CERN-Debatte

Faymann nach Treffen mit Hahn: Kein Austritt

Österreich
18.05.2009 16:46
Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) hat in der Diskussion um einen Ausstieg Österreichs aus dem Europäischen Kernforschungszentrum CERN ein Machtwort gesprochen. "Ich kann mir einen Austritt nicht vorstellen, ich bin dagegen", machte Faymann nach einem Treffen mit Wissenschaftsminister Johannes Hahn (ÖVP) klar, dass seine Partei nicht die notwendige Zustimmung zu dem Plan in Ministerrat und Parlament geben wird.

Faymann begründete seine Haltung mit der im Forschungsbereich notwendigen Nachhaltigkeit und Verlässlichkeit. "Reputation und Ansehen Österreichs ist etwas, das übergeordnetes Interesse hat", betonte der Kanzler, der damit die Diskussion um den Austritt für beendet sieht.

Faymann betonte, von Beginn der Diskussion an nichts gegen die Überprüfung von Mitgliedschaften und inhaltliche Richtungen der verantwortlichen Minister gehabt zu haben. Man könne auch nicht grundsätzlich sagen: "Einmal dabei und ab dann interessiert uns nicht, was dort geschieht oder wie es dort weitergeht", Budgetpositionen seien nicht automatisch fortzuschreiben. Bei CERN handle es sich aber um eine Mitgliedschaft in einem europäischen Forschungsbereich, der seit über 50 Jahren "wesentliche Erfolge aufzuweisen hat".

Besorgnis über die Reputation Österreichs
Vielleicht könne Österreich hier zukünftig auch eine größere Rolle spielen. Er habe mit Hahn beraten, wie Verbesserungschancen aussehen könnten. Und er habe als Bundeskanzler auch das Ansehen unseres Landes zu beachten "und damit eine gewisse Gesamtverantwortung zu übernehmen - und ich habe hier klargemacht, dass ich mir einen Austritt nicht vorstellen kann", so Faymann, der auch auf die "Tausenden Wissenschaftler", die sich zu Wort gemeldet und ihre Besorgnis über die Reputation Österreichs geäußert hätten, verwies.

Hahn: Umschichtungen im Forschungsbudget nötig
Hahn betonte erneut, dass sich sein Ressort bei einem Austritt mit Ende 2010 in dieser Legislaturperiode rund 60 Millionen Euro erspart hätte. Er habe nie einen Hehl daraus gemacht, welche tolle Arbeit am CERN gemacht worden sei. Aber klar sei auch, dass "in einer Güterabwägung aus der Sicht des Forschungsministers hier andere Prioritäten zu setzen gewesen wären". Er nehme aber die "übergeordneten staatlichen Überlegungen zur Kenntnis", so Hahn.

"Natürlich muss ich jetzt mein Forschungsbudget neu organisieren", es könne ja nur innerhalb des Ressorts zu Umschichtungen kommen. Das Budget werde neu konzeptioniert, "ich gehe davon aus, dass ich dann die Unterstützung des Koalitionspartners habe, wenn wir ein gemeinsames Anliegen haben, den Forschungsstandort Österreich weiter zu entwicklen", so Hahn. "Wir werden auch danach trachten, dass wir das MedAustron-Projekt, das ein interessantes und wichtiges ist, gut über die Bühne bekommen. Hier wird es die Unterstützung für Niederösterreich geben. Aber es muss auch klar sein, dass die Kosten nicht ins Uferlose gehen", so Hahn.

Hahn gab zu, die Reaktion auf seine Pläne "in der Heftigkeit" unterschätzt zu haben. Es sei aber nun einmal unbestritten, dass die Aufwendungen für das Forschungsprojekt gigantisch seien. Hahn verwies auch auf die alte Organisationsstruktur. Der Mitteleinsatz müsse "auch in Absprache mit anderen Ländern optimiert werden". Andere moderne Forschungsprojekte seien ungleich günstiger.

LH Pröll: "Chance für Forschungsprojekt in NÖ"
Indes reagierte Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP) am Montagnachmittag erfreut darauf, dass es nicht zu einem CERN-Austritt kommen wird. Gemeinsam mit Bundeskanzler Faymann sei es gelungen, dass ein niederösterreichisches Anliegen durchgesetzt werde, so Pröll. Das sei die "Chance für ein Forschungsprojekt in Niederösterreich von internationalem Format". Pröll sprach in diesem Zusammenhang das geplante MedAustron in Wiener Neustadt an. Dieses Krebsforschungs- und Behandlungsprojekt sei die "Hoffnung für Tausende Patienten, die dort einmal behandelt werden können", betonte der Landeshauptmann.

Pröll hatte erst am vergangenen Freitag scharfe Kritik an Hahn nach dessen Ankündigung geübt, dass Österreich aus dem Forschungsprojekt CERN aussteigen werde (siehe Story in der Infobox). Pröll sah dadurch MedAustron gefährdet. Für diesen Fall hatte er Hahn "einen unglaublichen Konflikt mit dem Bundesland Niederösterreich und mit mir" angekündigt.

"Das ist ein Gewinn auch für die Wissenschaft als Ganzes"
Erfreut und erleichtert reagierte auch Christian Fabjan, Direktor des Instituts für Hochenergiephysik (HEPHY) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), auf die Nachricht vom Verbleib Österreichs bei CERN. "Das ist ein Gewinn für die Teilchenphysik in Österreich, aber auch für die Wissenschaft als Ganzes", so der Wissenschaftler.

Im Nachhinein betrachtet habe die Diskussion geholfen, das Bewusstsein für die Grundlagenforschung in Österreich zu stärken, ist Fabjan überzeugt. Man habe nun einen hohen Auftrag übernommen, noch sorgfältiger mit den zur Verfügung stehenden Mitteln umzugehen, und auch die eigenen Ergebnisse stärker als bisher der Öffentlichkeit zu präsentieren. Weiters sollte das Potenzial der Kooperation Österreichs mit dem CERN über die Physik hinaus herausgestrichen werden. So sei das Zentrum nicht zuletzt eine wichtige Ausbildungsstelle für junge Wissenschafter und Techniker.

Grüne: "Irrweg des Wissenschaftsministers ist beendet"
"Der Irrweg des Wissenschaftsministers bezüglich CERN ist beendet, Hahn musste klein beigeben", so kommentierte der Wissenschaftssprecher der Grünen, Kurt Grünewald, die Entscheidung. Mit seiner "unverständlichen Entscheidung" habe Hahn der Reputation Österreichs in der wissenschaftlichen Gemeinschaft "schweren Schaden zugefügt". Nun gehe es darum, zusätzliche Mittel bereitzustellen, damit anderen internationalen Projekten und dem Wissenschaftsfonds FWF kein Schaden erwachse.

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