Arbeitszeitmodelle

IV-Chef: “Kuhhandel der Sozialpartner beenden”

Wirtschaft
25.03.2017 08:03

Entschlossen wie selten zuvor äußert sich Georg Kapsch als Präsident der Industriellenvereinigung im Interview mit der "Krone" zur gegenwärtigen Polit-Debatte. Vor allem beim Thema Arbeitszeit explodiert er förmlich: "Ich bin vehement dagegen, dass es schon wieder eine Art Tauschgeschäft der Sozialpartner geben soll: so nach dem Motto mehr Flexibilität versus Arbeitszeitverkürzung. Das kommt überhaupt nicht infrage!"

Laut Kapsch geht es um zwei Kernthemen: den Zwölfstundentag und mehr Flexibilität bei der Arbeitszeit. "Den Zwölfstundentag haben wir bei der Reisezeit schon, nicht aber bei der Gleitzeit. Ich verstehe die Position der Gewerkschaft nicht: Da geht keine Überstunde verloren, und das funktioniert auch nur bei kreativen oder projektbezogenen Tätigkeiten, nicht aber in der industriellen Fertigung, dort gibt es ohnedies das Schichtsystem."

Gewerkschaften kontern Kapsch: "Genügend Flexibilität"
Die Gewerkschaften kontern: Es gebe schon genügend Flexibilität, man müsse sie nur nutzen. Antwort von Kapsch: "Theoretisch ja, aber da müsste man einen genauen Zeitraum vorher angeben sowie eine Begründung dazu und braucht dann auch noch den Sanktus der Sozialpartner. Das macht niemand, daher schwebt über allen ständig das Damoklesschwert hoher Strafen."

Modelle in Schweden und Norwegen als Beispiel
Er verweist auf die Beispiele Schweden und Norwegen: Dort gibt es nur eine vorgeschriebene Mindestruhezeit von elf Stunden und einen Freizeitblock von 36 Stunden in der Woche, der aber nicht zwingend am Wochenende genommen werden muss. Und das bei einer 40-Stunden-Woche.

"Flexibilität kein Überstunden-Klau"
Das Modell der Industriellenvereinigung für mehr Flexibilität wäre kein Überstunden-Klau, wie oft behauptet, sondern eine Chance sowohl für die Arbeitgeber wie auch für die Arbeitnehmer. Kapsch: "Warum soll man eine vernünftige Lösung eintauschen gegen eine sechste Urlaubswoche, die 300 Millionen Euro Mehrkosten verursacht, oder gegen eine Arbeitszeitverkürzung, die die Wettbewerbsfähigkeit und damit die Jobs gefährdet?"

Auch die Forderung nach einer "Aufteilung der Arbeit" auf möglichst viele hält er für eine "Milchmädchenrechnung": "Wenn ein Computerspezialist zehn Prozent weniger arbeitet, bekommt diese Tätigkeit dann ein arbeitsloser Pflichtschulabsolvent? Das funktioniert doch nicht so, das ist ein doppelter Schuss ins Knie. Höhere Kosten und dann zu wenig Spezialisten für attraktive Aufträge?"

Lohn- und Sozialdumpinggesetz: "Unglaubliche Bürokratie"
Kapsch ortet dahinter eine Grundhaltung der Gewerkschaft: "Sie glaubt immer, dass man die Leute vor sich selbst schützen müsse. Die können das schon selber, es gibt auch so etwas wie Eigenverantwortung." Bei diesem Thema verweist Kapsch auf die negativen Erfahrungen mit dem Lohn- und Sozialdumpinggesetz: "Das ist eine unglaubliche Bürokratie, und es gibt enorme Strafen selbst für Bagatelldelikte. Das ist nicht egal, denn schon eine einzige kleine Strafe bewirkt, dass ein Unternehmen von öffentlichen Ausschreibungen ausgeschlossen wird."

Ob die Sozialpartner das Arbeitszeitpaket bis Juni schaffen? Kapsch ist skeptisch: "Nochmals: Schluss mit diesen ewigen Gegengeschäften und Tausch-Aktionen, wenn es um wichtige Gesetze geht!"

"Seit 70 Jahren nicht so instabile Verhältnisse wie jetzt"
Unternehmerisch lebe man ohnedies schon in einer Zeit größter Turbulenzen: "Seit 70 Jahren haben wir nicht so instabile Verhältnisse gehabt wie jetzt. Der Bogen reicht von der Renationalisierung über die Flüchtlingswelle und Terroranschläge bis hin zu den Handelsverträgen. Man kann nicht einmal sagen, wir leben in einer Phase des Umbruchs, weil keiner weiß, in welche Richtung die Reise weitergeht. Die Menschen wollen daher Sicherheit. Diese kann die Politik geben, ich hoffe auch, dass es bei uns keine vorzeitigen Neuwahlen geben wird."

Georg Wailand, Kronen Zeitung

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