Protest in Lager

Ungarn: 100 Migranten im Hungerstreik

Ausland
13.03.2017 18:38

In einem ungarischen Flüchtlingslager an der Grenze zu Rumänien sind laut Behördenangaben fast alle Bewohner in einen Hungerstreik getreten. An der Aktion in der Stadt Bekescsaba beteiligten sich derzeit 94 der 102 Migranten, teilte die Einwanderungsbehörde am Montag mit. Sie sind demnach unzufrieden, weil sie in Ungarn festgehalten werden und man um ihre Fingerabdrücke bittet.

Sie wollten nicht in Ungarn bleiben. Da die ungarische Regierung sie ebenfalls nicht haben möchte, verstünden sie nicht, warum sie festgehalten werden, erklären die Streikenden in einem öffentlichen Brief, den sie Menschenrechtsorganisationen und Medien zukommen ließen. Die Menschenrechtlerin Marta Pardavi sagte, viele Bewohner des Lagers könnten traumatisiert sein. Die Lage sei vorerst aber ruhig.

Keine Bewegungsfreiheit während Asyl-Überprüfung
Ungarn liegt entlang der Balkanroute, die vor allem im Jahr 2015 Hunderttausende Migranten auf dem Weg vom Nahen Osten in Staaten wie Österreich, Deutschland oder Schweden nutzten. Die Regierung unter Ministerpräsident Viktor Orban nimmt eine harte Position in der Flüchtlingsfrage ein und hat seit 2015 mehrere Verschärfungen des Asylrechts durchgeführt.

Seit Juli des Vorjahres schiebt Ungarn illegal ins Land gelangte Flüchtlinge, die in einer Entfernung von bis zu acht Kilometern zur serbischen Grenze aufgegriffen werden, nach Serbien zurück. Am vergangenen Dienstag billigte das Parlament ein verschärftes Asylgesetz, das die Zone der möglichen Rückschiebungen auf das ganze Land ausdehnt. Die wenigen Asylsuchenden, die Ungarn über zwei sogenannte Transitzonen unmittelbar am Grenzzaun ins Land lässt, dürfen künftig während der Dauer ihres Asylverfahrens diese Container-Burgen nur noch in Richtung Serbien verlassen. Derzeit wird gerade ein zweiter Grenzzaun an der ungarisch-serbischen Grenze errichtet.

Flüchtlinge klagen über Misshandlungen durch Grenzbeamte
Abgeschobene Flüchtlinge klagen häufig über Verletzungen, die von Schlägen, Tritten, Reizungen durch Pfefferspray oder Hundebissen herrühren sollen. Menschenrechtsorganisationen beschuldigen die ungarischen Grenzpolizisten, Asylwerber gezielt zu misshandeln, um sie von weiteren Versuchen, illegal ins Land zu kommen, abzuhalten.

Ungarn bestreitet, dass seine Grenzbeamte Gewalt gegen Flüchtlinge anwenden. Das ungarische Innenministerium weist solche Berichte kategorisch zurück. "Der Unterstützerkreis von MSF (Ärzte ohne Grenzen, Anm.) ist bekanntermaßen mit (dem US-Milliardär) George Soros verbunden", hielt es das Ministerium für wichtig zu betonen. Der aus Ungarn stammende Soros ist im Land des rechtskonservativen Ministerpräsidenten Viktor Orban eine Art Staatsfeind, weil er sich für Demokratie und Menschenrechte einsetzt.

Erst in zwei Fällen Anklage erhoben
Trotzdem wurden einige Fälle in Ungarn sehr wohl amtsbekannt, wie das Internetportal 24.hu nach einer Anfrage bei der ungarischen Staatsanwaltschaft erfuhr. So wurden bei der Ermittlungsbehörde in der Grenzstadt Szeged seit September 2015 44 Fälle mutmaßlicher Misshandlungen von Flüchtlingen durch Grenzorgane zur Anzeige gebracht. In 31 Fällen kam es zur Einstellung des Verfahrens wegen Mangels an Beweisen, in immerhin zwei Fällen wurde Anklage erhoben.

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