Nur Partnerschaft

EU-Beitritt: Türkei für Strasser “nicht reif”

Österreich
24.05.2009 14:13
Der EU-Spitzenkandidat der ÖVP, Ernst Strasser, hat am Sonntag einmal mehr betont, dass die Türkei seiner Meinung nach für einen EU-Beitritt "nicht reif" sei. Zu den in den vergangenen Tagen teils unterschiedlichen Meinungen innerhalb der ÖVP bezüglich möglicher Beitrittsverhandlungen sagte Strasser, er sei sehr wohl für Verhandlungen, nicht aber über beitrittsrelevante Kapitel.

Dazu, dass im ÖVP-Parteiprogramm steht, dass die Verhandlungen offen geführt werden sollten, sagte Strasser in der ORF-"Pressestunde": "Verhandlungen sind Verhandlungen, Beitrittsverhandlungen sind etwas ganz anderes". Und: "Die Verhandlungen sind auf Eis gelegt, und das ist gut so".

Partnerschaft, nicht Beitritt
Diese Meinung sei auch ÖVP-Linie. Im Mai 2008 seien die Verhandlungen de facto gestoppt worden - und zwar "aus gutem Grund". Es könne nicht sein, dass ein Mitgliedsland - Zypern - von einem möglichen Beitrittswerber "nicht mit voller Souveränität behandelt wird". Es sei ganz klar: "Die Türkei ist nicht reif für einen Beitritt." Auch mit dem Listenzweiten Othmar Karas, der zuletzt gemeint hatte, er sei dafür, die Tür nicht zuzuschlagen, sieht sich Strasser auf einer Linie. Er selbst spreche die Sache nur "pragmatischer" an, Karas diplomatisch. Es gehe um eine Partnerschaft mit der Türkei, nicht um einen Beitritt zur EU.

Kritik an der SPÖ
Kritik hagelte es für die SPÖ. So verstehe er deren "Zick-Zack-Linie" bei der Abstimmung über die neue EU-Asylrichtlinie nicht. Dass die SPÖ im nationalen Parlament dagegen, im EU-Parlament aber teilweise dafür gestimmt hat, sei nicht verständlich. Eine Aufweichung der Asylrichtlinien halte er - auch in Hinblick auf den Arbeitsmarkt - für schlecht, so Strasser.

Karas-Komitee "richtig und ganz in Ordnung"
Weiterhin gelassen präsentierte sich der ÖVP-Spitzenkandidat angesichts der breiten innerparteilichen Unterstützung für Karas. Dessen Unterstützungskomitee sei "richtig und ganz in Ordnung". Er selbst brauche keine Unterstützer, denn er habe die "einhellige Nominierung des Parteivorstandes". Das ganze sei eine "ganz klare Strategie" zu zeigen, "dass wir das stärkste Team im Verhältnis zu allen anderen haben". Er werde jedenfalls für die Leitung der VP-Delegation kandidieren, entschieden werde aber in geheimer Wahl.

Gegen Rechtsextremismus "klar auftreten"
Zur aktuellen Diskussion um Rechtsextremismus in Österreich fand Strasser recht klare Worte. "Da müssen wir klar auftreten". Zu diesen Gräueln brauche es eine klare Trennlinie. Gleichzeitig müsse man die Sorgen der Leute ernst nehmen und sie lösen, nur so komme man gegen Rechtspopulismus an. Eine Einordnung seiner Person am rechten Rand der ÖVP lehnte er ab - er sehe sich "in der Mitte des politischen Spektrums". Zum EU-Wahlkampf der FPÖ sagte Strasser, das Kruzifix gehöre in die Kirche, nicht in eine Parteiveranstaltung.

Debatte um NR-Präsident Martin Graf nicht verfolgt
Mit einer Wissenslücke überraschte Strasser auf die Frage, ob er Martin Graf (FPÖ) als dritten Nationalratspräsidenten gewählt hätte, wäre er im Parlament gesessen: "Ich kenne die Details nicht." Er habe das politische Geschehen in Österreich damals nicht so intensiv verfolgt.

Kritik und Hohn nach Strasser-Auftritt
SPÖ, FPÖ, BZÖ und die Grünen reagierten mit Kritik und Hohn auf den Auftritt von Strasser in der "Pressestunde". Während der Spitzenkandidat der SPÖ, Hannes Swoboda, bemängelte, dass sich Strasser zu den Themen Arbeitslosigkeit und soziale Sicherheit nicht geäußert habe, sprach SPÖ-Bundesgeschäftsführer Günther Kräuter gar von einem "katastrophalen Auftritt“. Die FPÖ sah wie die Grünen einen "Eiertanz" rund ums Thema Türkei-Beitritt, das BZÖ sprach von "winden und flunkern" und für Hans-Peter Martin war Strasser "schlichtweg peinlich".

Kritik gab es von Swoboda auch für Strassers "krampfhaften Versuch, den Neoliberalismus der Sozialdemokratie zuzuschieben". Für Kräuter hat sich Strasser in Kernfragen "völlig inkompetent" gezeigt. Auch FPÖ-Europasprecher Johannes Hübner attestierte Strasser Ahnungslosigkeit, vor allem in Sachen Türkei-Beitritt. Die ÖVP und ihr Spitzenkandidat vollführe bei diesem Thema einen "Eiertanz". Dass Strasser bezüglich der ÖVP-Delegationsleitung nach der Wahl auf eine geheime Wahl im Europaklub verwies, zeigt für Hübner, dass Strasser in der eigenen Partei stark umstritten sei.

"Drehen, winden und flunkern"
Auch das BZÖ konnte dem Auftritt nichts Gutes abgewinnen. Generalsekretär Stefan Petzner sprach von einem "drehen, winden und flunkern" - und nannte dafür den "kläglichen Versuch, den schwellenden Streit zwischen Strasser, Karas und großen Teilen der ÖVP als geplante Strategie zu verkaufen" oder "den Drahtseilakt zu wagen, die Forderung nach einem Stopp der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei irgendwie in Einklang mit der ÖVP-Parteilinie zu bringen".

Einen "Eiertanz" rund um den EU-Beitritt der Türkei sahen auch die Grünen. Strasser habe in der Pressestunde nicht klarmachen können, wofür die ÖVP bei dieser Europa-Wahl eigentlich stehe. Karas und Strasser würden gegensätzliche Positionen vertreten, meinte Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek. "Fast zum Genieren" fand Martin den Auftritt Strassers. Dieser habe sich uninformiert präsentiert und sei bestenfalls vage geblieben. "Da ging einer baden, weil er inhaltlich schwimmt", meinte Martin.

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