Zweiter Tag

Sterbehilfeprozess: Wollte Frau wirklich sterben?

Österreich
17.10.2008 02:36
Fortsetzung im Prozess um den Salzburger Lungenfacharzt Helmut Wihan: Der frühere Mediziner steht wegen Mordes vor Gericht. Er soll der 70-jährigen Winifried Wieser-Sigl im Juni 2006 in ihrem Haus in Obertrum eine tödliche Injektion verabreicht haben. Wihan selbst gibt zu: "Ja, ich habe ihr eine Spritze mit Morphium gegeben und damit aktiv Sterbehilfe geleistet. Aber es war ihr Wunsch, ich bin kein Mörder!" Am zweiten Prozesstag wurden 15 Zeugen gehört, darunter die Haushälterin und der Sohn des Opfers, die durchaus widersprüchliche Angaben über die Verstorbene machten.

War es Mord oder Tötung auf Verlangen? Dieser Frage versuchte Donnerstag das Geschworenen-Gericht am Landesgericht Salzburg weiter nachzugehen. Der Angeklagte sorgte zu Beginn der zweiten Verhandlungsrunde gleich für eine Überraschung: Statt seines bisherigen Anwalts Utho Hosp verteidigt nun Peter Cardona, ein Schulfreund Wihans, den Mediziner. "Wir kennen uns seit 50 Jahren, haben gemeinsam maturiert", so Cardona.

Sterbewille ja, Sterbewille nein
Die Aussagen der Weggefährten Wieser-Sigls waren durchaus unterschiedlich: Haushälterin Hildegard H. (60), sie stand 27 Jahre für "die Chefin", wie sie sagte, in Diensten: "Sie nahm viele Medikamente. Am Tag vor ihrem Tod wirkte sie nervös, aber von sterben wollen sagte sie nichts." Der Sohn, Friedrich S. (40), der seit 2003 in den USA lebt: "Ihr Zustand war entsprechend einer 70-Jährigen. Sie war krank, hatte einen geistigen Abbau. Dass sie nicht mehr kann hat sie schon erwähnt, als ich 17 war - und dann immer wieder. Aber es gab keinen Hinweis, dass sie das ernst meinte." 

Viele Schicksalsschläge
Sie sei mehr als 20 Jahre lang depressiv gewesen und habe öfters einen Sterbewillen geäußert, "das erste Mal, als ich 17, 18 Jahre alt war", so der Arzt. Seine Mutter habe viele Operationen gehabt, "im Zeitraum von 2000 bis 2006 sind es acht gewesen", sagte der Zeuge. Mehrere Schicksalsschläge hätten ihr Leben erschwert. "Als 26-Jährige hat sie eine Tuberkulose überlebt, sie war alleinerziehende Mutter - mein Vater ist an Leberkrebs gestorben, als ich sieben Jahre alt war", so der Sohn.

Keine Entschuldigung von Wihan
Ein paar Tage vor ihrem Tod habe ihn seine Mutter in Amerika angerufen und ihm vorgeworfen, sie nicht zu mögen: "Das war für mich befremdend. Todessehnsüchte hat sie da nicht geäußert", führte der Mediziner weiter aus. Die Familie habe ein finanzielles Problem belastet, es sei um einen Kredit über 1,2 Millionen Euro gegangen. Den Todestag interpretiere er so, "dass sie einen Schwächezustand hatte, dass sie geglaubt hat, sie sei in einer finanziellen Notsituation". Die Frage des Privatbeteiligten-Vertreters Kurt Jelinek, ob sich Wihan für die Tat bei ihm entschuldigt hätte, beantwortete der 40-Jährige mit "nein".

"Geistig bis zum Schluss sehr rege"
Clemens A. (29), der mit der Frau zwar nicht verwandt war, aber sie durch seinen Vater kannte und "Tante Winni" nannte, hatte viel Kontakt: "Sie war für mich geistig bis zum Schluss sehr rege. Rückblickend war für mich klar, dass sie selbst bestimmen würde, wie und wann sie stirbt..." Bestatter Konrad L. schilderte hingegen: "Ja, Frau Wieser-Sigl hat sich erkundigt, wie viel eine Beerdigung oder eine Überführung von Genf nach Salzburg kostet." Genf, weil sie sich offenbar über eine mögliche Sterbebegleitung in der Schweiz informiert haben soll.

Der Prozess wird am 16. Dezember fortgesetzt, dann erläutert Peter Hofmann sein psychologisches Gutachten über Wieser-Sigl. Das Urteil soll am 17. Dezember folgen.

Von Max Grill, Kronen Zeitung, und krone.at

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