"Paradiso"

Uraufführung mit Hilde Sochor in Walfischgasse

Wien
25.09.2008 13:17
Theaterautorin Lida Winiewicz schrieb für Volksschauspielerin Hilde Sochor das Stück "Paradiso", das Winiewicz-Sohn Mathias Lefevre, Mittwochabend im Wiener Stadttheater Walfischgasse zur Uraufführung brachte. Die Inszenierung, in der Sochor das erste Mal gemeinsam mit ihrer Tochter Katharina Scholz-Manker auf der Bühne stand, war allzu brav und etwas blutleer. Das Stück ("Paradiso") hingegen überzeugte über weite Strecken mit pointierten Dialogen. Am Ende gab es für Sochor Standing Ovations und für das Team herzlichen Applaus.

"Paradiso" - so heißt ein vorbildliches Pflegeheim, in das die betagte ehemalige Schuldirektorin Martha ganz sicher niemals einziehen wird. "Das haben noch alle gesagt, die heute dort sind", kontert Vicky trocken. Vicky ist gelernte Krankenpflegerin, "spätes Mädchen mit Strick-Tick" (Martha), im Abbruchhaus vis-a-vis wohnende Nachbarin und eine Park-Bekanntschaft der ansonsten nur den Enten und einem liebevoll gefütterten "Grünschwanz" zugetanen ruppigen Pensionistin. Da die beiden Frauen weder Kinder noch sonstige Verwandt- oder Bekanntschaft haben, entwickelt sich eine Beziehung, deren Stationen Lida Winiewicz in ihrem tragikomischen Zwei-Personen-Stück nachzeichnet.

Es ist nicht alles Gold was glänzt
Die Frau Direktor ist pedantisch, misstrauisch, äußerst sparsam und ziemlich bissig. "Einer der wenigen Vorteile des Alters: Man muss nicht höflich sein." Die arbeitslose Pflegerin, deren letzter Privat-Pflegepatient kürzlich verstorben ist, knüpft dagegen die Bekanntschaft nicht ganz uneigennützig. Man muss ja von etwas leben. Doch auf der Sterbeversicherung, die sie verkaufen will, bleibt sie sitzen, und der kühnen Behauptung "Ich werde Sie sowieso beerben" hält Martha entrüstet ihre eigenen Pläne entgegen: Das Geld bekommt "Vox dei", ein Verein zur Wiedereinführung der lateinischen Messe. Die alte Dame wird zunehmend gebrechlicher, und Vicky gelingt es, in ihre Wohnung als Untermieterin einzuziehen - die freie Kost und Logis entpuppt sich allerdings als Fronarbeit mit drei Mal täglich Kochen, zwei wöchentlichen Massagen und Silberputzen unter Aufsicht...

Dass auf der einen Park andeutenden kargen Bühne Mutter und Tochter miteinander spielen hat Charme und ist aber zugleich auch ein Handicap. Denn während Sochor souverän Pointen setzt und die Bissgurn glaubhaft mit einigen Facetten ausstattet, bleibt Katharina Scholz-Manker etwas blass, setzt zu wenig dagegen. So geht die Fallhöhe verloren, die Distanz, aus der die Annäherung zweier einsamer, vom Leben ähnlich gezeichneter Menschen erfolgt. Sochor aber, vor einem Jahr mit dem Lebenswerk-"Nestroy" ausgezeichnet, ist ein Erlebnis. Ihre Erinnerungen an das Papiertheater, in dem der vor Stalingrad gefallene Vater mit ihr Schiller-Balladen in Szene setzte, sind voller Poesie, ihre letzten Szenen als bereits vom Schlaganfall gezeichnete Frau sind bestürzend lebensecht.

Schluss sollte überarbeitet werden
Mit "Späte Gegend" hatten Winiewicz und Sochor vor einigen Jahren bereits einen großen gemeinsam Erfolg. "Paradiso" könnte ein ebensolcher Hit werden. Das überraschende, wenig glaubhafte und bei der Uraufführung szenisch keineswegs bewältigte Ende sollte jedoch dringend überarbeitet werden.

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