Sikh-Attentat

Prediger offenbar seit längerem bedroht

Österreich
26.05.2009 13:48
Die beiden am Sonntag in einem Wiener Sikh-Gebetshaus attackierten Prediger Sant Niranjan Dass und Sant Rama Anand, der im Spital an seinen Schussverletzungen starb, sollen laut der indischen Community in Österreich bereits seit längerem von strenger Gläubigen bedroht worden sein. "Die von den ganz Orthodoxen haben schon immer gewarnt, dass Sant Niranjan Dass nicht predigen darf", erklärte ein leitendes Mitglied der Gemeinschaft. "Er ist auch schon in Indien gewarnt worden, dass er dies unterlassen soll." Indes befinden sich fünf der sechs mutmaßlichen Täter im Landesgericht Wien, der sechste Mann ist nach einem Kopfschuss nach wie vor nicht ansprechbar.

Sant Niranjan Dass habe sich nicht an traditionelle Vorgaben gehalten, habe sich als Guru bezeichnen lassen und sei deshalb angefeindet worden, so die Vertreterin der indischen Community nach der Schießerei in Wien-Rudolfsheim-Fünfhaus. "Als Guru verehrt werden darf man erst, wenn man tot ist. So sehen das die streng Gläubigen. Seine Verhaltensweisen richteten sich gegen Regeln der alten Religion." Aus dem heiligen Buch dürfen demnach auch nur bestimmte Berechtigte lesen. Die Glaubensströmung von Dass und die damit verbundenen Konflikte gebe es seit Jahren.

"Hardcore-Gläubige" als Täter
"Solche Vorfälle schaden leider allen", erklärte die Frau. "Ich hoffe, dass jetzt nicht alle in einen Topf geworfen werden." Grundsätzlich seien Sikh-Angehörige und andersgläubige Inder in Österreich gut integriert. "Die, die da geschossen haben, waren Hardcore-Gläubige, die können sich äußerlich nicht in der Masse verstecken - mit Turban und langem Bart", so die Frau. "Es wundert mich halt, dass es da nicht mehr Kontrollen gibt." Die Männer hätten in Wien auffallen, bei einer Einreise aus Indien hätte man die Waffen entdecken müssen.

In Wien würden unter anderem auch sehr radikale Sikh-Anhänger leben. "Das sind nicht viele, aber es reicht ja einer", betonte die Inderin. "Ich hoffe, dass das ein einmaliger Vorfall bleibt und die Leute künftig mehr aufpassen." In der Sikh-Religion gibt es zwar keine Kasten, sprich höhere und niedrigere Klassen, betonte die Vertreterin. "Das ist aber nur eine Ideologie, im tatsächlichen Leben gibt es natürlich schon Unterschiede."

Alles rund um das Attentat sowie Bilder vom Tatort findest du in der Infobox!

Fünf Verdächtige im Landesgericht
Indes befinden sich fünf der sechs Männer, die für den Angriff verantwortlich sein sollen, mittlerweile im Landesgericht Wien. Über drei der Attentäter wurde bereits formell die Untersuchungshaft verhängt. Bei den anderen beiden soll dies nach Angaben der Staatsanwaltschaft spätestens Mittwoch geschehen. Laut Polizei sind drei der sechs Verdächtigen nach wie vor nicht identifiziert. Der sechste mutmaßliche Täter, durch einen Kopfschuss verletzt, ist nach wie vor nicht ansprechbar. Der Mann wurde vom Krankenhaus Krems in das Unfallkrankenhaus Meidling nach Wien überstellt.

Schwerverletzter außer Lebensgefahr
Der schwer verletzte Prediger Sant Niranjan Dass befindet sich laut dem behandelnden Spital definitiv außer Lebensgefahr. Er werde gut versorgt und es gehe ihm entsprechend gut. Laut Polizei erlitt der Mann einen Bauch-und einen Hüftknochensteckschuss. Der 68-Jährige erhält Personenschutz durch die Sondereinheit Cobra. Angehörige des Einsatzkommandos sowie Justizbeamte bewachen auch den mutmaßlichen Täter im UKH Meidling. Die beiden Spitäler werden darüber hinaus von der WEGA geschützt.

Das Hauptproblem bei den Einvernahmen und Befragungen von Zeugen sei derzeit, dass die Verdächtigen Urdu sprechen, und für diese Sprache nur sechs Dolmetscher zur Verfügung stehen. Übersetzt werden muss zudem ein Dialekt. Die Übersetzer verstehen ihn in gesprochener Form, nicht aber schriftliche Aufzeichnungen.

Die Gemeinschaft der Sikh in Österreich hat den Opfern des Attentats ihre Anteilnahme ausgesprochen und die Angriffe scharf kritisiert: "Da eine der Säulen des Sikhismus neben der Nächstenliebe die Gewaltlosigkeit ist, distanziert sich die Gemeinschaft der Sikh in Österreich von diesem Attentat und verurteilt jede Art des Fanatismus. Die Gemeinschaft der Sikh in Österreich fordert die lückenlose Aufklärung dieses feigen Anschlages, basierend auf den Grundlagen des österreichischen Rechtsstaates."

Häupl: Bedrohungspotenzial für die Zukunft
Wiens Bürgermeister Michael Häupl hat am Dienstag zur Vorsicht gemahnt: Die Polizei müsse nun in Zusammenarbeit mit den Organen der Stadt "damit fertig werden, dass es natürlich hier ein Bedrohungspotenzial für die Zukunft gibt", so das Stadtoberhaupt. Es gehe allerdings nicht darum, Panik zu erzeugen, sondern darum, vorsichtig zu sein, sagte Häupl. Anzusetzen sei hier im Vorfeld in der Kooperation mit den indischen Behörden, wobei diese gewährleistet sei. Was die Einreisepolitik betrifft, müsse man sich sehr genau anschauen, "was hier auf uns zukommen könnte", betonte der Bürgermeister.

Die Arbeit der Exekutive vor Ort wollte Häupl nicht beurteilen. Da er für die Wiener Polizei nicht verantwortlich und deshalb auch nicht in den Informationsfluss eingebunden sei, könne er nicht beurteilen, ob vor der Tat Personenschutz angefordert beziehungsweise ob dieser gewährleistet wurde. "Ich fürchte allerdings sehr, dass selbst wenn zwei Kriminalpolizisten vor Ort gewesen wären, diese die Auseinandersetzung nicht verhindern hätten können", unterstrich Häupl.

11.100 Inder und 2.800 Sikh in Österreich
In Österreich leben laut den Daten der Statistik Austria rund 11.100 Menschen, die in Indien geboren sind. Nach dem Stand von 2001 - den jüngsten verfügbaren Zahlen - gehörten in der Alpenrepublik 2.794 Menschen der Glaubensgemeinschaft der Sikh an, 3.629 dem Hindu-Glauben. Jeweils rund die Hälfte davon sind keine österreichischen Staatsbürger. In Wien wohnen 4.678 Inder (Stand Jänner 2008), zusätzlich gelten 3.490 Personen mit indischen Wurzeln in der Bundeshauptstadt als eingebürgert. Im vergangen Jahr erhielten 122 Inder die österreichische Staatsbürgerschaft.

2007 nahm die Zahl der in Österreich lebenden Inder um 357 Personen zu, 191 Menschen wanderten direkt aus Indien ein. Im gleichen Jahr wurden 385 Asylanträge gestellt, 2008 waren es 355. Der Höchstwert der vergangenen zehn Jahre wurde im Jahr 2002 mit 3.366 Anträgen erreicht. In diesem Jahr wurden auch die meisten indischen Staatsangehörigen (688) eingebürgert. Laut Erhebung der Statistik Austria im Jahr 2008 sind rund 6.400 der 11.100 in Österreich lebenden Inder erwerbstätig. Rund 800 gelten als arbeitslos, 1.300 dürften jünger als 15 Jahre alt sein - diese Zahlen sind aufgrund der hohen Schwankungsbreite statistisch nicht mehr verwertbar.

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