Machtpoker beginnt

Faymann stellt Pröll 14-Tage-Ultimatum

Österreich
09.10.2008 11:31
Der Machtpoker um die Koalition beginnt. SPÖ-Chef Werner Faymann hat am Mittwoch - nachdem er den Auftrag zur Regierungsbildung von Bundespräsident Heinz Fischer erhalten hatte (siehe Video) - Verhandlungen mit anderen Parteien als der ÖVP erneut klar und deutlich ausgeschlossen: "Ich habe keinen Plan B [...] Ich will jetzt sehr rasch die Frage klären, wann wir mit Verhandlungen beginnen und wie der Ablauf aussehen soll", erklärte Faymann. Dem ließ er sogar ein Ultimatum an Neo-ÖVP-Chef Josef Pröll folgen: "Nach 14 Tagen würde ich gerne wissen, ob wir zu einem Verhandlungsteam kommen." Pröll äußerte grundsätzlich Gesprächsbereitschaft, vor richtigen Koalitionsverhandlungen will er jedoch ein "Österreich-Gespräch" mit allen Parteien.

Faymann betonte gegenüber Ö1, dass er immer gesagt habe, er wolle keine Regierungsbeteiligung von FPÖ oder dem BZÖ. Dazu habe er sich vor der Wahl entschieden. "Das ist ein taktischer Nachteil - aber ich glaube, das ist ein Vorteil für das Land". Faymann zeigte sich überzeugt davon, "dass man mit guten Argumenten etwas durchsetzen kann", es müsse aber auch klar sein, dass man in einer Verhandlung nie alles durchsetzen könne. "Wir haben aber sehr darauf geachtet, dass wir keine Wahlversprechen abgeben, die wir nachher nicht halten können."

Eine Festlegung auf ein bestimmtes Ressort oder auf eine bestimmte Bedingung habe man daher "bewusst nicht gemacht". Bezüglich der EU-Frage erklärte Faymann, er könne sich "nicht vorstellen, dass irgendeine andere Partei verlangt, dass ich die Position der SPÖ zurücknehme". Es sei nicht notwendig, es in einem Regierungsprogramm festzulegen, betonte Faymann. Ein Regierungsprogramm, in dem steht, es dürfe keine EU-Volksabstimmung geben würde, würde Faymann "natürlich nicht" unterzeichnen. Auf die Frage, ob es eine Minderheitsregierung gebe, wenn die Verhandlungen scheitern, meinte Faymann, er gehe "nicht vom Negativen aus". Der SPÖ-Chef ludt Pröll ein, bereits am Donnerstag ein erstes Gespräch zu führen.

Faymann: "Habe keinen Plan B"
Direkt nach der Beauftragung durch den Bundespräsidenten am Mittwochvormittag vor dem Ministerrat hatte Faymann zugegeben, keinen "Plan B" zu haben, sollte es zu keiner Großen Koalition kommen. Er betonte, dass es unhöflich wäre, dem Gesprächspartner auszurichten, auch Alternativen anzupeilen, wie dies Josef Pröll etwa im Interview mit krone.tv (siehe Infobox) tat. Faymann zeigte sich aber optimistisch, was die kommenden Gespräche mit der ÖVP betrifft. "Ich kenne Josef Pröll schon sehr lange."

Regierung bis Weihnachten?
Was die Regierungsbildung - im Falle des Zustandekommens von Koalitionsverhandlungen - betrifft, wünscht sich Faymann, dass dies noch vor Weihnachten erledigt ist. "Wenn es Anfang Dezember ist, ist es noch besser." Bundespräsident Fischer wollte sich auf ein Wunschdatum für einen Abschluss der Gespräche nicht direkt festlegen, schloss aber nicht aus, später einmal ein genaues Datum zu nennen, wie er das schon bei der letzten Regierungsbildung getan hatte. Wünschenswert wäre auch für ihn, wenn alles bis Weihnachten abgeschlossen werden könnte.

Pröll will vorher "Österreich-Gespräch" führen
Josef Pröll reagierte auf Faymanns 14-Tage-Ultimatum nicht direkt. Er hatte aber schon am Vormittag Bereitschaft für ein baldiges Annhäherungsgespräch – eventuell bereits Donnerstag – durchblicken lassen. Vor etwaigen Regierungsverhandlungen will Pröll allerdings alle Parteien an einen Tisch bringen. Als Hintergrund nennt er die nicht mehr gegebene Zwei-Drittel-Mehrheit von SPÖ und ÖVP, die man für große Projekte bräuchte und daher auf die Zustimmung anderer Parteien angewiesen sei. Pröll nennt die Forderung "Österreich-Gespräch", parallel dazu soll es auch Einzelgespräche geben, wie er sie bereits mit FPÖ-Chef Strache und Haider vom BZÖ führte.

Ohne das "Österreich-Gespräch" sieht Pröll wenig Chancen, in die Zielgerade für Regierungsverhandlungen einzubiegen. Und potenzielle Partner müssten auf die Forderungen der ÖVP eingehen, "wenn sie uns so gerne haben", so Pröll in Richtung SPÖ. Die gescheiterte und von der ÖVP mit den Worten "Es reicht!" aufgekündigte Regierung bezeichnete Pröll als "handlungsfähig".

Faymann "Österreich-Gespräch" gegenüber offen
SPÖ-Chef Werner Faymann ließ darauf wissen, er stehe dem von der ÖVP eingeforderten "Österreich-Gespräch" mit allen Parlamentsparteien offen gegenüber. Dies sei durchaus auf der Linie des sozialdemokratischen Kanzlerkandidaten, erklärte dessen Sprecher, bezugnehmend darauf, dass Faymann schon zuletzt einen neuen Stil mit offenen Diskussionen eingefordert habe. Daher sei es durchaus vorstellbar, dass der SPÖ-Vorsitzende zu solch einer Diskussion mit Experten und anderen Parteien vor Beginn der eigentlichen Regierungsverhandlungen einlade.

Hundstorfer gegen "Spielchen", Leitl für "Eingangsphase"
ÖGB-Präsident Rudolf Hundstorfer kann dem Vorschlag Prölls für ein "Österreich-Gespräch" nichts abgewinnen: Er sei gegen "Spielchen" und für "rasches Handeln", betonte Hundstorfer am Mittwoch in einer Pressekonferenz anlässlich eines Sozialpartnertreffens in Bad Ischl in Oberösterreich. Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl hingegen bezeichnete den Pröll-Vorstoß dagegen einen "notwendigen ersten Schritt".

Es brauche eine "Eingangsphase" zur Abklärung, so Leitl, der in dem Vorschlag keine "Verzögerungstaktik" sieht. Hundstorfer ist überzeugt, dass Pröll bis Ende der Woche, wenn alle relevanten Wirtschaftsdaten auf dem Tisch lägen, seine Meinung ändern werde. Sowohl der ÖGB- als auch der Wirtschaftskammerpräsident traten erneut für eine Regierungsbildung bis Jahresende ein.

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