"Krone"-Analyse

Welche Staatsoberhäupter tatsächlich mächtig sind

Ausland
24.04.2016 11:02

Am Sonntag findet in Österreich die Bundespräsidentenwahl statt. Wer 50 Prozent und eine Stimme erhält, wird für sechs Jahre zum Amtsinhaber. Gelingt das niemandem, gibt es eine Stichwahl der beiden Bestplatzierten. Die Aufgaben des Präsidenten reichen von der Angelobung und Entlassung der Regierung über die Beurkundung von Gesetzen bis hin zur Vertretung der Republik nach außen. Wie ist das in anderen Ländern?

1. In den USA wird der Präsident indirekt gewählt und regiert vier Jahre. Die Amerikaner stimmen in jedem Bundesstaat für "Wahlmänner", die sich erst einen Monat nach dem Wahltag entscheiden. Im Normalfall fühlen sie sich an das Ergebnis der Volkswahl gebunden. Eine Verpflichtung dazu gibt es bloß in rund der Hälfte der Staaten. Auch beim Rest wären für Abweichler nur geringe Geldstrafen vorgesehen.

Barack Obama ist Staatsoberhaupt und Regierungschef. Zudem handelt er als oberster Befehlshaber der Streitkräfte und hat bei Gesetzen ein Vetorecht. Das lässt ihn mächtig erscheinen. Ist die Parlamentsmehrheit in den Händen der Gegenpartei, nennt man ihn uncharmant eine "lame duck". Was lahme Ente bedeutet.

2. Der französische Präsident wird vom Volk für fünf Jahre gewählt. Er bestellt Regierungschef und Minister. Dabei sind die Staatsoberhäupter in Frankreich und Österreich gleichermaßen völlig frei. Realpolitisch haben sie die Mehrheiten im Parlament zu berücksichtigen. Zudem könnte Francois Hollande die Nationalversammlung - sie entspricht dem Nationalrat - auflösen. Das geschieht, wenn Neuwahlen seiner Partei nützen würden.

Weil Bundespräsidenten dazu eines Vorschlags der Regierung bedürfen, wäre das bei uns schwieriger. Frankreichs Präsident hat übrigens parteiintern das Sagen. Als Franzosen müssten also die Herren Faymann, Mitterlehner und Strache im Fall eines Wahlsiegs darauf hören, was Hundstorfer, Khol oder Hofer ihnen anschaffen.

3. Das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Nordirland ist eine Erbmonarchie. Staatsoberhaupt ist die Königin als Mitglied der Familie Hannover-Windsor-Mountbatten. Sie ernennt Regierung, Bischöfe und Richter auf Vorschlag des Premierministers. Genauso wird die Regierungserklärung verlesen, ohne dass Queen Elizabeth einen Buchstaben daraus mitbestimmt. Ihre Hauptfunktion ist allein die Symbolik der staatlichen Einheit.

4. In Deutschland ist der Präsident ähnlich schwach. Er wird - wie zuletzt Joachim Gauck - von der Bundesversammlung auf fünf Jahre gewählt. Seine Möglichkeiten beschränken sich auf die moralische Instanz. Die verfassungsmäßigen Kompetenzen - so das Vorschlagsrecht für den im Parlament zu wählenden Kanzler - haben in Zeiten halbwegs stabiler Parteien keine Bedeutung. Nach zwölf Jahren Schreckensregime der Nazis und Adolf Hitlers mit einer Verhetzung des Volkes waren starke Staatsführer und Direktwahl einfach undenkbar.

5. Österreichs Nachbarländer beweisen, wie sehr politische Entwicklungen die Präsidentenrolle prägen. In Italien etwa ist aufgrund des zersplitterten Parlaments der durch Abgeordnete und Regionsvertreter gewählte Präsident mehr gefragt als anderswo. Weil Regierungswechsel seit 1945 mehr als 60-mal (!) vorkamen. Sergio Mattarella könnte viel Arbeit bekommen.

6. Die Schweiz wiederum erspart sich den Präsidenten. Für je ein Jahr übernimmt ein Regierungsmitglied dieses Amt und ist zugleich Außenminister. Da müsste momentan Werner Faymann sowohl das als auch Präsident werden. Oder Sebastian Kurz Kanzler. Was bei hinkenden Vergleichen mit Österreich gerne vergessen wird: Die Schweizer haben eine Konzentrationsregierung aller größeren Parteien.

Würde es funktionieren, wenn SPÖ, ÖVP und FPÖ plus Grüne, NEOS oder Team Stronach für ein paar Monate den Bundespräsidenten stellen? In der Eidgenossenschaft klappt das weniger gut, seit die Übereinstimmung der Regierungsparteien nach der sogenannten "Zauberformel" abnimmt.

7. Die osteuropäischen Nachbarn hatten früher nicht mit Präsidenten schlechte Erfahrungen gemacht, sondern mit einer alles regelnden Kommunistischen Partei. Folgerichtig hat man weniger Scheu vor einem mächtigen Mann. Nur ist das nicht zwangsläufig der Staatspräsident. Den in Ungarn vom Parlament gewählten Janos Ader kennt im Ausland kaum jemand. Viktor Orban als Regierungsobersten hingegen jeder.

Nur der - wie Andrej Kiska in der Slowakei und Borut Pahor in Slowenien - direkt gewählte Milos Zeman aus Tschechien ist ähnlich bekannt. Aus unerfreulichem Anlass: 2013 blieb unklar, ob ein schwankender Gang durch Fieber oder Alkohol zustande kam. So oder so kurios war seine Erklärung, dass Hitler als Abstinenzler den Krieg verloren habe und der Whiskytrinker Winston Churchill gewann.

Was der Ländervergleich zeigt? Aufgrund der Geschichte ist die Rolle der Präsidenten international sehr verschieden. Sie beruht dennoch stets auf der Idee eines Machtgleichgewichts der Staatsgewalten und dem Konsens über den Geist der Verfassung. Agieren Präsident, Regierung und Parlament nicht demokratiepolitisch besonnen, käme es überall zu einer Politikblockade und somit zur Handlungsunfähigkeit des Staates.

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