichtenagentur ANSA am Mittwoch berichtete, brach Hu noch am Dienstagabend seine Reise ab und flog wieder nach China zurück.
"Aufgrund der Verschlimmerung der Unruhen hat sich Präsident Hu Jintao entschieden, seine Rückkehr nach China vorzuziehen und nicht am G-8-Gipfel teilzunehmen", sagte der leitende politische Berater der chinesischen Botschaft in Rom, Tang Heng, zur ANSA. Der dreitägige Gipfel der sieben führenden Industrienationen und Russlands (G-8) beginnt am Mittwoch in der italienischen Stadt L'Aquila. Hu wollte eigentlich zu den Gesprächen am Donnerstag dazustoßen. China gehört nicht zu den G-8. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte angekündigt, mit Hu am Rande des Gipfels über die Unruhen zu sprechen.
Dalai Lama fordert Einlenken Pekings
Aus großer Sorge über die extrem angespannte Lage in Xinjiang hat indes auch der Dalai Lama die Führung in Peking zu Zurückhaltung aufgefordert. Peking müsse in einem "Geist von Verständnis und Weitsicht" mit der Situation in Xinjiang umgehen, hieß es in einer Erklärung des Dalai Lama, die sein Büro im indischen Neu Delhi veröffentlichte. "Ich bin zutiefst betrübt und besorgt über die sich verschlechternde Lage in Xinjiang, besonders über den tragischen Verlust von Menschenleben", erklärte das Oberhaupt der Tibeter. Die Tibeter hatten vor rund einem Jahr ähnlich wie die Uiguren heute gegen die Unterdrückung durch Peking aufbegehrt.
Hartes Durchgreifen angekündigt
Derweil kündigten die lokalen Behörden an, die Brutalsten unter den Unruhestiftern auf das Härteste zu bestrafen. Die Schlüsselfiguren der Ausschreitungen könnten sogar zum Tode verurteilt werden, sagte der Führer der Kommunistischen Partei in Urumqi, Li Zhi. Er sprach von "mörderischen Elementen". Auch "Belehrungs- und Erziehungsmaßnahmen" seien als Strafen vorgesehen, sagte der Staatsminister für öffentliche Sicherheit, Meng Jianzhu. Die Behörden sprechen inzwischen von den blutigsten Unruhen seit der Gründung der Volksrepublik 1949.
Gespenstische Stimmung in Urumqi
Nach einer nächtlichen Ausgangssperre, die verhängt worden war um weiteren Unruhen vorzubeugen, kam das Alltagsleben am Mittwoch unter der massiven Polizeipräsenz nur stockend in Gang. Eine Angestellte eines Hotels direkt im Zentrum der Provinzhauptstadt Urumqi schilderte der Deutschen Presse-Agentur dpa, allein um das Gebäude herum seien rund 1.000 Polizisten im Einsatz. Ein westlicher Journalist sprach am frühen Morgen am Telefon von einer "aggressiven Stimmung".
Gerüchte über prügelnde Han-Chinesen im Umlauf
Eine uigurische Grundschullehrerin in Urumqi schilderte der dpa am Telefon, sie habe gehört, dass Banden von Chinesen mehrere Schulen gestürmt hätten, darunter ihre eigene. "Sie schlugen jeden, den sie auf der Straße sahen, solange es nur ein Uigure war", berichtete sie. Staatsmedien sprachen dagegen von lediglich "kleineren Zusammenstößen". Ein BBC-Reporter hatte dagegen den Eindruck, dass die Bevölkerung sich offenkundig sicherer fühle. Auf den Straßen trügen nur noch wenige Menschen Stöcke zu ihrer Verteidigung bei sich.
Exil-Uiguren und Türkei warnen China
Die in den USA lebende Uiguren-Führerin Rebiya Kadeer warf Peking vor, den Konflikt angeheizt zu haben. "Die chinesische Regierung ist bekannt dafür, die nationalistischen Tendenzen unter den Chinesen zu fördern", schrieb sie in der US-Zeitung "The Wall Street Journal" (Mittwoch). Chinas "brutale Reaktion" auf die Unruhen werde die Situation noch verschärfen. Auch die türkische Regierung appellierte an Peking, in der vom Turkvolk der Uiguren bewohnten Region Zurückhaltung zu zeigen. Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan sagte, die chinesische Regierung müsse den "Gräueln" rasch ein Ende setzen. Außenminister Ahmet Davutoglu erklärte, das Schicksal der Uiguren könne der Türkei nicht gleichgültig sein, weil sie "ethnische Brüder" der Türken seien.
Uiguren fühlen sich von Chinesen unterdrückt
Viele Uiguren fühlen sich von China unterdrückt und fordern mehr Selbstbestimmung. Bei den ersten Protesten am Sonntag hatten die Uiguren die Aufklärung des Todes zweier uigurischer Fabrikarbeiter im Juni verlangt. Am 25. Juni waren Uiguren in einer großen Spielzeugfabrik in Shaoguan in Südchina von einem Mob angegriffen worden, nachdem Gerüchte auftauchten, dass Angehörige der muslimischen Minderheit zwei Chinesinnen vergewaltigt hätten.
Inzwischen nahm die Polizei in der Provinz Guangdong 13 Verdächtige fest, berichteten staatliche Medien am Dienstag. Sie sollen in die gewalttätigen Demonstrationen in Shaoguan verwickelt gewesen sein. Zudem wurden zwei andere Verdächtige in Haft genommen, weil sie im Internet die Vergewaltigungsgerüchte verbreitet hatten.
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