21.02.2009 17:09 |

Sex und Gewalt

"Revanche": Zwischen Rache und Versöhnung

Revanche: eine erlittene militärische oder sportliche Niederlage durch einen Sieg ausgleichen, so die spröde Interpretation des Dudens. Was aber, wenn der banale Lebenskampf nur Verlierer zurücklässt, wenn der vermeintliche Sieg noch im selben Moment schal schmeckt, weil der dumpfe Schmerz der Verzweiflung wie eine Axt zuschlägt? Götz Spielmanns Oscar-nominierte Chronik einer Tragödie ist die fesselnde Nahaufnahme lakonisch gezeigten Elends abseits aller Konventionen.
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„Revanche“, so also der Titel der filmischen Meditation über Schuld und Rache von Götz Spielmann, ein Film, der von Männergewalt und den Verstrickungen des Schicksals erzählt - und von den Seelenqualen, das ein vom Zufall gesteuertes Drama nach sich zieht. Die beklemmende Alltagstristesse ist idealer Humus für rosig ausgemalte Auswegsszenarien. Alex (Johannes Krisch), Handlanger des Wiener Rotlichtzampanos Konecny (richtig fies: Hanno Pöschl), träumt von einer besseren Zukunft für sich und die ukrainische Prostituierte Tamara (Irina Potapenko - sie erhielt für ihren Part den Max-Ophüls-Preis!), die er aufrichtig mag.

Als die junge Frau zusammengeschlagen wird, um sie so für den „Schutz“ ihres Zuhälters gefügig zu machen, flieht Alex mit ihr. Ein Banküberfall soll Schuldenprobleme lösen! Eine Herzensnaivität, die zur Variation einer „Coen’schen Chronik“ einer sich ankündigenden Tragödie wird, jedoch bar jeglichen Sarkasmus. Ein Polizist wird auf das Fluchtauto schießen und Tamara tödlich verwunden.

Flucht auf verlassenen Hof
Betäubt von der Wucht des Verlustes, zieht sich Alex auf den Einschichthof seines Großvaters zurück. Dort wird er Holzscheite spalten. Bis zur Erschöpfung. Es ist die ohnmächtige Wut, die pure Verzweiflung, die das Beil führt. Gegen die Strömung der Trauer lässt es sich nicht anschwimmen. In Tamaras Armen hatte Alex, der Streuner, der Unbehauste, eine Heimat gefunden. Doch Tamara ist tot. Und er wieder heimatlos. Als Alex irgendwann entdeckt, dass der Polizist, der den todbringenden Schuss abgegeben hat, mit seiner Frau Susanne (Ursula Strauss) ganz in der Nähe wohnt - auch er in einem Kokon latenten Unglücks eingesponnen -, will er Rache, eine Revanche.

Götz Spielmann lässt seine Figuren unausweichlich aufeinander zutreiben. Bisweilen ist die Lebenssee nur ein kleiner Tümpel. Karge Dialoge und Opulenz der Emotion - das muss kein Widerspruch sein. Vom ersten Moment an entwickelt sein Minimalistendrama eine geradezu hinterhältige Sogwirkung. Explizite Sexszenen und die Darstellung der brutalen Halbwelt könnten silanisierte Schöngeister verstören. Es ist dies eine lakonische Tristesse, die sich in „Revanche“ breit macht.

Spielmann: „Nichts geschieht umsonst“
Doch die Beiläufigkeit der Inszenierung täuscht. Denn die Wahrhaftigkeit der vielen Stationen dieses heutigen Kreuzweges lugt hinter nüchternen Andeutungen hervor. Spielmanns Credo: Nichts geschieht umsonst. Ungerührt folgt er den Sinuskurven des Lebens, die Schönes und Schwieriges mit sich bringen. Der Substanz unseres Daseins auf die Spur zu kommen, ist sein Ziel. Immer wieder.  

Alex wird auf dem Land bleiben. Weil er Zuflucht gefunden hat. Weil sein Unglück nicht mehr regungslos verharrt, sondern sachte zerrinnt - wie Schnee, der taut. Nein, knietief ist er nicht, der Melancholie-Morast. Götz Spielmann: „Man wirft dem österreichischen Film oft genug Pessimismus vor. Ich bin ein optimistischer Filmemacher. Ich glaube ans Leben!“ („Revanche“, derzeit in unseren Kinos)

Christina Krisch, Kronen Zeitung

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