Lösegeldfrage

Geisel-Freilassung wird jetzt Fall fürs Parlament

Österreich
04.11.2008 10:13
Die Bundesregierung begegnet den Gerüchten über mögliche Geldflüsse bei der Freilassung der beiden über acht Monate in der Sahara festgehaltenen österreichischen Geiseln weiterhin mit Dementis: Nach den Worten von Außenministerin Ursula Plassnik, Verteidigungsminister Norbert Darabos und Innenministerin Maria Fekter wurde die Freilassung durch beharrliche Diplomatie und nicht durch Lösegeldzahlungen erreicht. Die FPÖ will dies nicht glauben und die Regierung im Parlament mit exakt 57 Fragen zur Freilassung der Geiseln regelrecht "verhören", auch das BZÖ hat Schritte angekündigt. Was die Befreiung kostete, will die Regierung nicht ausrechnen. Von Ebner und Kloiber könnten maximal 20.000 Euro eingefordert werden.

"Standhaftigkeit, Beharrlichkeit und Diplomatie" hätten zum Erfolg geführt, Österreich habe sich nicht erpressen lassen und kein Lösegeld bezahlt, betonte Plassnik Montagvormittag in einer gemeinsamen Pressekonferenz, an der auch Sonderbotschafter Anton Prohaska teilnahm. Plassnik rief die Medien auf, nicht durch Spekulationen über Lösegeldzahlungen "Semirealitäten" zu schaffen, die letztlich den Terroristen in die Hände spielten. Sie zeigte sich verärgert über "selbsternannte Experten", "Besserwisser und Wichtigtuer". Am Tag nach der Freilassung hatte es aus Insider-Quellen in Mali geheißen, es sei gezahlt worden. Am Wochenende gab es auch aus österreichischen Diplomatenkreisen entsprechende Meldungen.

Darabos: "Jeder Staatsbürger hat Recht auf Hilfe"
Darabos ersuchte um Verständnis, dass Andrea Kloiber und Wolfgang Ebner bis auf Weiteres der Öffentlichkeit fernbleiben wollen. "Sie entscheiden von sich aus, wann sie an die Öffentlichkeit gehen." Im Krisenstab hätten unter Federführung des Außenministeriums Bundeskanzleramt, Verteidigungsministerium und Innenministerium zusammengearbeitet und in "schwierigen Zeiten professionell agiert". Das Heeresnachrichtenamt habe professionelle Arbeit geleistet. Jeder Staatsbürger habe ein Recht auf Hilfe seitens der Bundesregierung, sagte Darabos zu den Berichten über angebliche Lösegeldzahlungen. Die Republik Österreich werde sich auch künftig für ihre Bürger einsetzen.

Fekter hob hervor, dass die Geiseln in den acht Monaten der Entführung mehrfach in Lebensgefahr geschwebt seien. Dies gelte insbesondere für den langen Weg der Verschleppung aus Tunesien nach Mali. Die Innenministerin verwies auch auf die klimatischen Belastungen, denen Mitteleuropäer in der Sahara ausgesetzt seien. Seitens des Innenministeriums seien die Sondereinsatzgruppe WEGA und das Amt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung in die Bemühungen um die Freilassung der Geiseln involviert gewesen.

Mali "Schwerpunktgebiet der Entwicklungsarbeit"
Plassnik bekräftigte, dass die Befreiung durch Diplomatie erreicht worden sei, wobei der Präsident Malis, Amadou Toumani Toure, eine Schlüsselrolle gespielt habe. Toumani Toure sei in der afrikanischen Politik eine Ausnahmeerscheinung und werde Österreich in absehbarer Zeit einen Besuch abstatten. Insgesamt habe die Geiselaffäre den Beziehungen zwischen beiden Ländern nicht geschadet, sagte Plassnik ironisch. Die Region sei ein Schwerpunktgebiet der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit. Es seien aber derzeit keine konkreten Projekte zugesagt.

"Zweifellos hohe Kosten" - aber "gesetzliche Pflicht"
Plassnik berichtete auf eine entsprechende Frage, dass in der Bundesregierung zu Beginn der Geiselkrise auch die Möglichkeit einer gewaltsamen Befreiung besprochen worden sei. Man habe sich rasch darauf verständigt, dass eine Befreiungsaktion für Österreich nicht infrage komme - auch nicht von Partnerländern oder der malischen Seite. Die Frage, ob sich Kloiber und Ebner leichtsinnig verhalten hätten, sei noch nicht zu beantworten. Gesetzlich sei bei "grobem Verschulden" eine Kostenbeteiligung vorgesehen, die mit 20.000 Euro begrenzt sei. Das Außenministerium werde keine Bilanz der Gesamtkosten des Konsularfalles ziehen, weil eine solche Bilanz technisch nur mit größtem Aufwand möglich sei. Es seien zweifellos hohe Kosten entstanden. Österreich sei aber gesetzlich verpflichtet, Staatsbürger zu unterstützen, die im Ausland in Schwierigkeiten gerieten. Der österreichische Sonderbotschafter Prohaska dankte den beteiligten Ministerien für die "gute Zusammenarbeit und Diskretion im Team Bamako". Für den genauen Hergang der Befreiung sei er "ein wenig geeigneter Augenzeuge", weil er sich rund 1.800 bis 2.300 Kilometer entfernt aufgehalten habe. Es sei davon auszugehen, dass die Geiselnehmer anschließend "in alle Richtungen auseinandergestoben" seien.

FPÖ stellt 57 Fragen zur Freilassung
Unterdessen ist die FPÖ auf die Berichte über Lösegeldzahlungen aufgesprungen und hat eine parlamentarische Anfrage mit 57 Fragen an die Außenministerin angekündigt. FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky will von der Ministerin wissen, ob die Summe von fünf Millionen für die Freilassung stimme und wer wie viel an wen bezahlt habe. Unter anderem will die FPÖ auch wissen, ob es Zahlungen an die Gaddafi-Stiftung - laut einer algerischen Zeitung, soll ein Geld über eine Stiftung des libyschen Revolutionsführers an die Terroristen und das Land Mali geflossen sein - gegeben habe und wie hoch die Kosten für gecharterte Flugzeuge und für den Aufenthalt von Botschafter Prohaska in Mali gewesen seien.

Auch BZÖ kündigt parlamentarische Anfrage an
Neben der FPÖ hat auch das BZÖ eine parlamentarische Anfrage zu den Sahara-Geiseln angekündigt. BZÖ-Generalsekretär Martin Strutz warf am Montag ebenfalls die Frage auf, ob österreichische Steuergelder an die Al Kaida geflossen seien und erklärte in Richtung von Außenministerin Plassnik, sie solle endlich aufhören, "die Bevölkerung anzuschwindeln". "Laut Informationen erhält die Regierung in Mali 2,5 Millionen Euro, die Rettungskosten betragen 0,5 Millionen und die Al-Kaida-Terroristen bekamen 2 Millionen Euro. (Die Zahlen sind nicht neu, Anmk.) Alle Experten bestätigen, dass mehrere Millionen Euro Lösegeld geflossen sein müssen", so Strutz in einer Parteiaussendung. Es sei "sehr wahrscheinlich", dass österreichisches Steuergeld an das Terror-Netzwerk Al Kaida bezahlt wurde." Strutz kritisierte zugleich die maßlose "Wichtigtuerei" Plassniks bei der Rückholung der befreiten Österreicher.

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