Wirkt auf das Gehirn

Macht Belastung durch Feinstaub in Städten dick?

Wissenschaft
23.02.2016 06:02

Die erhöhte Belastung durch Feinstaub - speziell in Städten - bringt möglicherweise den menschlichen Stoffwechsel aus dem Gleichgewicht und führt so zu Fettleibigkeit, behaupten jetzt einige Forscher. Demnach wirkt Feinstaub direkt auf das Gehirn, wo er den Hypothalamus, der die Nahrungs- und Wasseraufnahme regelt, durcheinanderbringt. Das führe dazu, dass der Appetit steige.

US-Wissenschaftler stellten erstmals 2009 bei Versuchen mit Mäusen fest, dass jene Tiere, die von Natur aus leichter Gewicht ansetzten, zunahmen und ihren Blutzuckerspiegel schlechter regulieren konnten, wenn sie ein halbes Jahr feinstaubreiche Luft atmeten. Vor allem junge Nager zeigten sich diesbezüglich besonders anfällig. Schon nach zehn Wochen in Großstadtluft stiegen ihr Zuckerspiegel und die Entzündungswerte im Blut an. Die Forscher folgerten daraus, dass Feinstaub besonders Kinder übergewichtig und zuckerkrank macht.

Lässt Feinstaub den Stoffwechsel entgleisen?
Drei Jahre später kamen Wissenschaftler am Institut für Epidemiologie I des Helmholtz Zentrums München zu dem Schluss, dass eine erhöhte Feinstaubbelastung bei Kindern das Risiko erhöht, eine Vorstufe von Diabetes mellitus ("Zucker") - die Insulinresistenz - zu entwickeln. Demnach können Luftschadstoffe direkt Lipide (Fette) oder Proteine (Eiweiße) oxidieren oder auch indirekt oxidierende Signalwege in den Zellen aktivieren, so Elisabeth Thiering, die Erstautorin der Studie, die in der Fachzeitschrift "Diabetologia" veröffentlicht wurde. Je schlechter die Luft, desto eher könne der Stoffwechsel entgleisen, so die Forscher.

"Dieser oxidative Stress durch Feinstäube kann eine Erklärung für die Entwicklung einer Insulinresistenz sein. Zudem haben frühere Studien gezeigt, dass eine Vermehrung von kleinsten Luftpartikeln sowie NO2 zu einer Erhöhung entzündlicher Biomarker führen, was ebenfalls ein möglicher Trigger (Auslöser, Anm.) für eine Insulinresistenz sein kann", so Thiering, die für die Untersuchung Daten und Blutproben von fast 400 zehnjährigen deutschen Kindern ausgewertet hat.

Die gefährlichste Belastung geht von Feinstaub der Kategorie PM 2,5 aus, also Schwebpartikeln von 2,5 Mikrometern (ein Mikrometer ist ein Tausendstel Millimeter, Anm.) Größe und kleiner. Sie dringen tief in die Lungen ein und verursachen Herzinfarkte, Asthma, Schlaganfälle und Lungenkrebs. Forscher konnten bereits beweisen, dass sehr feiner Feinstaub über die Nase direkt in das Gehirn gelangen kann. Bei Versuchen mit Mäusen führten die Mikropartikel zu einer Entzündung des Hypothalamus, der beim Menschen die Sättigung, den Blutdruck und den Blutzuckerspiegel steuert.

Zahlreiche Störgrößen und Ungereimtheiten
Den eindeutigen Beweis zu erbringen, dass Feinstaub Menschen dick und zuckerkrank macht, sei schwierig, da es zahlreiche potenzielle Störgrößen und Ungereimtheiten gebe, sagen Experten. Doch einige Studien würden zeigen, dass die mikroskopisch kleinen Staubteilchen in der Luft dick machen, sagen Forscher. Das hätten 2014 unter anderem zwei kalifornischen Studien gezeigt.

Laut einem im Vorjahr veröffentlichten Bericht der Europäischen Umweltagentur verursacht Feinstaub jährlich rund 430.000 vorzeitige Todesfälle in der EU. Laut Umweltagentur sorgen schmutzige Luft und Lärm nach wie vor für "ernsthafte Gesundheitsprobleme, insbesondere in städtischen Gebieten". Trotz Maßnahmen wie Fahrverboten sehen Experten keinen Anlass für eine Entwarnung: Der Klimawandel werde das Problem vielmehr noch verschärfen, heißt es.

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