Großalarm in Indien

Superkeime von Pharmafabriken in Flüsse geleitet

Wissenschaft
06.05.2017 07:07

Umweltalarm in Indien: In den Gewässern rund um die Millionenstadt Hyderabad sind stark erhöhte Antibiotikawerte nachweisbar - und unter anderem multiresistente Bakterien. Ein Infektionsmediziner der Leipziger Universität nannte die Funde "beängstigend". Noch beunruhigender: Fast alle großen Pharmakonzerne in Deutschland beziehen Antibiotika und Pilzmittel aus Hyderabad.

Die deutschen Sender NDR und WDR sowie die "Süddeutsche Zeitung" hatten die Entnahme der Proben in der Nähe indischer Pharmafabriken veranlasst. Der Verdacht lag nahe, dass die ansässigen Zulieferunternehmen von international tätigen Pharmafirmen die Rückstände einfach mit dem Abwasser entsorgten. Dieser Verdacht wurde dem Bericht zufolge bestätigt: Es seien "sehr hohe Mengen von Medikamentenrückständen" entdeckt worden - von dem Anti-Pilz-Mittel Fluconazol sogar so viel, dass die Forscher sagen könnten, sie hätten den höchsten Wert bestimmt, der jemals von einem Medikament in der Umwelt gemessen wurde.

Angst vor "massenhaftem Auftreten von Superkeimen"
Auch viele Antibiotika seien in den Proben gewesen - womit die Pharmaabwässer eine weitere Quelle für das "massenhafte Auftreten von Superkeimen" sein könnten. Ein an den Recherchen beteiligter Infektionsmediziner der Leipziger Universität nannte die Funde "beängstigend", weil die multiresistenten Bakterien nicht vor Ort blieben, sondern sich ausbreiteten. Solche Erreger können bei Menschen zu schweren Infektionen führen, gängige Medikamente sind dann oft wirkungslos.

Die Weltgesundheitsorganisation WHO warnt davor, dass Resistenzen gegen Medikamente kein Zukunftsszenario sind, sondern "jeden, in jedem Alter und jedem Land" treffen können. Besonders gefährdet sind allerdings Menschen mit eingeschränkt arbeitendem Immunsystem. Die Europäische Seuchenschutzbehörde ECDC schätzt, dass europaweit jedes Jahr 25.000 Spitalspatienten an einer Infektion mit einem resistenten Erreger sterben, schreibt die "Süddeutsche".

Konzerne verweisen auf strenge Kontrollen
Nach den Informationen der Medien beziehen "fast alle großen Pharmakonzerne in Deutschland" Antibiotika und Pilzmittel aus Hyderabad. Den Bezug von Antibiotika aus der Stadt hätten zwei Konzerne auch schriftlich bestätigt. Die Unternehmen verwiesen den Berichten zufolge auf "die geltenden Standards" sowie auf "eigene Kontrollen bzw. Inspektionen durch die zuständigen Behörden".

Der deutsche Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) mahnte international geltende Industrie- und Umweltstandards an. Generell müsse gelten, dass "Unternehmen das Wasser nicht mit gefährlichen Stoffen verunreinigen dürfen", so der Minister. Über die internationalen Gremien im Wirtschafts- und Umweltbereich müsse darauf hingewirkt werden, dass solche Standards erarbeitet und vor Ort auch kontrolliert würden.

Der deutsche Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) erklärte, die Pharmaunternehmen, die Arzneimittelbestandteile aus Asien einkauften oder dort herstellen ließen, "werden den Bericht zum Anlass nehmen, auf die Einhaltung vereinbarter Umweltrichtlinien stärker einzuwirken". Die Industrie habe aber keinen Einfluss auf die von den jeweiligen Ländern gesetzten Umweltstandards, gab der stellvertretende BPI-Hauptgeschäftsführer Norbert Gerbsch an.

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