Resistenzen

Lugdunin: Neues Antibiotikum in der Nase entdeckt

Wissenschaft
27.07.2016 19:00

Ausgerechnet in der menschlichen Nase haben deutsche Forscher ein neues Antibiotikum entdeckt. Der Stoff mit dem Namen Lugdunin tötet Laborbefunden zufolge auch Bakterienstämme, die gegen andere Antibiotika resistent sind. Produziert wird der Stoff vom Bakterium Staphylococcus lugdunensis, das bei einem kleinen Teil der Menschen natürlicherweise in der Nase vorkommt. Bis zu einer etwaigen Zulassung als Medikament ist es aber noch ein langer Weg, wie das Fachmagazin "Nature" berichtet.

Bakteriologen suchen seit vielen Jahren nach einem Weg, Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (kurz MRSA) zu bekämpfen. "Diese Erreger sind in Krankenhäusern ein großes Problem, jedes Jahr sterben mehrere 1000 Menschen in Deutschland durch MRSA-Infektionen", erklärt Andreas Peschel von der Universität Tübingen. Es gebe sogar Schätzungen, nach denen in den kommenden Jahrzehnten mehr Menschen an antibiotikaresistenten Bakterien sterben könnten als an Krebs, erläutert Co-Autor Bernhard Krismer in einer Pressemitteilung der Universität Tübingen.

Experimente mit Staphylococcus aureus durchgeführt
Die Forscher sahen sich die mikrobiologische Lebensgemeinschaft in der menschlichen Nase an, wo das Bakterium Staphylococcus aureus bei etwa einem Drittel der Bevölkerung natürlicherweise vorkommt. Bei gesunden Menschen ist das kein Problem, doch bei Kranken und Geschwächten wird Staphylococcus aureus zu einer tödlichen Gefahr.

Zahlreiche Bakterienstämme wurden im Labor einzeln mit Staphylococcus aureus zusammengebracht, darunter verschiedene Arten der Gattung Staphylococcus. Bei Staphylococcus lugdunensis zeigte sich ein Rückgang von Staphylococcus aureus, bis hin zum kompletten Absterben. Jener Stoff, der für den Tod von Staphylococcus aureus verantwortlich ist, nannten die Wissenschaftler Lugdunin. Die weitere Forschung ergab, dass Lugdunin auch bei anderen Bakterienstämmen hilft, die gegen Antibiotika resistent sind.

Tür zu weiteren Quellen von Antibiotika geöffnet?
"Normalerweise werden Antibiotika nur von Bodenbakterien und Pilzen gebildet", wird Peschel in der Pressemitteilung seiner Universität zitiert. "Die Vorstellung, dass die menschliche Mikroflora ebenfalls eine Quelle von antimikrobiellen Stoffen sein könnte, ist eine neue Entdeckung." Die Forscher hoffen, mit dieser Entdeckung eine Tür zu weiteren Quellen von Antibiotika geöffnet zu haben.

Von anderen Experten der Infektionsforschung wird die Entdeckung ebenfalls gewürdigt, es wird allerdings auf mögliche Schwierigkeiten und Gefahren hingewiesen: So meinen Kim Lewis und Philip Strandwitz von der Northeastern University in Boston, dass der Wirkmechanismus von Lugdunin an der Synthese größerer Zellstrukturen wie einer Membran ansetzen und somit möglicherweise auch menschlichen Zellen gefährlich werden könnte.

Alle Wechselwirkungen müssen überprüft werden
Dietmar Pieper vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung, der nicht an der Studie beteiligt war, geht davon aus, dass die Erforschung des neuen Wirkstoffs gerade erst begonnen hat: "Bei der Entwicklung von Antibiotika rechnet man in Jahrzehnten." Staphylococcus lugdunensis und Lugdunin müssten auf alle möglichen Wechselwirkungen im Körper hin genau untersucht werden.

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